Der Februar-Lohn ist bezahlt. Was im März kommt, ist unklar. Der Thuner Fenster- und Metallbauer Ruchti Aerni ist pleite. 220 Mitarbeiter sind betroffen. Es ist die dritte Pleite eines Fensterbauers innert kurzer Zeit. Letzte Woche deponierte die St. Galler Firma Swiss Windows ihre Bücher. Im Kanton Freiburg kam das Unternehmen Favorol Papaux in Not.
Drei Firmen mit finanziellem Engpass, drei Massenentlassungen, rund 500 Personen plötzlich ohne Job. Dabei war der Start ins Jahr vielversprechend. Die Auftragslage bei der Firma Ruchti Aerni war gut, wie der Fensterbauer Daniel Gugger (47) zu BLICK sagt. Aufträge im Wert von 1,6 Millionen Franken lagen im Januar auf dem Tisch, so der Mittvierziger, der seit fast einem Jahrzehnt beim Betrieb arbeitet.
Das Problem: Die Marge fehlt. Bei Ruchti Aerni. Bei Swiss Windows. Bei Favorol Papaux. Eigentlich bei allen Fensterbauern. Auch beim Platzhirsch Ego Kiefer, den es wohl nicht mehr geben würde, wenn er nicht Teil des Arbonia-Konzerns wäre. Das Unternehmen entliess 2015 hunderte Mitarbeiter in der Schweiz und verschob zahlreiche Aktivitäten ins Ausland.
Familienbetrieb in zweiter Generation
«Die Preise sind im Keller», erklärt Daniel Ruchti (45) die Not der Fensterbauer. Er ist Geschäftsführer und Inhaber des jüngsten Opfers. «Insbesondere im Markt für Kunstofffenster herrschen schwierige Verhältnisse», so Ruchti. Die Abnehmer seien nicht mehr bereit, für Dienstleistungen wie Planung, Projektierung und Betreuung zu bezahlen. Die Konkurrenz aus Europa offeriere günstiger. Unterm Strich bleibt zu wenig übrig für Schweizer Betriebe.
Ruchti leitet das Unternehmen in zweiter Generation. Sein Vater hat die Firma in den 70er-Jahren aufgebaut. Als Ruchti das Ruder übernahm, waren 20 Personen im Sold. Die Kunden kamen aus der Region. Der Sohn hat das Geschäfts ausgeweitet. Er hat neue Standorte und Geschäftszweige aufgebaut. In Skopje, Mazedonien, errichtete Ruchti den ersten internationalen Ableger, um die Kosten zu senken. 2017 kaufte er die Firma Aerni Fenster AG. Um mit einer höheren Produktionsmenge dem Preisdruck zu begegnen.
Letztlich ohne Erfolg. Es blieb nur noch der Gang zum Richter. Die Bücher sind deponiert. Ein Investor wurde nicht gefunden. Zu einem Verkauf kam es auch nicht. Alle Optionen waren auf dem Tisch, schliesslich kam es doch zur Pleite. «Der Konkurs bedeutet, dass auch für mich ein Lebenswerk zu Ende geht», so der Unternehmer.
Subventionen ins Unglück
Hat sich die Firma übernommen? Ruchti verneint. «Wir haben mit dem Kauf der Aerni Fenster AG alle Ziele erreicht», sagt er. Die Integration sei «anspruchsvoll, zuweilen auch holprig» gewesen. Aber sie sei nicht der Hauptgrund für den Konkurs.
«Das Problem sind Überkapazitäten im europäischen Markt», so Ruchti. Die Misere zeichnete sich bereits in den Nullerjahren ab. Subventionen der Europäischen Union hätten dazu geführt, dass gewisse Firmen aus Osteuropa konkurrenzlos günstig wurden. In der Folge sanken die Preise auf dem ganzen europäischen Markt. In Deutschland kam es zu den ersten Pleiten. Nun spürt auch die Schweiz die Auswirkungen.
Ruchti hat die Mitarbeiter an den drei Standorten Gwatt BE, Arisdorf BL und Oberriet SG über die Schliessung informiert. In Bern und im Baselbiet adressierte er die Angestellten persönlich. In der Ostschweiz der Distanz wegen nur telefonisch. Er ist an allen Orten auf viel Enttäuschung gestossen. Aber auch auf Verständnis und Anerkennung.
Lösung für Lehrlinge
Der langjährige Geschäftsführer war bei den Angestellten geschätzt, wie ein Besuch von BLICK am Hauptsitz im Berner Oberland zeigt. Die Mitarbeiter trafen sich freitags gerne auf ein Bier. Sie spielten Tischfussball zusammen. Die Stimmung an der Basis war gut. Beim Kader auch. Die Geschäftsleitung blieb im letzten Jahrzehnt praktisch unverändert.
Ganz anders die Situation bei Swiss Windows. Diverse Handänderungen haben zu einem Verschleiss des Kaders geführt. Das hat die Misere zusätzlich befeuert. Ein IT-Problem gesellte sich dazu. Und der Giftcocktail war gebraut.
Trotz aller Unterschiede bei den beiden Fensterbauern. Die Konsequenz bleibt bei beiden gleich. Die Mitarbeiter verlieren ihre Stelle. Immerhin: Die sechs Lehrlinge von Ruchti Aerni sind schon fast alle bei einem neuen Betrieb unter Vertrag. Und ein Teil der älteren Angestellten kann sich in die Frühpensionierung retten.