Dominik Müller (54) lebt seit 20 Jahren im 93-Meter-Turm in Zürich
«Die Hardau ist keine anonyme Wohnmaschine»

Seit 20 Jahren lebt Dominik Müller (45) in Hardau ll in Zürich – dem einst höchsten Wohnhochhaus der Schweiz. Das Viertel hat sich über die Jahre verändert: vom Drogentreff zum In-Quartier.
Publiziert: 23.07.2019 um 23:42 Uhr
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Aktualisiert: 24.07.2019 um 07:38 Uhr
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Die Türme von Hardau ll in Zürich wurden in den Jahren 1975 bis 1978 erbaut.
Foto: Philippe Rossier
Maren Meyer

«Vielleicht bin ich ein Nerd», sagt Dominik Müller (45). Aber Hochhäuser hätten ihn schon immer fasziniert. Als Kind baute er sie aus Legosteinen, seit 20 Jahren wohnt er in einem: 1999 zog er in einen der vier Türme von Hardau ll in Zürich.

Schon während des Physikstudiums liebäugelte er mit dem 93-Meter-Turm, dem damals höchsten Wohnhaus der Schweiz. Die Zeiten waren da noch anders. «Ich bekundete mein Interesse an einer Wohnung, und etwas später rief mich die Verwaltung zurück und fragte, ob ich zur Besichtigung kommen wolle», erzählt Müller. 

Ansturm auf freie Wohnungen

Heute stünden sich die Interessenten bei der Besichtigung gegenseitig auf die Füsse, so beliebt seien die Wohnungen. Über 1000 Menschen leben heute in den 570 Wohnungen der vier Türme. Dass Hochhaus-Fan Müller statt im 31. Stock nur im 29. wohnt, liege daran, dass die obersten Wohnungen einfach nie frei wurden.

Dieses Jahr wurde Hardau ll als höchstes Wohnhaus der Schweiz entthront: Mit seinen 100 Metern ist der Jabee-Tower in Dübendorf ZH die neue Nummer eins der Schweizer Hochhäuser. Seit Anfang Monat ziehen die neuen Mieter ein.

In der Hardau habe sich in den vergangenen 20 Jahren viel verändert, erzählt Müller. Zum 40. Jubiläum verfasste er eine kleine Chronik: Während der 70er-Jahre, als die Türme erbaut wurden, hatte man Angst vor einer Ghettoisierung der neuen Hochhausviertel wie Cité du Lignon in Genf oder Bern-Bethlehem.

Eltern wegen Drogen besorgt

In Zürich hatte die offene Drogenszene am Platzspitz in den 90er-Jahren Einfluss auf das Leben in der Hardau. «Aus Angst vor Drogen formierte sich eine Bürgerwehr aus besorgten Eltern», erzählt der 45-Jährige. Mit dem Ausbau von Zürich-West gewannen die Türme aber wieder an Beliebtheit.

«Ich habe das Quartier nie als verslumt oder gewalttätig erlebt, aber die Hochhäuser polarisieren», sagt Müller. Ausser dem einen Mal, als im benachbarten Hardaupark ein Schuss fiel.

Am Leben im Turm schätzt er die Aussicht und das «erhabene Gefühl, ganz oben zu sein». Zudem fasziniere ihn die Idee, so viele Menschen auf einer verhältnismässig kleinen Fläche übereinander unterbringen zu können.

Gekommen, um zu bleiben

Eine «anonyme Wohnmaschine» sei die Hardau deswegen nicht. «Sicher kenne ich nicht alle der 200 Bewohner in meinem Turm, aber mit meinen Nachbarn bin ich per Du», sagt Müller. Nach der Arbeit wechselt er gerne den Anzug gegen einen Sportdress, um das Treppenhaus im Turm runter- und wieder raufzulaufen. «Runter schaffe ich in zwei Minuten», sagt er.

Die Hardau gehört der Stadt. Im ersten bis zum elften Stock liegen subventionierte Wohnungen. Darüber sind sie kostentragend. Müller lebt in einer Zweieinhalbzimmerwohnung. Im Turm kosten diese zwischen 1300 und 1400 Franken. Heisst: Die Miete deckt die laufenden Kosten, die der Besitzer, also die Stadt, für die Wohnung tragen muss.

Aus seinem Küchenfester blickt Müller auf den Hauptbahnhof. Wie eine Szene aus einer Märklinbahnlandschaft wirken Gleise und Züge von hier oben. Und von seinem Balkon aus kann er Konzerten im Stadion Letzigrund lauschen. Für Müller gibt es keinen Grund, hier wegzuziehen.

Lesen Sie morgen: Was im ehemaligen Swisscom-Tower passiert, wo Mieter die Wohnungen mitbestimmen konnten.

Nicht jeder darf in eine städtische Wohnung

Seit Januar ist in Zürich die «Verordnung über die Grundsätze der Vermietung von städtischen Wohnungen» in Kraft. Diese legt fest, wer als Mieter von städtischen Wohnungen in Frage kommt. Ein Kriterium ist das Einkommen. Jeder, der an einer Wohnung interessiert ist, muss dieses offenlegen. Neu werden auch die Einkommensverhältnisse während der Wohndauer überprüft.

Der Grund: Für eine städtische Wohnung sollte das Einkommen das Vierfache der jährlichen Bruttomiete nicht übersteigen. Auch die Einkommensentwicklung bei bestehenden Mietern wird überprüft. Demnach dürfen höchsten 15 Prozent der Bewohner wohnen bleiben, deren Haushaltseinkommen bei über 70'000 Franken liegt und gleichzeitig das Sechsfache des Bruttomietzinses übersteigt.

Kuno Gurtner (62) von der Stadt Zürich relativiert: «Es werden wohl nicht allzu viele Mieter gehen müssen – unseren Berechnungen zufolge erfüllen 17,9 Prozent die Vorgaben nicht.» Wer seinen Mietvertrag vor Januar dieses Jahres unterschrieben hat und die Einkommensgrenze sprengt, muss erst nach fünf Jahren um seine Wohnung bangen.

Es ist also davon auszugehen, dass die ersten Kündigungen frühestens 2024 ausgesprochen werden. «Dann beginnen wir mit den Mietern mit dem höchsten Einkommen. Die Wohndauer spielt dabei keine Rolle», erklärt Gurtner.

Seit Januar ist in Zürich die «Verordnung über die Grundsätze der Vermietung von städtischen Wohnungen» in Kraft. Diese legt fest, wer als Mieter von städtischen Wohnungen in Frage kommt. Ein Kriterium ist das Einkommen. Jeder, der an einer Wohnung interessiert ist, muss dieses offenlegen. Neu werden auch die Einkommensverhältnisse während der Wohndauer überprüft.

Der Grund: Für eine städtische Wohnung sollte das Einkommen das Vierfache der jährlichen Bruttomiete nicht übersteigen. Auch die Einkommensentwicklung bei bestehenden Mietern wird überprüft. Demnach dürfen höchsten 15 Prozent der Bewohner wohnen bleiben, deren Haushaltseinkommen bei über 70'000 Franken liegt und gleichzeitig das Sechsfache des Bruttomietzinses übersteigt.

Kuno Gurtner (62) von der Stadt Zürich relativiert: «Es werden wohl nicht allzu viele Mieter gehen müssen – unseren Berechnungen zufolge erfüllen 17,9 Prozent die Vorgaben nicht.» Wer seinen Mietvertrag vor Januar dieses Jahres unterschrieben hat und die Einkommensgrenze sprengt, muss erst nach fünf Jahren um seine Wohnung bangen.

Es ist also davon auszugehen, dass die ersten Kündigungen frühestens 2024 ausgesprochen werden. «Dann beginnen wir mit den Mietern mit dem höchsten Einkommen. Die Wohndauer spielt dabei keine Rolle», erklärt Gurtner.

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