Seine Mitarbeiter glaubten nicht, dass er das durchzieht: «Chef, du bist verrückt!» Doch Daniel Steffen (51) blieb dabei: Die Passagiere seiner Luftfahrtgesellschaft sollten bestimmen, wie viel sie für einen Flug bezahlen.
Und tatsächlich, seit 1. Juni entscheiden die Kunden von People’s Viennaline selbst, wie viel sie für den Flug von Altenrhein (SG) nach Wien ausgeben wollen.
Natürlich gibt es ein paar Einschränkungen. Steffens Airline fliegt zwar vier Mal täglich nach Wien. Das Angebot gilt aber nur für den Mittagsflug: «Der ist traditionell schlechter ausgelastet, weil die Geschäftsleute ihn nicht nutzen», so Steffen. Und: Das Ticket lässt sich nicht im Internet buchen. Wer mitfliegen möchte, muss eine Stunde vor Abflug auf dem kleinen Bodensee-Flugplatz sein. Dafür gilt das Angebot auch am Flughafen Wien: «Die Passagiere bezahlen bis zu 250 Franken», sagt Steffen. Wie viel er im Durchschnitt einnimmt, verrät er nicht. «Unser Ziel ist, dass die Leute wieder selber darüber nachdenken, wie viel Wert eine Dienstleistung hat.» Fliegen, so der Unternehmer, sei heute tendenziell zu billig.
Sein Angebot gilt bis Oktober. «Ob wir es beibehalten, haben wir noch nicht entschieden.» Immerhin verliert die eigenwillige Airline damit laut Steffen kein Geld. Und die 76 Plätze der Maschine sind plötzlich voll ausgebucht. Immer wieder müssen Interesssenten sogar abgewiesen werden.
Acht Minuten Flugzeit
Am Flugplatz Altenrhein, rund 20 Minuten von St. Gallen, läuft überhaupt alles ein wenig anders. Der Airport ist Besitzer seiner wichtigsten Airline – das gibt es sonst nirgendwo in Europa. Flughafenchef Steffen ist gleichzeitig Chef der People’s Viennaline. Ausserdem schickt er seine Piloten in ökologische Flugkurse: «Das ist nichts anderes, als wenn man einen ökologischen Fahrkurs besucht.» Und im September will er einen Rekord brechen: Den des kürzesten Linienflugs der Welt. People’s Viennaline nimmt Köln (D) als zweite Destination ins Angebot auf – mit Zwischenstopp in Friedrichshafen (D), um weitere Passagiere aufzunehmen. Der Flug über den Bodensee dauert rund acht Minuten.
Angefangen hat Daniel Steffen ganz konventionell: als Betriebsdisponent bei der Rhätischen Bahn. Über Stationen bei Schweiz Tourismus und den Jungfraubahnen kam er zum Flughafen Bern-Belp, wo er zuletzt Kommerzchef war. Im Winter übernahm der gebürtige Bündner dann den Flughafen Altenrhein. Hat es ihn nicht gereizt, mal bei einer grossen Airline zu arbeiten? «Nie! Ich muss kreativ sein und Sachen ausprobieren können.»
Steffen sieht sich selbst als Querdenker. «Ich wage lieber etwas und falle vielleicht mal auf die Nase, als nichts zu bewegen.»