Aufruhr in der Coiffeurbranche: Otto’s startet eine neue Offensive mit Haarpflegeprodukten, die man sonst nur beim Figaro seines Vertrauens bekommt. Beim Warenposten-Verkäufer gibts den Liter des Shampoos Lemon Sage von Paul Mitchell für 34.90 statt für 64.60 Franken. Oder 150 Milliliter Haargel von Wella für 13.90 statt für 30.50 Franken.
Mit diesen Preisen kann Berjes Saleh (37), Inhaber von neun Coiffeursalons in Zürich und Basel, nicht mithalten. «Wenn ich pro Produkt noch zwei oder drei Franken verdiene, lohnt es sich nicht mehr. Ich muss teure Mieten bezahlen und biete meinen 70 Angestellten einen guten Lohn», sagt er zu BLICK.
Der Unternehmer ärgert sich: «Die Einkaufspreise, die ich bezahle, sind teils höher als die Preise bei Otto’s.» Er habe das seinen Lieferanten deutlich gesagt. Bisher ohne Erfolg.
Die Einnahmen aus dem Verkauf von Pflegeprodukten machen 20 Prozent von Salehs Umsatz aus. «Otto’s verkauft nur, wir aber beraten auch», sagt er. Es gebe Fälle, in denen sich Kundinnen 15 Minuten lang über Produkte informieren lassen. «Dann aber kaufen sie doch nicht bei uns. Das nervt, in dieser Zeit könnten wir einem Kunden die Haare schneiden», sagt Saleh.
Einkauf auf dem Graumarkt
Der Discounter Otto’s aus Sursee LU bezieht die Profi-Produkte auf dem Graumarkt und kann deshalb günstiger verkaufen. Coiffeure, die sich über seine Preise beklagen, versteht Otto's-Chef Mark Ineichen (45) nicht: «Sie sollten uns eigentlich dankbar sein.» Denn: «Für Produkte die bei uns für unter zehn Franken zu haben sind, zahlt der Coiffeur beim offiziellen Importeur oft bis zu 50 Prozent mehr.»
Vor zwei Jahren hat Otto’s erstmals Profiprodukte angeboten. «Mittlerweile decken sich diverse Coiffeure bei uns ein. Sie kaufen die Produkte körbchenweise», sagt Ineichen. Er bekomme gar Anfragen, ob er Salons permanent beliefern könne.
«Leider können wir das nicht garantieren», sagt er. Das Graumarkt-Geschäft sei ein Katz-und-Maus-Spiel. «Mal kann man bei einem Lieferanten einkaufen. Dann darf oder kann er auf einmal nicht mehr liefern. Und man muss sich neue Kanäle sichern», erklärt Mark Ineichen.
Ineichen will Produkte ins reguläre Sortiment aufnehmen
Er will am Verkauf der Profiprodukte festhalten. «Auch gegen den Widerstand der Schweizer Generalimporteure.» Monatlich bringt Otto’s neue Aktionen auf den Markt. «So testen wir, was ankommt. Die entsprechenden Produkte versuchen wir dann ins reguläre Sortiment aufzunehmen», sagt der Otto’s-Chef.
Juristische Probleme mit Importeuren habe er derzeit nicht. Vor einem Jahr war das anders. Ineichen musste auf Druck der Anwälte des Herstellers Joico Europe dessen Produkte wieder aus dem Regal nehmen (BLICK berichtete).
Beim Verband Coiffeursuisse, der die Interessen von 3000 der schweizweit 12’000 Salons vertritt, beobachtet man die Situation genau. «Solange Hersteller bereit sind, Otto’s zu beliefern, können wir als Verband nichts machen. So läuft es in der freien Marktwirtschaft», sagt Geschäftsführerin Karin Imboden (53).
Sie gibt zu bedenken, dass man nur bei einem ausgebildeten Coiffeur seriös beraten wird. «Nur ein Profi weiss, welches Produkt zu welchem Haar oder zu welcher Kopfhaut passt. Viele Kunden sind leider nicht mehr bereit, für diese Beratung zu bezahlen.»