Sika-Präsident zur verhinderten Übernahme durch Saint-Gobain
«Das gab viele schlaflose Nächte»

Die Sika-Bosse präsentieren sich nach geschlagener Schlacht als Sieger. Im BLICK-Video-Interview erklären Präsident Hälg und Direktor Schuler unter anderem, was die Streiterei privat für Folgen hatte.
Publiziert: 11.05.2018 um 13:56 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:05 Uhr
Das sagt Sika-Präsident Paul Hälg
5:13
Sika gewinnt Kampf um Kontrolle gegen Saint-Gobain:Das sagt Sika-Präsident Paul Hälg
Konrad Staehelin und Ramona de Cesaris

Heute Freitag ist alles eitel Sonnenschein bei Sika. Der Übernahme-Krach mit dem französischen Mega-Konzern Saint-Gobain ist seit gestern vorbei, die Ex-Besitzerfamilie Burkard ruhig gestellt – endlich hält man die Zukunft der Firma in den eigenen Händen.

Da gibt es Schlimmeres für die Firmenbosse, als nach der Medienkonferenz am Freitagmorgen (BLICK berichtete live vor Ort) gegenüber BLICK Rede und Antwort zu stehen.

«Viele freie Samstage geopfert»

Dabei geben sie nicht nur preis, wie sie schon gefeiert haben, sondern auch, wie die Familien unter dem Streit-Stress gelitten haben. «Ich habe so viele freie Samstage geopfert, dass ich mich bei meiner Frau jetzt ganz neu vorstellen muss», scherzt CEO Paul Schuler (62).

Und Präsident Paul Hälg (64), wohl das Gesicht des Kampfs gegen die Franzosen-Übernahme, gibt Einblick ins Private, als er am Wasserbecken vor dem Zürcher Sika-Standort mit BLICK spricht: «Der ganze Vorstand war stark mitgenommen, auch die Partnerinnen. Denn als VR-Mitglied ist man persönlich haftbar für Schäden. Es hätte also unmittelbare Konsequenzen für die Familie gehabt, wenn unser Engagement schief gegangen wäre.»

Bester Laune bei bestem Wetter: Sika-Präsident Hälg im BLICK-Interview am Wasserbecken vor dem Zürcher Sika-Sitz.
Foto: BLICK/Ramona de Cesaris
Über drei Jahre erbitterter Kampf gehen zu Ende

Der Übernahmekampf um Sika dauerte dreieinhalb Jahre. Nachfolgend die Chronologie zum Streit über den Verkauf der Sika-Kontrollmehrheit der Familie an den französischen Konzern Saint Gobain.

8. Dezember 2014: Die Erben des Unternehmensgründers wollen ihre Sika-Anteile und damit die Kontrolle über die Firma an den französischen Bauriesen Saint-Gobain für 2,75 Milliarden Franken verkaufen. Saint-Gobain erhielte mit rund 17 Prozent der Kapitalanteile 52 Prozent der Stimmrechte. Die Sika-Konzernleitung und ein Teil des Verwaltungsrates (VR) drohen daraufhin mit Rücktritt. Der Aktienkurs bricht um 22 Prozent ein.

10. Dezember 2014: Die Gründerfamilie beantragt eine ausserordentliche Generalversammlung (GV), bei der sie den VR-Präsidenten und zwei weitere Verwaltungsräte wegen ihres Widerstands gegen die Übernahme durch Chris Tanner und Max Roesle ersetzen will. Tanner zieht seine Kandidatur zwei Wochen später zurück.

23. Dezember 2014: Die Anlagestiftung Ethos möchte zusammen mit anderen Minderheitsaktionären die sogenannte Opting-Out-Klausel aus den Statuten streichen lassen. Ohne die Klausel müsste Saint-Gobain eine Offerte für das gesamte Kapital unterbreiten. Der Mitte Januar gegründeten Unterstützergruppe treten auch 22 Pensionskassen von Schweizer Unternehmen, Städten und öffentlichen Institutionen bei.

26. Januar 2015: Der Sika-VR beschränkt das Stimmrecht der Gründerfamilie auf 5 Prozent und beruft keine ausserordentliche GV ein. Die Familie würde eine Aktionärsgruppe mit Saint-Gobain bilden und verstosse damit laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung gegen die in den Statuten festgelegte Stimmrechtsbeschränkung, teilt die Sika-Führung mit. Die Familienholding bezeichnet das Vorgehen als illegal und ergreift ihrerseits juristische Gegenwehr.

6. März 2015:
Die Schweizer Übernahmekommission (UEK) stellt in einer Verfügung fest, dass die Opting-Out-Klausel in den Sika-Statuten grundsätzlich rechtsgültig ist. Drei Wochen später präzisiert die UEK, dass diese Klausel auch auf die geplante Transaktion Anwendung finde. Die Sika-Erben hatten mit einem Gesuch eine Stellungnahme der UEK gefordert.

7. April 2015:
Saint-Gobain und die Familie Burkard verlängern den Kaufvertrag ein erstes Mal bis Sommer 2016.

23. März 2015: Der Sika-VR erzielt vor dem Kantonsgericht Zug einen Etappensieg. Das Gericht lehnt es ab, die Stimmrechtsbeschränkung der Erbenfamilie an der GV durch den Verwaltungsrat vorsorglich zu untersagen. Das Obergericht wird diesen Entscheid später bestätigen.

14. April 2015:
Der VR beschränkt die Stimmrechte der Erbenfamilie an der GV in gewissen Abstimmungspunkten. Das betrifft insbesondere die Wahl des VR. Volle Stimmkraft hat die Erbenfamilie dagegen bei den Vergütungstraktanden und lehnt die künftige Vergütung des VR ab. Weiter wird auf Antrag der Aktionärsgruppe um Bill Gates eine Sonderprüfung eingesetzt. Die Stimmrechtsbeschränkung wird der VR künftig bei allen GV bis zur Beendigung des Streits anwenden.

1. Juni 2015: Die Familienholding SWH reicht offiziell Klage vor dem Zuger Kantonsgericht ein. Kurz zuvor war eine Einigung vor dem Friedensrichter gescheitert.

1. September 2015:
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt die Gültigkeit der Sika-Opting-Out-Klausel. Damit ist Bill Gates' Beteiligungsgesellschaft mit einer entsprechenden Beschwerde endgültig gescheitert.

7. Dezember 2015: Saint-Gobain hat alle wettbewerbsrechtlichen Bewilligungen für die Übernahme erhalten. Nach der EU-Kommission und der Eidgenössischen Wettbewerbskommission hat zuletzt die brasilianische Wettbewerbsbehörde zugestimmt.

28. Oktober 2016: Wichtiger Etappensieg für den VR: Das Kantonsgericht Zug weist die Klage von SWH gegen die GV-Beschlüsse ab. Sie erklärt die Stimmrechtsbeschränkung für rechtens. Die Erbenfamilie kündigt Berufung an. Der VR erklärt, eine einvernehmliche Lösung anzustreben.

26. Oktober 2017:
Der Kaufvertrag wird ein viertes Mal verlängert und gilt neu bis am 30. Juni 2018. Saint-Gobain hat die Option, den Vertrag nochmals bis Ende Jahr zu verlängern.

16. Februar 2018:
Die Familie Burkard will einen neuen Vertrag mit Saint-Gobain aushandeln. Der Aktienkurs liegt inzwischen über dem abgemachten Kaufpreis.

11. Mai 2018: Der Übernahmekampf ist beendet: Sika, Saint-Gobain und die Erbenfamilie einigen sich. In einem komplexen Deal übernimmt Saint-Gobain die Aktien der Familie und verkauft ein Teil davon an Sika weiter. Saint-Gobain zahlt der Familie 3,22 Milliarden Franken, Sika an Saint-Gobain 2,1 Milliarden Franken. Saint-Gobain behält eine Minderheitsbeteiligung an Sika von 10,75 Prozent. Sika will die Einheitsaktie einführen. (SDA)

Der Übernahmekampf um Sika dauerte dreieinhalb Jahre. Nachfolgend die Chronologie zum Streit über den Verkauf der Sika-Kontrollmehrheit der Familie an den französischen Konzern Saint Gobain.

8. Dezember 2014: Die Erben des Unternehmensgründers wollen ihre Sika-Anteile und damit die Kontrolle über die Firma an den französischen Bauriesen Saint-Gobain für 2,75 Milliarden Franken verkaufen. Saint-Gobain erhielte mit rund 17 Prozent der Kapitalanteile 52 Prozent der Stimmrechte. Die Sika-Konzernleitung und ein Teil des Verwaltungsrates (VR) drohen daraufhin mit Rücktritt. Der Aktienkurs bricht um 22 Prozent ein.

10. Dezember 2014: Die Gründerfamilie beantragt eine ausserordentliche Generalversammlung (GV), bei der sie den VR-Präsidenten und zwei weitere Verwaltungsräte wegen ihres Widerstands gegen die Übernahme durch Chris Tanner und Max Roesle ersetzen will. Tanner zieht seine Kandidatur zwei Wochen später zurück.

23. Dezember 2014: Die Anlagestiftung Ethos möchte zusammen mit anderen Minderheitsaktionären die sogenannte Opting-Out-Klausel aus den Statuten streichen lassen. Ohne die Klausel müsste Saint-Gobain eine Offerte für das gesamte Kapital unterbreiten. Der Mitte Januar gegründeten Unterstützergruppe treten auch 22 Pensionskassen von Schweizer Unternehmen, Städten und öffentlichen Institutionen bei.

26. Januar 2015: Der Sika-VR beschränkt das Stimmrecht der Gründerfamilie auf 5 Prozent und beruft keine ausserordentliche GV ein. Die Familie würde eine Aktionärsgruppe mit Saint-Gobain bilden und verstosse damit laut bundesgerichtlicher Rechtsprechung gegen die in den Statuten festgelegte Stimmrechtsbeschränkung, teilt die Sika-Führung mit. Die Familienholding bezeichnet das Vorgehen als illegal und ergreift ihrerseits juristische Gegenwehr.

6. März 2015:
Die Schweizer Übernahmekommission (UEK) stellt in einer Verfügung fest, dass die Opting-Out-Klausel in den Sika-Statuten grundsätzlich rechtsgültig ist. Drei Wochen später präzisiert die UEK, dass diese Klausel auch auf die geplante Transaktion Anwendung finde. Die Sika-Erben hatten mit einem Gesuch eine Stellungnahme der UEK gefordert.

7. April 2015:
Saint-Gobain und die Familie Burkard verlängern den Kaufvertrag ein erstes Mal bis Sommer 2016.

23. März 2015: Der Sika-VR erzielt vor dem Kantonsgericht Zug einen Etappensieg. Das Gericht lehnt es ab, die Stimmrechtsbeschränkung der Erbenfamilie an der GV durch den Verwaltungsrat vorsorglich zu untersagen. Das Obergericht wird diesen Entscheid später bestätigen.

14. April 2015:
Der VR beschränkt die Stimmrechte der Erbenfamilie an der GV in gewissen Abstimmungspunkten. Das betrifft insbesondere die Wahl des VR. Volle Stimmkraft hat die Erbenfamilie dagegen bei den Vergütungstraktanden und lehnt die künftige Vergütung des VR ab. Weiter wird auf Antrag der Aktionärsgruppe um Bill Gates eine Sonderprüfung eingesetzt. Die Stimmrechtsbeschränkung wird der VR künftig bei allen GV bis zur Beendigung des Streits anwenden.

1. Juni 2015: Die Familienholding SWH reicht offiziell Klage vor dem Zuger Kantonsgericht ein. Kurz zuvor war eine Einigung vor dem Friedensrichter gescheitert.

1. September 2015:
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt die Gültigkeit der Sika-Opting-Out-Klausel. Damit ist Bill Gates' Beteiligungsgesellschaft mit einer entsprechenden Beschwerde endgültig gescheitert.

7. Dezember 2015: Saint-Gobain hat alle wettbewerbsrechtlichen Bewilligungen für die Übernahme erhalten. Nach der EU-Kommission und der Eidgenössischen Wettbewerbskommission hat zuletzt die brasilianische Wettbewerbsbehörde zugestimmt.

28. Oktober 2016: Wichtiger Etappensieg für den VR: Das Kantonsgericht Zug weist die Klage von SWH gegen die GV-Beschlüsse ab. Sie erklärt die Stimmrechtsbeschränkung für rechtens. Die Erbenfamilie kündigt Berufung an. Der VR erklärt, eine einvernehmliche Lösung anzustreben.

26. Oktober 2017:
Der Kaufvertrag wird ein viertes Mal verlängert und gilt neu bis am 30. Juni 2018. Saint-Gobain hat die Option, den Vertrag nochmals bis Ende Jahr zu verlängern.

16. Februar 2018:
Die Familie Burkard will einen neuen Vertrag mit Saint-Gobain aushandeln. Der Aktienkurs liegt inzwischen über dem abgemachten Kaufpreis.

11. Mai 2018: Der Übernahmekampf ist beendet: Sika, Saint-Gobain und die Erbenfamilie einigen sich. In einem komplexen Deal übernimmt Saint-Gobain die Aktien der Familie und verkauft ein Teil davon an Sika weiter. Saint-Gobain zahlt der Familie 3,22 Milliarden Franken, Sika an Saint-Gobain 2,1 Milliarden Franken. Saint-Gobain behält eine Minderheitsbeteiligung an Sika von 10,75 Prozent. Sika will die Einheitsaktie einführen. (SDA)

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