Schweizer Banker waren sehr angesehene Leute, kompetent, fleissig und zuverlässig.» Dies sagte die US-Banker-Legende David Rockefeller anno 1975. Vier Jahrzehnte später: Schweizer Bankiers gelten als Abzocker, Steuerbetrüger, Manipulatoren von Devisenkursen. Am Mittwoch dokumentierte die Finanzmarktaufsicht bei der UBS den schwersten Fall von Marktmanipulation im
Devisenhandel. Der einst angesehene Beruf des Bankers ist auf den Hund gekommen.
Früher hiess es: «Die Schweiz hat keine Banken, sie ist eine Bank.» Das war untertrieben. Ohne die Banken wäre die Schweiz eine andere. In der Gründerzeit, als sich das Land vom Agrar- zum Industriestaat wandelte, waren die Finanzinstitute die Taktgeber Richtung Moderne.
In Zürich gründete Alfred Escher die Schweizerische Kreditanstalt (SKA), um Eisenbahnen und Gotthardtunnel zu finanzieren. In Basel bauten die Sarasins eine Privatbank, um den Kapitalbedarf der Seidenbandproduktion und später der chemischen Industrie bereitzustellen. In Genf erfanden die Lombards, Odiers oder Pictets im calvinistischen Geist der Stadt die Fine art of Swiss banking, die auf den moralischen Prinzipien des Reformators fusste: Diskretion und Vertragstreue, Sparsamkeit und Fleiss.
Dies galt noch immer, als 1935 das berühmte Schweizer Bankgeheimnis in Kraft trat. Ein Bollwerk der Diskretion zum Schutz des Bankkunden. «Wer ein Geheimnis offenbart, das ihm als Organ, Angestellter oder Liquidator einer Bank anvertraut worden ist, wer zu einer solchen Verletzung des Berufsgeheimnisses zu verleiten sucht, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft», heisst es dort.
In den Schaltzentralen der Grossbanken sassen noch bis in die 1970er-Jahre hinein die Exponenten einer stolzen Zunft, die nach dem Zweiten Weltkrieg den heimischen Finanzplatz in die globale Top-Liga hochgestemmt hatten.
Bei der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) etwa Alfred Schaefer, so etwas wie die Blaupause des Schweizer Bankiers: Meist trug er einen Zwicker, war stets tadellos gekleidet und pflegte eine bildungsgeschwängerte Ausdrucksweise. Doch bereits dessen Nachfolger als SBG-Präsident, Robert Holzach, sah 1987 mit Sorge jene Wall-Street-Banker in die Schweizer Banken hineindrängen, die «ohne irgendwelche berufsethische Verpflichtung» nur danach trachteten, «ein Millionen-Plansoll im persönlichen Dollareinkommen» zu erreichen – nachzulesen in einer soeben erschienenen Holzach-Biografie.
Der Nächste an der SBG-Spitze, der kürzlich verstorbene Nikolaus Senn, für die NZZ der «letzte herausragende Präsident», duellierte sich noch erfolgreich mit Shareholder-Value-Fetischisten vom Schlage eines Martin Ebner und erlebte als Pensionär, wie seine Bank mit dem Bankverein zur UBS verschmolz.
Dort regierte Marcel Ospel und öffnete das Tor sperrangelweit den angelsächsisch geprägten, dollargetriebenen Wall-Street-Bankstern, vor denen Holzach gewarnt hatte – diese charakterlosen Gesellen infiltrierten die Bankenwelt vom Schalter bis zur Spitze, nicht nur bei der UBS.
In diesem Humus konnte ein junger UBS-Trader aus Ghana namens Kweku Adoboli mit fingierten Trades einen Verlust von zwei Milliarden Dollar produzieren. Und in Basel wurde nach vier Generationen der letzte Sarasin aus der Bank katapultiert. Eric Sarasin muss sich wegen unsauberer Steuertricks vor Gericht verantworten. Vor vier Jahren war er noch zur glaubwürdigsten Bankierpersönlichkeit 2010 gekürt worden.