Easyjet-CEO Johan Lundgren verspricht
«Fliegen wird billig bleiben!»

Er führt eine der grössten Airlines der Welt. Im Interview spricht Johan Lundgren über Impfflicht für Fluggäste, klimaneutrales Fliegen und was ihm sein Posaunen-Studium in der Krise nützt.
Publiziert: 28.02.2021 um 00:25 Uhr
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Aktualisiert: 25.03.2021 um 08:57 Uhr
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Der 54-jährige Schwede Johan Lundgren ist seit 2017 CEO von Easyjet.
Foto: Bloomberg via Getty Images
Interview: Christian Dorer

SonntagsBlick: Herr Lundgren, was haben Sie als Profimusiker gelernt, das Ihnen als Easyjet-CEO nützt?
Johan Lundgren: Ich wollte Solo-Posaunist werden. Man braucht sehr viel Disziplin, muss um 5.30 Uhr aufstehen und üben. Von dieser Selbstdisziplin profitiere ich noch heute.

Wie ist die Situation aktuell bei Easyjet?
Wir betreiben in unserem Netzwerk nur rund zehn Prozent unserer früheren Flüge – in Grossbritannien, Frankreich und Italien hauptsächlich Inlandverbindungen. Um die Krise zu überstehen, haben wir wo immer möglich Ausgaben reduziert. Gleichzeitig haben wir Liquidität von mehr als 5,5 Milliarden Franken: Wenn der Aufschwung kommt, starten wir aus einer guten Position heraus. Immerhin sehen wir jetzt Licht am Ende des Tunnels ...

Die Impfung?
Ja, sie ist der Game Changer.

Werden die Menschen in die Sommerferien fliegen können?
Ich erwarte eine riesige, aufgestaute Nachfrage. Eine Umfrage in der Schweiz ergab, dass 72 Prozent der Easyjet-Kunden planen, im Sommer zu fliegen. Die Leute wollen fliegen, sobald es wieder möglich ist!

Empfehlen Sie Ihren Kunden, bereits jetzt zu buchen oder zu warten, bis mehr Gewissheit herrscht?
Sie können problemlos jetzt buchen, weil wir sehr grosszügige Stornierungsbedingungen haben: Wenn wir aus pandemischen Gründen nicht fliegen, bieten wir Umbuchungen, Gutscheine oder Erstattungen an.

Johan Lundgren und Easyjet

Der Schwede Johan Lundgren (54) führt Easyjet seit 2017. Zuvor machte er Karriere in der Tourismus­industrie, vor allem bei Reiseveranstalter Tui, wo er zuletzt als stellvertretender CEO arbeitete. Lundgren studierte drei Jahre klassische Posaune in Schweden, sattelte dann um und studierte Wirtschaft. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt bei London, Easyjets Hauptsitz.

Corona macht auch Easyjet stark zu schaffen: Die Billigfluggesellschaft war 2020 erstmals in ihrer 25-jährigen Geschichte in die roten Zahlen gerutscht. Die Passagierzahlen und Umsätze sanken im letzten Quartal 2020 um fast 90 Prozent. In normalen Zeiten beschäftigt die Airline 14'000 Personen, macht einen Jahresumsatz von 6 Milliarden britische Pfund und betreibt über 300 Airbus-Jets.

Der Schwede Johan Lundgren (54) führt Easyjet seit 2017. Zuvor machte er Karriere in der Tourismus­industrie, vor allem bei Reiseveranstalter Tui, wo er zuletzt als stellvertretender CEO arbeitete. Lundgren studierte drei Jahre klassische Posaune in Schweden, sattelte dann um und studierte Wirtschaft. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt bei London, Easyjets Hauptsitz.

Corona macht auch Easyjet stark zu schaffen: Die Billigfluggesellschaft war 2020 erstmals in ihrer 25-jährigen Geschichte in die roten Zahlen gerutscht. Die Passagierzahlen und Umsätze sanken im letzten Quartal 2020 um fast 90 Prozent. In normalen Zeiten beschäftigt die Airline 14'000 Personen, macht einen Jahresumsatz von 6 Milliarden britische Pfund und betreibt über 300 Airbus-Jets.

Wann sind Sie selber das letzte Mal geflogen?
(Überlegt.) Vor etwa einem halben Jahr. Im Oktober, zur Eröffnung des Berliner Flughafens.

Vermissen Sie das Fliegen?
Enorm! In einer normalen Woche würde ich ein, zwei Tage pro Woche im Easyjet-Netz fliegen. Es ist mir wichtig, an die Basis zu gehen, Lieferanten und Partner zu besuchen und im Flugzeug zu beobachten, wie sich die Kunden verhalten …

… und die Mitarbeiter?
Das ist nicht nötig. Einer der Gründe, warum ich zu Easyjet wollte, war die hervorragenden Crews. Sie haben Spass an dem, was sie tun.

Können Sie garantieren, dass Easyjet diese Krise überlebt?
Ja! Wir sind als eine der stärksten Fluggesellschaften in Europa in diese Situation geraten. Easyjet wird die Pandemie überstehen, weil wir das Unternehmen seit vielen Jahren finanziell umsichtig und konservativ führen.

Wie viele andere Airlines werden pleitegehen?
Ich glaube in der Tat, dass es zu Insolvenzen kommen wird. Dabei gilt: Kurzstreckenverkehr wird schneller zurückkehren als Langstreckenverkehr, Privatreisen werden sich schneller erholen als Geschäftsreisen und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis ist in einer solchen Situation auch wichtig.

Wieso werden Menschen zuerst wieder Kurzstrecke fliegen?
Das ist ein historisches Muster: Bereits nach 9/11 und nach der Finanzkrise erholten sich zuerst die Kurzstrecken. Nach einer Krise fühlen sich viele Menschen wohler, wenn sie nicht zu weit von zu Hause weg sind.

Dürfen künftig nur geimpfte Menschen fliegen?
Ich hoffe nicht. Natürlich muss die Gesundheit an erster Stelle stehen, und wir unterstützen diesbezüglich alle Massnahmen. Wenn die Gebiete am Start- und Zielflughafen ähnliche Infektionsraten haben, dann sollte es keine Rolle spielen, ob die Leute geimpft sind oder nicht.

Easyjet könnte an Vertrauen gewinnen, wenn die Passagiere wissen, dass alle Mitreisenden geimpft sind.
Ich glaube nicht, dass dies eine praktikable Lösung wäre, weil dazu verschiedene Länder ihre Gesetze ändern müssten. Entscheidend ist nicht, wer schon geimpft ist, sondern ob jemand das Virus in sich hat. Am Ende muss sich die Gesellschaft die Frage stellen, ob sie mit diesem Virus leben kann, solange die am meisten gefährdeten Menschen geschützt sind.

Es ist absehbar, dass gewisse Länder nur noch Geimpfte einreisen lassen.
Das kann sein. Trotzdem macht es keinen Sinn, wenn Menschen, die das Virus eindeutig nicht haben, nicht reisen dürfen.

Was halten Sie von Schnelltests vor jedem Flug?
Es gibt viele Massnahmen, die wichtigste ist aber die Impfung. Sie hilft den Druck auf das Gesundheitssystem zu verringern. Und das wiederum sollte allen Regierungen das Vertrauen geben, die Einschränkungen allmählich aufzuheben.

Wie lange dauert es, bis Sie wieder die gleiche Anzahl Flüge betreiben wie zuvor?
Wir gehen davon aus, dass wir 2023 wieder auf dem Niveau von 2019 sind. Andere Fluggesellschaften rechnen mit 2024. Vielleicht erleben wir aber auch eine positive Überraschung, und es geht alles viel schneller.

Wie schnell wären Sie bereit, um mehr zu fliegen?
Der Grossteil der Flotte ist im Flugbereitschaftsmodus und auch die Crews sind bereit. Das heisst, dass wir innert einer Woche starten können, sobald man wieder reisen darf.

Und wenn die Menschen aus Klimagründen weniger fliegen werden, weil sie gesehen haben, dass es auch ohne geht?
Dafür gibt es keine Anzeichen, im Gegenteil: Die Leute können es kaum erwarten, wieder zu fliegen. Wir lösen das Klimaproblem nicht mit Verzicht, sondern mit Kompensation: Wir sind die erste grosse Fluggesellschaft überhaupt, die ein Kompensationsprogramm eingeführt hat. Jeder unserer Flüge ist seit 2019 CO2-neutral.

CO2 nicht auszustossen ist besser als zu kompensieren.
Ja, aber die Menschen wollen fliegen! Zum jetzigen Zeitpunkt ist Kompensieren der einzige gangbare Weg, der sofort zur Verfügung steht, um die Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren. Mittelfristig wird es neue Technologien geben: Wir haben unter anderem mit Airbus eine Partnerschaft. Sie forschen an grossen Wasserstoffflugzeugen mit dem Ziel, dass diese ab 2035 verfügbar sind.

Ist das realistisch?
Absolut.

Wird es auch elektrische Lösungen geben?
Die Autos werden künftig alle elektrisch sein. Die Batterien werden weiterentwickelt, es sollte in Zukunft keine technischen Hürden geben, um nicht auch in den 2030ern ein hybrid-elektrisches oder vollelektrisches Flugzeug zu betreiben.

Wird Fliegen so billig bleiben?
Ja, trotz aktuell hoher Schulden sind wir eine sehr wettbewerbsintensive Branche.

Mit extrem tiefen Preisen fördern Sie unnötigen Flugverkehr und unnötige Klimaschäden.
Nochmals: Mit uns fliegt jeder Passagier CO2-neutral. Vor allem aber ist es unsozial, höhere Flugtarife zu fordern: Reiche werden weiterhin so viel fliegen wie immer, egal, ob die Preise doppelt oder dreifach so hoch sind. Höhere Preise würden bloss die Auslastung reduzieren, was einen höheren CO2-Ausstoss pro Passagier zur Folge hätte.

Ich bin vor zwei Jahren für 32 Franken von Basel nach Reykjavík geflogen. Gut für mich – aber wie kann das ein gutes Geschäft für Sie sein?
Die Preise reagieren auf Angebot und Nachfrage. Der Durchschnittspreis pro Flug liegt in einem normalen Jahr bei rund 70 Franken. Wir sind stolz darauf, dass wir den Leuten attraktive Tarife anbieten können, und sich hart arbeitende Familien, Studenten, Rentner das Fliegen leisten können. Und wer jetzt argumentiert, dass man Steuern einführen sollte, um die Nachfrage zu drosseln, der treibt die soziale Ungleichheit voran. Ich finde es schrecklich, hart arbeitende Familien von einer Dienstleistung auszuschliessen.

Für kurze Distanzen könnte man den Zug nehmen.
In unserem Netz gibt es nur sehr wenige Verbindungen, die man mit dem Zug in drei Stunden oder weniger schafft. Das Schienennetz und die Hochgeschwindigkeitszüge sind nicht so gut entwickelt, wie manche Leute denken. Die Regierungen sollten nicht Kurzstreckenflüge verbieten, sondern Anreize schaffen, dass Airlines nicht mehr mit alten Flugzeugen fliegen und Kohlenstoffemissionen kompensieren.

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