Dieselskandal
Ex-VW-Chef Winterkorn muss auch wegen Marktmanipulation vor Gericht

Im Dieselskandal von Volkswagen muss sich der frühere Konzernchef Martin Winterkorn auch wegen des Vorwurfs der Marktmanipulation vor Gericht verantworten. Das Landgericht Braunschweig liess am Donnerstag die Anklage gegen den 73-Jährigen ohne Änderungen zu.
Publiziert: 24.09.2020 um 15:39 Uhr
Der ehemalige VW-Chef Martin Winterkorn soll die Aktionäre nicht rechtzeitig über den sich zusammenbrauenden Dieselskandal informiert haben. (Archivbild)
Foto: Michael Sohn

Demnach soll Winterkorn trotz Kenntnis vom Einbau einer illegalen Abschalteinrichtung bei VW-Dieseln in den USA und des sich seit dem Frühjahr 2015 abzeichnenden finanziellen Risikos durch Schadensersatzforderungen und Strafzahlungen den Kapitalmarkt vorsätzlich nicht rechtzeitig informiert haben.

Tatsächlich wurde der Dieselbetrug erst auf Druck der amerikanischen Umweltbehörden am 18. September 2015 aufgedeckt. Die Ad-hoc-Mitteilung, mit der Volkswagen die Börse informierte, wurde erst am 22. September 2015 veröffentlicht. Damit soll Winterkorn als Konzernchef seiner Verpflichtung zur Veröffentlichung börsenrelevanter Informationen nicht rechtzeitig nachgekommen sein, erklärte das Gericht.

Winterkorn liess den Vorwurf, er habe eine Ad-hoc-Mitteilung unterlassen, um den Börsenkurs der VW-Aktie zu beeinflussen, entschieden zurückweisen. Der diesem Vorwurf zugrunde liegende Sachverhalt sei kompliziert und die entsprechenden kapitalmarktrechtlichen Fragen in weiten Teilen streitig, erklärte sein Anwalt.

Die Verteidigung habe mit Unterstützung von Gutachtern belegt, dass die Beschuldigung seines Mandanten «aus tatsächlichen wie aus rechtlichen Gründen nicht fundiert» sei.

Volkswagen äusserte sich nicht zur Zulassung der Anklage gegen Winterkorn. Der Autobauer bekräftigte bei der Gelegenheit aber seine Argumentation. Demnach ist der Konzern weiterhin überzeugt, seine Publizitätspflichten im Zusammenhang mit der Dieselaffäre ordnungsgemäss erfüllt zu haben. Bis zum Sommer 2015 habe der Vorstand keine gesicherten Erkenntnisse darüber gehabt, dass die in US-Dieselfahrzeugen verwendete Software eine nach US-Recht verbotene Abschalteinrichtung enthalte.

«Selbst nach Offenlegung der Umschaltlogik gegenüber den US-Behörden im September 2015 durften und mussten die Verantwortlichen bei Volkswagen davon ausgehen, dass die Thematik mit den US-Behörden entsprechend der bisherigen Behördenpraxis einvernehmlich geregelt werden wird.» Dabei sei davon auszugehen gewesen, dass sich die finanziellen Folgen in einer Grössenordnung bewegen würden, die für ein Unternehmen von der Grösse wie Volkswagen keine Kursrelevanz habe.

Die Frage der rechtzeitigen Information der Anleger spielt auch in dem Prozess vor dem Oberlandesgericht Braunschweig eine zentrale Rolle, in dem die Fondsgesellschaft Deka Investment der Sparkassen als Musterklägerin Schadensersatz für erlittene Kursverluste fordert. Der Streitwert dort beläuft sich aktuell auf etwas mehr vier Milliarden Euro. Bisher hat die Wiedergutmachung des Dieselskandals den Wolfsburger Konzern 32 Milliarden Euro gekostet.

Winterkorn muss sich bereits wegen Betrugsverdachts vor Gericht verantworten. Wann der Prozess gegen ihn und vier weitere Verantwortliche beginnt, steht allerdings noch nicht fest.

Als erster grosser Strafprozess im Volkswagen-Dieselskandal in Deutschland beginnt nächste Woche in München das Gerichtsverfahren gegen den früheren Audi-Chef Rupert Stadler.

(SDA)

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