«So kann ich nicht öffnen!»
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Gastro-Präsident unter Druck:«So kann ich nicht öffnen!»

Wirtin Roswitha Puschnig zur schnellen Öffnung der Gastronomie
«So kann ich nicht öffnen!»

Auf Druck von GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer sind die Restaurants seit Montag wieder offen – doch die Gäste bleiben aus. Jetzt kritisieren Beizer das Vorgehen. Viele sind empört.
Publiziert: 16.05.2020 um 23:58 Uhr
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Aktualisiert: 17.05.2020 um 12:16 Uhr
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«So kann ich nicht öffnen», sagt Roswitha Puschnig (59), die seit 33 Jahren das Restaurant Calanda in Felsberg GR führt. Sie könnte das obligatorische Schutzkonzept nur unter massiven Verlusten umsetzen.
Foto: STEFAN BOHRER
Danny Schlumpf und Lukas Lippert

Seit Montag dürfen die Wirte wieder Gäste empfangen. Ende gut, alles gut? «Nicht für mich», sagt Roswitha Puschnig (59). Seit 33 Jahren führt sie das Restaurant Calanda in Felsberg GR. Doch nun ist die Wirtin ratlos. Das vorgeschriebene Schutzkonzept, so klagt sie, lasse sich nur unter massiven Verlusten befolgen. Sie habe sämtliche Varianten durchgespielt, das Resultat war jedes Mal das­selbe: «Ich verliere zwei Drittel der Tische. So kann ich nicht öffnen!»

Aber war es nicht die Spitze der Gastrobranche, die auf eine rasche Öffnung drängte? Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer (58) setzte den Bundesrat schwer unter Druck. Vom ersten Tag an, dem 16. April, als das Ausstiegsszenario aus dem Lockdown präsentiert wurde – ohne die Gastronomie zu erwähnen. Das brachte Platzer so auf die Palme, dass er das Vorgehen des Bundesrats als «Frechheit» bezeichnete.

Gastrosuisse boxte Schutzkonzept durch

Unterstützung erhielt er von der SVP, die sich lautstark für eine schnellere Öffnung einsetzte. Allerdings teilten schon damals längst nicht alle Wirte diese Meinung. Eine Umfrage des Verbands Gastro Zürich-City ergab, dass nicht einmal die Hälfte ihrer Mitglieder eine zügige Öffnung mit entsprechend rigiden Vorgaben unterstützte.

Gastrosuisse boxte schliesslich ein Schutzkonzept durch, das auch dem Bundesrat gefiel, der daraufhin eine Kehrtwende vollzog: Auch Gastrobetriebe durften nun bereits am 11. Mai wieder öffnen. Das schien sogar Platzer zu über­raschen. Und Wirtin Puschnig fand es völlig unverständlich: «Ich habe Gastro­suisse nicht darum gebeten, Druck auf den Bundesrat ­auszuüben.» Es sei absehbar gewesen, dass eine ­frühe Lockerung nur mit extrem strengem Schutzkonzept zu haben sei. «Wir Kleinen müssen es nun ausbaden. Dabei bin ich nicht einmal Mitglied von Gastrosuisse!»

Niemand ist verpflichtet aufzumachen

Ins gleiche Horn stösst Walter Schöb (66), Besitzer der Rheinfelder Bierhalle im Zürcher Niederdorf: «Das Schutzkonzept macht die Branche kaputt.» Auch er kritisiert Gastrosuisse. «Dass sich die ganze Branche an das Konzept ­eines einzelnen Verbandes halten muss, ist absolut unverständlich.» Die überstürzte Öffnung ­stelle, so Schöb, Tausende Betriebe vor die Wahl: «Entweder öffnen sie und machen massive Verluste – oder sie verlieren ihre Kunden.»

Gastrosuisse-Präsident Platzer verteidigt sich: «Das Datum für den ersten Lockerungsschritt in der Gastronomie hat nicht Gastro­suisse, sondern der Bundesrat in Absprache mit seinen Experten und aufgrund der epidemiologischen Lage festgelegt.» Dem Verband sei bewusst, dass Unternehmen je nach Betrieb und Möglichkeiten unterschiedlich betroffen seien. Und: Niemand sei verpflichtet aufzumachen. «Wir erhalten sehr ­viele Rückmeldungen von Gastrounternehmern, die froh darüber sind,­ ­ihren Betrieb wieder zu öffnen, ­ihren Mitarbeitenden Arbeit geben zu können und für ihre Gäste da zu sein.»

Fakt ist: Vielen Restaurants ­fehlen die Gäste. «Die Gastronomie­betriebe sind mehrheitlich schwach frequentiert», sagt Mauro Moretto, Gastrospezialist der Gewerkschaft Unia. Seine Leute waren in der ganzen Deutschschweiz unterwegs, um den Schutz der Angestellten zu überprüfen. Lohnt es sich, unter diesen Umständen überhaupt zu öffnen? «Die Frage ist berechtigt», sagt Adrian Müller (56), Inhaber des Romantik Hotel Stern in Chur. «Das Schutzkonzept ist einschneidend. Viele Vorschriften kamen überdies sehr kurzfristig, das hat uns die Organisation stark erschwert.» Wichtig sei, dass das Versammlungsverbot in abseh­barer Zeit gelockert werde. «Sobald wieder 50 Personen beisammen sein können, ist es auch wieder möglich, Bankette anzubieten.»

In Chur haben fast alle Beizen offen

Unterstützt wird Casimir Platzer durch Franz Sepp Caluori (60), Präsident von Gastro Graubünden. Er verteidigt diese Lockerung, sein Café in der Churer Altstadt ist seit Montag geöffnet. «Mit über 300 Betrieben hat unsere Stadt die höchste Beizendichte der Schweiz. Fast alle haben offen.» Zwar sei derzeit an Gewinne nicht zu denken. «Aber jeden Tag kommen mehr Leute.»

Darauf hofft auch Roger Lang (57), Wirt der Betriebe Rathskeller und Kreuz in Olten SO. «Unter diesen Bedingungen kann ich nicht lange überleben.» Im Moment sei es eine Beschäftigungstherapie, das Lokal offen zu halten: «Viele haben gedacht, jetzt komme der grosse Ansturm auf die Beizen. Der ist definitiv ausgeblieben.»

Roswitha Puschnig hat unterdessen ihre Entscheidung gefällt: «Solange das aktuelle Schutzkonzept gilt, fahre ich besser, wenn ich das Restaurant nicht öffne.» Sie hofft auf den 8. Juni: «Dann wird der Bundesrat hoffentlich den verbindlichen Abstand auf einen Meter festlegen.» Dieser gilt heute bereits in Österreich. Die Wirtin: «Und meines Wissens springen die Viren in der Schweiz nicht weiter als in unseren Nachbarländern.»

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