Eine frühe Fehlgeburt wird auch finanziell bestraft – das soll sich ändern
Krankenkassen wollen Frauen entlasten

Eine Fehlgeburt ist für Frauen ein Schlag: Nicht nur wegen des persönlichen Verlustes, sondern auch, weil sie dafür in den ersten 12. Schwangerschaftswochen finanziell bestraft werden. Daran stossen sich jetzt sogar Krankenkassen, die für die Mehrkosten aufkämen.
Publiziert: 14.11.2019 um 08:02 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2019 um 08:04 Uhr
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Schlagerstar Sarah Jane fand den Verlust ihres Ungeborenen Anfang Jahr sehr hart. Aber sie wollte darüber reden, weil eine Fehlgeburt immer noch ein grosses Tabu sei, obwohl es häufiger vorkomme, als man denke.
Foto: Thomas Meier
Claudia Gnehm
Claudia GnehmStellvertretende Wirtschaftschefin

Der Tod eines ungeborenen Kindes ist in der Schweiz immer noch ein Tabu. Dabei endet fast jede fünfte Schwangerschaft in einer frühen Fehlgeburt – 20'000 Fälle pro Jahr sind es in der Schweiz. BLICK berichtete im Frühling über den Schmerz und die Trauer betroffener Frauen, auch von bekannten wie Schlagerstar Sarah-Jane (34).

Trotz Häufigkeit halten sich viele Falschinformationen um Fehlgeburten. So gibt sich fast die Hälfte der Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten, selber die Schuld dafür. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Zürcher Femtech-Unternehmens Ava im deutschen Sprachraum, die BLICK exklusiv vorliegt.

Zusätzlich zu Schuldgefühlen werden die Betroffenen finanziell belastet. Grund für diese Doppelstrafe: Die Krankenkassen kommen für Komplikationen in der Schwangerschaft erst ab der 13. Woche auf. Eine frühe Fehlgeburt gilt als Krankheit. Die Frauen sind zur Kostenbeteiligung verpflichtet. Konkret kostet eine Curettage – Ausschabung eines toten Fötus – im Spital rund 800 bis 1100 Franken. Die Frauen müssen für den Selbstbehalt aufkommen, zudem wird die Franchise belastet.

«Kostenbeteiligung ist stossend»

«Es darf nicht sein, dass Frauen doppeltes Leid ertragen müssen – durch den Verlust des Kindes und die finanzielle Belastung», sagt Thomas Eggimann (52), Generalsekretär des Schweizer Gynäkologenverbands (SGGG). Der Verband fordert, dass medizinische Eingriffe wegen früher Fehlgeburten von den Kosten befreit werden sollen.

Die Gesetzesänderung solle explizit die Kostenbefreiung nur bei Fehlgeburt festlegen, führt Eggimann aus. Damit entgegnet er Befürchtungen, dass auch freiwillige Schwangerschaftsabbrüche und Krankheiten bis zur 12. Schwangerschaftswoche gratis würden.

Pikant: Selbst Krankenkassen wollen diese Ungleichbehandlung aufheben, wie sie gegenüber BLICK sagen. Obwohl sie das mehr kosten würde. «Es ist stossend, dass für Leistungen bei Komplikationen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen eine Kostenbeteiligung gilt», sagt KPT-Sprecher Beni Meier. Die KPT befürworte deshalb eine Anpassung. Ebenso Concordia.

Für die Swica ist laut Sprecherin Silvia Schnidrig klar: «Sobald eine Schwangerschaft von einem Arzt bestätigt ist, sollten die Bedingungen einer Schwangerschaft gelten.» Auch die Groupe Mutuel befürwortet bei Aborten eine Kostenbefreiung, ebenso die Helsana aus «ethischen Gründen», wie ein Sprecher sagt.

Die Krankenkassen betonen, dass sie gegenüber den Frauen nicht kulant sein dürften. Die Leistungen bei Mutterschaft seien abschliessend in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung festgehalten. Und sobald dürfte diese nicht angepasst werden. Zwar hat der Nationalrat zwei Motionen, die entsprechende Anpassungen fordern, im Sommer angenommen. Die zuständigen Parlamentskommissionen haben sie aber noch nicht behandelt. Klar gegen die Motionen ist einzig die CSS-Versicherung – wegen administrativem Aufwand.

Chromosomenstörungen sind häufigste Ursachen

Die Medizinchefin von Ava, Maureen Cronin (62), ist überzeugt, dass die emotionale und die finanzielle Belastung von Fehlgeburten verringert werden könnten. «Ein Hauptgrund für Fehlgeburten sind Chromosomenstörungen, von denen viele in der Schwangerschaftsvorsorge festgestellt werden können, insbesondere bei älteren Frauen mit höherem Risiko», sagt die international anerkannte Expertin für weibliche Reproduktionsgesundheit.

Ava ist es auch wichtig, Falschinformationen rund um Fehlgeburten aufzudecken. Ihre Umfrage in der Schweiz, Deutschland und Österreich ergab, dass 70 Prozent der betroffenen Frauen überzeugt sind, dass Stress eine Fehlgeburt auslösen kann. Intensive körperliche Tätigkeit sahen 37 Prozent als Ursache für eine Fehlgeburt. Weitere 35 Prozent machen das Heben schwerer Gegenstände verantwortlich. «Dabei hat die Forschung schon lange bewiesen, dass Fehlgeburten nicht durch Stress, Bewegung oder das Heben schwerer Gegenstände verursacht werden», betont Cronin. Es sei traurig zu sehen, dass diese Mythen rund um Fehlgeburten noch immer bestünden.

Krankenkassen sehen frühe Schwangerschaft als Krankheit

Eigentlich sah das 1996 eingeführte Krankenversicherungsgesetz für Mutterschaft keine Kostenbeteiligung vor. Doch dann mussten sich die Frauen auf Beschluss des Eidgenössischen Versicherungsgerichts trotzdem an den Kosten beteiligen. In der neuen Regelung von 2014 liessen sich die Krankenkassen zu einer Kostenbefreiung ab der 13. Schwangerschaftswoche bewegen.

Für eine werdende Mutter, die ihr Kind vor der 13. Woche verliert, bedeutet das seither: Neben dem psychischen Leid bleibt sie auch noch auf den Kosten für die Fehlgeburt sitzen. Denn gesetzlich gelten Komplikationen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen als Krankheit – also mit Franchisebelastung und Selbstbehalt.

Eigentlich sah das 1996 eingeführte Krankenversicherungsgesetz für Mutterschaft keine Kostenbeteiligung vor. Doch dann mussten sich die Frauen auf Beschluss des Eidgenössischen Versicherungsgerichts trotzdem an den Kosten beteiligen. In der neuen Regelung von 2014 liessen sich die Krankenkassen zu einer Kostenbefreiung ab der 13. Schwangerschaftswoche bewegen.

Für eine werdende Mutter, die ihr Kind vor der 13. Woche verliert, bedeutet das seither: Neben dem psychischen Leid bleibt sie auch noch auf den Kosten für die Fehlgeburt sitzen. Denn gesetzlich gelten Komplikationen in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen als Krankheit – also mit Franchisebelastung und Selbstbehalt.

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