Graue Wolken hängen über dem See. Vor einem menschenleeren Café ertönt ein Alphorn in Moll. Touri-Tristesse auf der Piazza von Ascona.
«Seit über 30 Jahren mache ich Strassentheater hier», sagt Musiker Thomas Troll (64). «Früher war Strassenmusik gratis und der Hut voll. Heute zahle ich 500 Franken im Jahr für eine Auftrittslizenz und nehme nur noch einen Bruchteil ein.» Er lebe von den Touristen, sagt der Künstler. Die aber bleiben zunehmend weg.
Auch die Hoteliers an der berühmtesten Uferstrasse des Lago Maggiore blasen Trübsal. «Schon das vergangene Jahr war ein Desaster wegen des Dauerregens», sagt Massimo Perucchi (45), Präsident von Hotelleriesuisse Ascona-Locarno und Besitzer des Viersternehauses La Meridiana. 2015 wurde noch schlimmer. Trotz schönen Wetters.
Perucchi nennt die Zahlen: «Allein im August sank die Zahl der Gäste verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um weitere 15 Prozent.» Bitter: «Nicht nur Deutsche, auch Deutschschweizer verlassen uns», klagt Perucchi. Sie gingen ins billigere Ausland oder blieben gleich zu Hause. «Denn», sagt Perucchi, «auch dort gibt es Sonne und schöne Seen.»
Kollege Andrea Wildi (55) vom Dreisternehotel Schiff sagt: «Die Luxushotels bieten Zimmer zum Preis eines Viersternehauses. Aber wir Kleinen können nicht runter mit den Preisen.»
«In diesem Sommer fehlten vor allem Deutsche und Holländer.»
Massimo Perruchi fügt an: «Lohnkosten und Mieten sind in der Schweiz einfach hoch. Hinzu kommt, dass man ständig investieren muss, um mit der Konkurrenz mitzuhalten. Doch bei den Banken gelten wir mittlerweile als Risikokunden.»
Luca Reggioni (45) ist Teilhaber des Campings Piccolo Paradiso in Avegno. Er betreibt zudem edle Lounges an den Lidos von Ascona und Locarno – und merkte, dass auch die Campingplätze leiden: «15 Prozent weniger Touristen seit 2013. In diesem Sommer fehlten vor allem Deutsche und Holländer.»
Hauptgrund sei der teure Franken. «Und die Gastfreundlichkeit hat sich bei uns auch verschlechtert», stellt Luca Reggioni fest. «Das liegt vor allem am ausländischen Personal, das die Region nicht mit heimatlichem Stolz vertritt.»
Viele Lokale müssten bald schliessen, prophezeit der Camping-Chef. «Sie können alle die geforderten Investitionen in Brandschutz, Hygiene und behindertengerechten Umbau nicht tragen.» Ein Beispiel, das ihm zu denken gibt: «Bei den 13 Lokalen im Maggiatal zwischen Avegno und Cevio haben 2015 neun die Besitzer gewechselt.»
Einer von ihnen ist Alessandro Segala (46). Der Koch hat das Grotto Al Bosco in Avegno übernommen. «Wir zielen auf Einheimische. Sie machten diesen Sommer drei Viertel unserer Gäste aus», sagt Segala. «Wir verzichten auf Touristenmenüs. Keine Spaghetti. Keine Pommes frites. Stattdessen gibt es Polenta mit Käse, das mögen Tessiner.»
Lago, Sonne, Grotto. Die traditionelle Sonnenstube ziehe nicht mehr, glaubt Elia Frapolli (34), Direktor der kantonalen Tourismusagentur. Sein Plan: «Auf die rein deutschsprachigen Gäste sollte man sich nicht verlassen. Wir müssen andere Märkte erobern, Chinesen, Araber und Amerikaner gewinnen!»