In seinem Pass standen unter «Grösse» die Ziffern 178 cm. Doch Jacques Kuhn wirkte um einiges mächtiger, er war eine Erscheinung. Bis ins hohe Alter umgab ihn die Aura des Firmenpatrons – bestimmt, aber niemals einschüchternd.
Nun, kurz vor Jahresende, ist Jacques Kuhn (97) nach einem kurzen Spitalaufenthalt ruhig eingeschlafen. Mit ihm geht ein Erfinder, ein Unternehmer, ein Ehemann, ein Krimiautor. Und vor allem geht ein Menschenfreund.
Als junger Ingenieur entwickelte Kuhn für den Familienbetrieb Kuhn Rikon den Dampfkochtopf Duromatic, der in kaum einer Schweizer Küche fehlt (siehe Box). 40 Jahre lang führte er die Firma im Tösstal. Die Mitarbeiter nannten ihn JK – oder Götti. Seine Haltung war eine klare: «Aus reinem Gelddenken kommt langfristig nichts Gutes für die Wirtschaft.»
Als die Schweiz 1961 als erstes Land in Europa tausend tibetische Flüchtlinge aufnahm, boten Jacques und sein Bruder Henri Kuhn (†55) 27 von ihnen Arbeit in der Pfannenfabrik und Wohnräume. 1969 weihten sie das Tibet-Institut Rikon ein. «Der Dalai Lama war dafür wahnsinnig dankbar. Er bezeichnet das Kloster als seinen Vorposten im Westen», sagte Kuhn im Sommer 2015 im Gespräch mit dem SonntagsBlick Magazin. Insgesamt 14 Mal begrüsste Kuhn den höchsten buddhistischen Würdenträger in Rikon.
Reibungslos lief das Tibet-Engagement der Kuhn-Brüder nicht immer: Etwa dann, als die tibetischen Angestellten die Lohnabzüge nicht hinnehmen wollten. Weil ihnen Jacques Kuhn erklärte, die Steuern würden zum Beispiel für Strassen eingesetzt, liefen die Tibeter am nächsten Tag nur noch in der Wiese – weil sie glaubten, dann keine Steuerabzüge mehr zahlen zu müssen.
Lange war Jacques Kuhns Leben von Arbeit bestimmt. «Ich habe mich bis zu meiner Pensionierung der Firma verschrieben, da blieb keine Zeit für eine Frau.» Vor gut 20 Jahren stellte er eine Österreicherin als Bibliothekarin im Institut ein – und fand in Roswitha (72) die Liebe seines Lebens. Wer die beiden erlebte, erlebte zwei Schwerverliebte, zwei Faszinierte, zwei Glückliche. Zusammen lebten sie in einem bescheidenen Häuschen gleich neben der Fabrik. Erst vor neun Jahren, Kuhn war schon 88, heirateten sie.
Als Jacques Kuhn 93 Jahre alt war, begannen die zwei, gemeinsam Krimis zu schreiben. KuhnKuhn nennen sich die Autoren von «Nachsuche», «Hasensterben» und «Fusslos». Sie hatten einen Vertrag für fünf Bücher. Nun ist das letzte Kapitel in Jacques Kuhns Leben geschrieben.