Herr Bauer, vor kurzem wurde spekuliert: Edelweiss fliege nach Hawaii. Fakt oder Fiktion?
Bernd Bauer: Das war ein Gerücht! Wir bekommen mit der A340 zwar neue Langstreckenjets, die haben eine grössere Reichweite als unsere A330er. Aber bis Hawaii reicht es definitiv nicht.
Wie weit reichts?
Prüfen tun wir vieles. Wir werden das Netzwerk wohl Richtung Asien ausweiten. Vietnam und die Philippinen sind interessant. In Zukunft auch Myanmar.
Kommen Sie da Ihrer grossen Schwester Swiss nicht in die Quere?
Wir haben mit der Swiss eine sehr klare Aufteilung: Wir fliegen nur Ferienziele an. Die Swiss konzentriert sich auf Geschäftsreisen und auf eine gemischte Nachfrage. Auch innerhalb der Lufthansa-Gruppe sprechen wir uns übrigens ab. Nicht, dass wir alle am gleichen Tag zum gleichen Ort fliegen.
Trotzdem: Warum braucht es Sie? Lufthansa könnte sagen: Die Swiss soll Ihren Job übernehmen.
Wir sind der Ferienspezialist. Wir machen nichts anderes. Wir gehen anders auf die Gäste ein. Wir arbeiten eng mit den Reiseveranstaltern zusammen. Dadurch heben wir uns deutlich ab von den anderen Airlines im Lufthansa-Konzern.
Geben Sie uns ein Beispiel: Wie gehen Sie anders mit den Passagieren um?
Es liegt an unserer Crew. Sie redet anders mit den Fluggästen. Wir wissen: Die Passagiere wollen in die Ferien. Unsere Serviceabläufe sind darauf abgestimmt. Und: Unsere Besatzung hat teilweise längere Aufenthalte an den Zieldestinationen, bis sie den Rückflug antritt. Die Crew fliegt also sozusagen mit in die Ferien. Das überträgt sich auf die Stimmung an Bord.
Nur Internet in der Kabine gibt es nicht. Kein Thema?
Nein, im Moment nicht.
Wie gross kann Edelweiss noch werden?
Unser Horizont geht bis Ende 2018. Bis dann haben wir sechs Langstreckenjets. Es wird noch die eine oder andere Destination dazukommen, aber dann haben wir unseren Langstrecken-Ausbau abgeschlossen.
Wie verdienen Sie eigentlich Ihr Geld?
Wir haben in allen Klassen – Business, Economy Max und Economy – die gleiche Auslastung: rund 80 Prozent. Entscheidend ist die Effizienz: Unsere Langstreckenflieger sind täglich fast 17 Stunden in der Luft. Damit stehen wir international an der Spitze. Auf der Kurzstrecke sind es elf Stunden pro Tag. Im Sommer deutlich mehr.
Wie kriegen Sie das hin?
Wir nutzen das ganze Zeitfenster. Unsere Gäste sind vor allem Schweizer. Die können schon früh am Flughafen sein. Also geht der erste Flieger kurz nach sechs und der letzte kommt kurz vor elf nachts wieder rein.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Flughafen Zürich?
Sehr zufrieden! Wir finden hier die Bedingungen, die wir brauchen.
Sie haben eine Tarifsenkung durchgesetzt. Reicht Ihnen das?
Jede Kostensenkung nehmen wir gerne.
Swiss-Chef Thomas Klühr kritisiert den Flughafen Zürich wegen zu vieler Verspätungen. Sie nicht?
Wir fliegen im Moment mit über 80 Prozent Pünktlichkeit. Das ist ein ganz guter Wert. Aber wir arbeiten mit der Swiss und dem Flughafen an Möglichkeiten, noch besser zu werden, indem wir ankommende Flugzeuge noch besser staffeln. Da haben wir diesen Sommer grosse Fortschritte gemacht – und die Pünktlichkeit ist gestiegen.
Die Kapazität des Flughafens Zürich ist beschränkt. Brauchts dort den Ausbau von Pisten und neue Abflugrouten?
Die Schweiz muss sich langfristig überlegen, wie viel Kapazität der Flughafen in Zürich braucht, um die Schweizer Wirtschaft wettbewerbsfähig zu halten. Als Ferienfluggesellschaft können wir mit der heutigen Kapazität ganz gut umgehen. Aber wenn wir weiterdenken als 2018, dann müssen wir uns überlegen, ob wir zusätzlich auch noch irgendwo anders in der Schweiz operieren können.
Wo am ehesten?
In Genf, dem zweitgrössten Markt der Schweiz.
Kleinere Flughäfen wie Bern-Belp oder Sitten kommen nicht in Frage?
Nein. Da wäre die Nachfrage für unsere grossen Flugzeuge nicht gegeben.
Wie schätzen Sie den Zustand der Luftfahrtbranche insgesamt ein?
Im Moment beschäftigen uns die geopolitischen Verwerfungen. Terror-Akte betreffen auch uns Ferien-Airlines. Wir fliegen in Regionen, die wunderschön sind, aber politisch oft nicht so stabil.
Wollen die Schweizer überhaupt weiterhin in Ägypten oder der Türkei Ferien machen?
Anfang des Jahres war die Nachfrage tatsächlich geringer. Übers Jahr hat sich das aber ausgeglichen. Unsere Flugzeuge nach Ägypten sind voll. Wir haben fast gleich viele Passagiere dorthin befördert wie im letzten Jahr. Das sind halt tolle Ferien-Destinationen. Da kommt die Nachfrage relativ schnell wieder zurück.
Wie gewährleistet man sichere Reisen in explosive Weltgegenden?
Wir sind klein genug, um unser Angebot schnell anpassen zu können. Wir sprechen uns im Konzern und mit den Behörden in der Schweiz und in den Zielländern ab und fliegen nur dann, wenn es absolut sicher ist. Wenn sich Anzeichen für Unsicherheiten ergeben, reagieren wir sofort.
Sagt Ihnen das Thema Air Marshals etwas, also bewaffnete Sicherheitsleute an Bord?
Ja.
Gibt es die auch in den Edelweiss-Jets?
Dazu darf ich Ihnen keine Auskunft geben.
Wie genau schauen Sie die Sicherheitsstandards auf Ihren Zielflughäfen an, zum Beispiel in Ägypten und der Türkei?
Sehr genau! Wir sind regelmässig vor Ort und überprüfen die Sicherheitseinrichtungen. Das Sicherheitspersonal überprüfen wir mit eigenen Inspektionen.
Haben Sie Sharm el-Sheikh wegen mangelnder Sicherheit aus dem Flugplan gestrichen? Das kam ja ziemlich aus heiterem Himmel.
Wir bekamen neue Hinweise über die Sicherheitslage und haben bewiesen, dass wir schnell reagieren können.
Wie hoch ist der Anteil von ausländischen Passagieren?
Wir sind hauptsächlich ein Schweizer Carrier, der Schweizer in die Ferien fliegt. Immer mehr aber bringen wir auch andere Passagiere in die Schweiz, die hier Ferien machen. Sie machen etwa zehn Prozent aus. Die stärksten Märkte sind heute USA, Kanada, Brasilien und Südafrika.
Wie entwickeln sich Gewinn und Umsatz 2016?
Wir sind wegen der geopolitischen Situation schwierig gestartet. Die Anschläge in Paris und Brüssel haben die Reiselust gedrückt. Erst im Spätsommer und Herbst hat sich das gelöst, und wir konnten den Umsatz leicht steigern. Allerdings auch mit höheren Kapazitäten.
Was heisst das in Zahlen?
25 Prozent plus bei der Kapazität und 20 Prozent plus bei den Passagieren. Der Gewinn ist leider noch nicht ganz in der Region, wo wir ihn bis Ende Jahr gerne hätten.
Persönlich
Bernd Bauer (50) ist seit jeher im Airline-Business tätig. Gleich nach dem Wirtschaftsstudium stieg er bei der Crossair ein, dann wechselte er zur neu gegründeten Swiss. In seiner Jugend machte er eine Ausbildung als Skiund Snowboard-Instruktor.