Digital-Tag
Digitales Handwerk hat Hand und Fuss

Schuhe machen, Matratzen stopfen – dank digitaler Technik erblüht altes Handwerk neu.
Publiziert: 19.11.2017 um 18:51 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 20:33 Uhr
Christian Kolbe

Schuster, bleib bei deinem Leisten! Auf diesem Uralt-Grundsatz beruht auch das Geschäftsmodell von Dominik Risch (49). Nur stellt er seine Leisten mit digitaler Technik her. Passgenaue Schuhe für rund 400 Franken, die man online immer wieder nachbestellen kann – das ginge anders nicht.

Einige Tausend Paar verkauft Risch Shoes pro Jahr, ein Expansionsschub steht bevor. In der Schweiz sind neben Zürich sieben neue Standorte geplant, die Vorarbeiten mit einem exklusiven Vertriebspartner laufen. Noch müssen Details geklärt werden; der Name des Partners bleibt deshalb zunächst geheim.

Besonders teuer ist die Anfertigung des Leisten, der dem Massschuh seine Form gibt. Ihn von Hand zu vermessen und zu produzieren, geht ins Geld. Hier lässt sich am meisten einsparen. 

Dominik Risch hat das Schuhemachen im Blut. Doch statt im väterlichen Geschäft zu bleiben, wollte er «einen eigenen Fuss­abdruck hinterlassen», wie er schmunzelnd erklärt. Kein einfaches Unterfangen in Zeiten, in denen der Handel immer mehr in Online-Kanäle abwandert. «Wir sollten nicht über Amazon jammern, wir sollten uns überlegen, wie wir dieser Herausforderung begegnen können», sagt Risch. 

Die Lösung war der digitale Leisten. In wenigen Minuten sind die Füsse mit dem Scanner vermessen, der Computer durchforstet eine Datenbank nach möglichst passgenauen Leisten. 

Über 10000 Männerfüsse hat Risch inzwischen vermessen, mit jedem Paar wird die Software präziser. So kann der individuelle Prototyp dem Fuss des Kunden in wenigen Arbeitsschritten angepasst werden. Ein weiterer Vorteil: Mit diesem ­digitalen Leisten lassen sich ganz verschiedene Schuhmodelle herstellen – das geht bei der traditionellen Massfertigung nicht. «Ich wollte nicht eine neue Herrenschuhmarke entwerfen, sondern etwas machen, das noch niemand kann.» 
Rund 1500 Neukunden kommen jedes Jahr dazu. Die Nachfrage ist inzwischen so gross, dass sich der Schuhmacher eine eigene Fabrik leisten kann. Seit September produziert eine kleine Manufaktur in der Toskana exklusiv für Risch Shoes. 

Wenn es bei Schuhen der Online-Handel ist, der das Geschäft bedroht, ist es bei Matratzen der starke Franken. Das musste die Bettwaren-Produzentin Elite aus Aubonne VD bitter erfahren. Als die Schweizer Währung in Folge der Finanzkrise immer höher bewertet wurde, brach der Absatz für Hotel-Matratzen ein: Die Schweizer Kunden hatten weniger Gäste, die ausländischen zu wenig Geld. «Hotels schätzen die Qualität unserer Matratzen sehr, aber beim Preis hatten wir gegen die Konkurrenz keine Chance», erinnert sich Geschäftsführer François Pugliese (52). Es blieben zwei Optionen: auslagern oder digitalisieren. Elite griff auf eine in der Autoindustrie weit verbreitete Praxis zurück: Leasing. Dazu entwickelten die Waadtländer zusammen mit einer kleinen IT-Firma einen Sensor mit Funkchip, den sie in ihre Matratzen einbauten. 

Der Sensor misst Druck und Bewegungen und sendet die ­Daten an einen Computer, der mit einem ausgeklügelten Programm berechnet, ob tatsächlich jemand eine Nacht auf der jeweiligen Matratze geschlafen hat. Am Anfang gab es grossen Widerstand, inzwischen hat sich das Matratzen-Leasing durchgesetzt. «Der Vorteil für unsere Kunden: Sie bezahlen für die Benutzung der Matratze nur dann, wenn wirklich jemand darauf geschlafen hat», erklärt Pugliese. Je nach Ausstattung des Bettes kostet die Nacht den Hotelier zwischen 50 Rappen und 3.50 Franken. Kein Vergleich zum Anschaffungspreis für eine Matratze. Die Digitalisierung der Bettwaren ist noch nicht ausgereizt: «Matratzen können noch viel intelligenter werden. Im Moment entwickeln wir mit der ETH Zürich ein Modell, das Schnarchen verhindern soll.»

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