Gestern in Biel. Ankunft mit dem Zug. Im Wartesaal sitzen eine Frau mit Kopftuch, ein junges Mädchen, drei Schwarze. Wer vom Bahnhof aus das Stadtzentrum ansteuert, dem sticht als Erstes eine grosse Tissot-Werbung ins Auge. Ein paar Alkis hängen herum. Von hier ist es nicht weit in das Industriegebiet von Biel. Hier gibts dieses topmoderne Bürogebäude mit Holzfassade: die Zentrale des Bieler Solar-Unternehmens Sputnik Engineering. Was wie Zukunft aussieht, ist Vergangenheit: die Firma ist seit Ende Jahr in Konkurs, 271 Mitarbeiter verloren ihren Job.
Das ist Biel: eine Arbeiterstadt auf der Suche nach der Zukunft. Eine Stadt, die seit Jahren gegen ein schlechtes Image ankämpft. Die stolz ist auf ihre Zweisprachigkeit. Die gar nicht stolz ist auf die höchste Sozialhilfebezüger-Quote im Land: Fast 12 Prozent der rund 53 000 Einwohner hängen am Tropf der Stadt. Jeder fünfte von ihnen ist Ausländer. Das urbane Zentrum im Berner Seeland verfügt zwar über den tiefsten Steuersatz im Kanton Bern. 80 Prozent der Steuereinnahmen fliessen jedoch in die Sozialhilfe. Stadtpräsident Erich Fehr, ein Sozialdemokrat, seufzte kürzlich im «Bund»-Interview: «Die falschen Leute kommen nach Biel.»
Aber auch das ist Biel: eine traditionelle Uhrenstadt, in der der grösste Uhrenkonzern der Welt, die Swatch Group, zu Hause ist und die weltvollste Uhrenmarke der Welt, Rolex, eine grosse Produktionsstätte unterhält. Und das geschah aus einer Laune der Geschichte heraus. Omega, dieses Juwel der Uhrmacherkunst, wurde Ende des 19. Jahrhunderts hier erfunden – heute gehört die Luxusmarke zur Swatch Group. Und als der Rolex-Gründer Anfang des 20. Jahrhunderts einen Hersteller für Uhrwerke suchte, wurde auch er in Biel fündig. Omega und Rolex, das sind die grossen Luxusmarken der globalen Uhrenindustrie. Und beide leben und leiden mit Biel. Damals, in den 1970er- und 1980er-Jahren, als die Schweizer vor der japanischen Konkurrenz beinahe in die Knie gingen, war Omega die letzte Marke, die sich in den neuen SMH-Verbund von Nicolas Hayek retten konnte.
Heute greifen die Uhrenproduzenten der Stadt in Schwierigkeiten unter die Arme. Rolex investiert in einen akademischen Campus, Omega baute ein fünfgeschossiges Produktions- und Logistikgebäude. Und seit gestern ist klar, dass die Swatch Group auch den lokalen Sport in Biel stark unterstützt. Das Doppelstadion Stades de Bienne wird auf Tissot Arena umbenannt – die Eröffnung des Eis- und Fussballstadions ist schrittweise ab Sommer geplant. Beide sollen auch modernste Anzeigetafeln der Marke Tissot erhalten, und Tissot wird zudem die Bieler Fussballer und Eishokeyaner sponsern. Der Partnerschaftsvertrag zwischen den Sportklubs EHC Biel und FC Biel, Tissot und der Stadt ist auf «mindestens zehn Jahre» angelegt, wie es gestern hiess.
Hier schliesst sich ein Kreis: Im Jahre 1929 hatten sich Tissot aus Le Locle und Omega aus Biel zur Société Suisse pour l’Industrie Horlogère SA (SSIH) zusammengeschlossen, der bedeutendsten Uhrenproduzentin des Landes. Jahrzehnte später tauchte das Omega-Logo dann auf den Leibchen des FC Biel als Sponsor auf. Und nun, wo sich das alles wieder zusammenfügt, sind alle glücklich in Biel.
Der Sozialdemokrat im Stadtpräsidium spricht von «einem Meilenstein»; Tissot-Präsident François Thiébaud meinte: «Eine Uhr löst Emotionen aus – wie auch der Sport.» Die pensionierte Postangestellte auf der Strasse urteilt: «Ich finde es gut, dass Firmen hier in Biel investieren. Das gibt uns etwas Sicherheit, dass sie nicht wegziehen.» Und der Taxifahrer, der vor 35 Jahren aus Ungarn in die Schweiz geflüchtet ist, sagt: «Ich freue mich sehr über das Doppelstadion und das Engagement von Tissot. Wir brauchen hier in Biel so etwas. Ich habe aber jetzt wegen dem Franken Angst, dass alles wieder bachab geht.»