Vor einem Jahr hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Nation auf dem linken Fuss erwischt. Punkt 10.30 Uhr verschickte sie eine gewohnt dürre Mitteilung, in der es hiess: «Nationalbank hebt Mindestkurs auf». Ein Schock, der die Schweizer Wirtschaft in den Grundfesten erschütterte. Wenigstens in den ersten Wochen und Monaten.
Auch ein Jahr später, wird die Frage ob SNB-Präsident Thomas Jordan (52) richtig entschieden hat, höchst kontrovers diskutiert. Klar ist aber mittlerweile, wer von der Aufhebung des Euro-Mindestkurses von 1.20 Franken profitiert hat. Und wen der Frankenschock zu Verlierern gemacht hat.
Die Gewinner
Konsumenten: Sie profitieren doppelt vom starken Franken. Produkte des täglichen Bedarfs sind im Inland auf breiter Front billiger geworden. Aus Angst, Kunden ans grenznahe Ausland zu verlieren, haben die Schweizer Detaillisten schnell reagiert und die Preise gesenkt: Coop und Migros um je 200 Millionen Franken, Denner um 40 Millionen. Spar hat 40 Prozent aller Artikel verbilligt. Zudem kriegt der Schweizer mehr für sein Geld, wenn er in Deutschland oder Frankreich shoppen geht.
Importeure: Händler, die ihre Waren im Euroraum beziehen können, reiben sich die Hände. So vermeldet etwa die Autobranche ein Rekordjahr. 2015 wurden in der Schweiz über 320 000 neue Autos zugelassen. Die Importeure senkten innert weniger Tage die Preise und gewährten Eurorabatte - für Autos, die sie noch teuer zum alten Kurs erstanden haben. Das führte dazu, dass viele Kunden einen sowieso geplanten Autoverkauf vorgezogen haben. Mittlerweile profitieren die Händler davon, ihre Fahrzeuge günstiger einkaufen zu können.
Fluggesellschaften und Reisebüros: Ferien im Ausland wurden für Schweizer auf einen Schlag deutlich billiger. Das spürten sowohl Reisebüros als auch Fluggesellschaften. Viele Schweizer verbrachten ihre Sommerferien - trotz bestem Wetter in der Heimat - im billigeren Ausland. Sehr zum Leidwesen der Schweizer Hottellerie und Gastronomie.
Immobilienkäufer: Die SNB hob nicht nur den Euro-Mindestkurs auf, sondern führte auch Negativzinsen ein. Damit sollen Banken «bestraft» werden, die ihr Geld bei der SNB bunkern. Das hatte Folgen auf das Zinsgefüge. Und freute all diejenigen, die ein Haus bauen oder eine Wohnung kaufen wollten! Ende Januar waren die Hypotheken rekordtief. Im Laufe des Jahres stiegen sie dann wieder leicht an.
Die Verlierer:
Tourismus: Die Hotellerie trifft es wegen ausbleibender Gäste aus dem Euro-Raum besonders hart. Vor allem Bergregionen leiden unter ausbleibenden Touristen. Im Vergleich zum Vorjahr buchten europäische Gäste 11 Prozent weniger Übernachtungen. Das hatte Konsequenzen für 385 Hotels und Pensionen: Sie mussten aufgeben und ihre Pforten für immer dicht machen.
Gastgewerbe: Auch die Beizer leiden unter dem starken Franken. Immer mehr Schweizer essen ennet der Grenze - laut Gastrosuisse sind es 36 Prozent, die das regelmässig machen. Den Schweizer Wirten gehen so vier Milliarden Franken Einnahmen verloren. Über 2200 Vollzeitstellen sind im Gastgewerbe verschwunden.
Exportwirtschaft: Auf einen Schlag verteuerten sich Produkte aus der Schweiz um 20 Prozent. Die Exporte der Maschinen-, Elektro und Metallindustrie gingen bis November um 6,4 Prozent zurück. Ein harter Schlag, denn 80 Prozent der Waren gehen in den Export. Um keine Kunden zu verlieren, mussten die Firmen mit den Preisen runter. Entsprechend sanken die Margen. Was längerfristig wiederum negative Auswirkungen auf Investitionen haben - ein verhängnisvoller Teufelskreis.
Angestellte: Tausende Büezer mussten länger arbeiten - zum gleichen Lohn. Oder wurden zu Kurzarbeit verpflichtet. Damit wollten vor allem Patrons von KMU die Jobs in der Schweiz sichern. Nicht alle hatten aber Erfolg damit. Der Frankenschock kostete über 10 000 Angestellten den Job. Die Arbeitslosigkeit stieg im Dezember auf 3,4 Prozent. Besonders hart hat es die Industrie getroffen: Dort stieg die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent.