Wenn es um Drogen geht, sind sich Politiker einig: Cannabis sollte weitgehend legalisiert werden. Wohlgemerkt für den medizinischen Gebrauch. In der Schweiz hat dazu die Motion Kessler im Vorjahr Ständerat und Nationalrat passiert. Jetzt ist der Bundesrat am Zug, das Gesetz zu schreiben.
In Israel hat im Februar eine klare Mehrheit der Knesset – ohne Gegenstimmen – für den legalen Anbau und Export von Hanf votiert. Die Cannabis-Industrie boomte schon vor den jüngsten Vorstössen in beiden Ländern, zum Teil unter ungeklärten Rechtsverhältnissen. Jetzt erlebt sie ihr erstes High.
Buhlen um Milliardenmarkt
Cannabis wird auf die Haut geschmiert, in Zigaretten geraucht, zum Einschlafen und gegen Schmerzen tröpfchenweise geschluckt – die Anwendungen sind schier endlos. Was die Industrie aber am meisten interessiert, sind Medizinprodukte mit dem Wirkstoff Cannabidiol (CBD). Hier wächst weltweit eine Milliardenindustrie heran. Besonders in den kleinen, innovativen Ländern Schweiz und Israel: Startup-affin, forschungsintensiv, unternehmerfreundlich, liberal.
Dutzende Firmen in der Schweiz, Hunderte in Israel forschen zusammen und gegeneinander an neuen Medikamenten mit CBD zur Behandlung von Krebs, Parkinson, Multipler Sklerose oder Epilepsie und arbeiten an der legalen Vermarktung für die Medizin- und Genussmittelindustrie.
Umsatzpotenzial 5 Milliarden Franken
Gemäss Prognosen steigt das Marktpotenzial dafür in den kommenden fünf Jahren auf über 60 Milliarden Dollar weltweit. Israel und die Schweiz schrauben an ihren Paragrafen, um sich einen Teil dieser Milliarden nicht entgehen zu lassen. Das Umsatzpotenzial für die Schweizer Cannabis-Industrie wird laut European CannabisReport auf bis zu 5 Milliarden Franken geschätzt.
Das israelische Gesundheitsministerium geht von 1 Milliarde Dollar an Umsatzerlösen nur für den Export von medizinischem Cannabis aus – ungeachtet der vor- und nachgelagerten Agrar- und Pharmaindustrie. Und ungeachtet der Freizeitanwendung von Hanf, sprich: für Lebensmittel, Rauchwaren und Kosmetika.
In der Schweiz ist sogar Big Pharma bereits ins Cannabis-Business eingestiegen: Novartis hat über die Generikasparte Sandoz eine strategische Partnerschaft mit Tilray, einem Pharma- und Cannabis-Hersteller im kanadischen Nanaimo. Kanada ist ein besonders interessanter Markt, weil das Land eines der ersten weltweit ist, das Cannabis komplett freigegeben hat.
Die Vereinbarung in Kanada umfasst ein «globales Rahmenabkommen, das eine mögliche Zusammenarbeit in allen Ländern weltweit erlaubt, vorbehältlich länderspezifischer Bedingungen», sagt ein Novartis-Sprecher. Auch die USA sind ein attraktiver Zielmarkt mit einem Potenzial in zweistelliger Milliardenhöhe. Amerikaner geniessen Cannabis mittlerweile lieber als Eiscreme oder Kinofilme.
Wer schneller liberalisiert, gewinnt
Die Rivalität der beiden Länder um Weltmarktanteile im umkämpften Cannabis-Markt erreicht damit einen ersten Höhepunkt. Nur wer flott liberale Gesetze und das nötige Umfeld für Pharma, Startups und Landwirte schafft, sichert sich für seine Exportindustrie ein Stück vom Kuchen. Derzeit hat Israel bei seiner Gesetzgebung die Nase vorn, die Liberalisierung geht zügiger voran als in der Schweiz.
Auch auf Firmenseite tut sich viel: Der Inhalatorhersteller Syqe warf 50 Millionen Dollar ein und hat eine Partnerschaft mit dem israelischen Pharmakonzern Teva, die Cannabis-Firma Intercure hob 12 Millionen Dollar, Gemmacert 2,25 Millionen. Medivie schloss einen Cannabis-Exportdeal über 110 Millionen Dollar ab, Innocan Pharma holte sich 800 000 Dollar via Crowdfunding.
«Immobilienmogule und Diamantenhändler werfen mir das Geld nach und sagen, investiere für mich in Hanf, egal wo, Hauptsache ich bin bei dem Trend dabei», erzählt Hanfexpertin und Investment-Beraterin Inbar Maymon-Pomeranchik. Die Biotechnologin der Beratungsfirma Biodiligence ist Vermittlerin zwischen Wissenschaft und Wirtschaft: «Die einen sprechen Science, die anderen Money.»
CBD macht Schweizer Firmen hyperaktiv
Auf Dutzenden Hektaren wird in Israel Hanf bereits für den Export parat gemacht. Hauptzielmarkt sowohl für Israel als auch die Schweiz ist Europa. Dass es eilt, haben auch Politiker und Firmen in der Schweiz nun erkannt. Langsam, aber sicher ziehen die Eidgenossen nach.
Hiesige Bauern pflanzen ebenfalls auf mehreren Dutzend Hektaren Anbaufläche schon das umsatzträchtige «Gras» an. Für Nahrungsmittel, Softdrinks, Bier, Tinkturen, medizinähnliche Produkte und Rauchwaren. Schweizer Landwirte träumen bereits von bis zu 500 Hektaren Anbaufläche in den kommenden Monaten und Jahren.
Die Schweizer Firmen Pure, Tellement Facile und Creso Pharma experimentieren mit Cannabis, züchten Hanf, wollen ihre Produkte patentieren lassen und basteln an weltumspannenden Geschäftsmodellen von der Saat bis zur Pille. Die Genfer Pharmotech forscht an einem Antibiotikum mit CBD und führt klinische Studien am Unispital Lausanne durch. Die Tessiner Firma Crystal Hemp hat ein CBD-Produkt im Angebot, das von Swissmedic in der Schweiz bereits anerkannt wurde.
Forschungsfarm auf Teneriffa
Crystal Hemp geht als Schweizer Firma im Cannabis-Geschäft besonders findig vor. «Wir haben das CBD-Kapitel für uns erfolgreich aufbereitet, jetzt wollen wir auch die Entwicklung von THC-Produkten vorantreiben», sagt Verwaltungsrat Amos Radian. Seine Ansage hat beim Swiss Israel Medical Cannabis Summit im Januar in Zürich für Aufsehen gesorgt. Denn CBD ist jener Wirkstoff aus der Hanfpflanze, der von Gesundheitsexperten als therapeutisch eingestuft wird.
UNO und WHO wollen demnächst CBD von der Stufe Betäubungsmittel auf die Stufe Medizinalwirkstoff aufwerten – eine Revolution für die Cannabis-Industrie auf dem Weg zu einem legalen Geschäftsumfeld. THC hingegen ist das, was high macht, als (Einstiegs-)Droge verschrien und in den meisten Ländern der Welt nach wie vor verboten. In der Schweiz darf der THC-Gehalt in Hanfprodukten nicht höher als 1 Prozent sein.
Um aber auch THC als Pharmawirkstoff salonfähig zu machen, hat Radian mit Crystal Hemp eine Werk- und Laborfläche von 5000 Quadratmetern zur Forschung in einer Sonderwirtschaftszone auf Teneriffa gekauft. «Wir haben dort nur wenige Prozent Unternehmenssteuer und drei Projekte parallel: für die Hanfzucht im Glashaus, eine Verpackungsanlage und ein Labor», so der geschäftstüchtige Crystal-Hemp-Chef. Untätigkeit kann man Schweizer Entrepreneuren im Cannabis-Business beileibe nicht vorwerfen.
Wird China zur Grossmacht im Cannabis-Business?
Israel und die Schweiz sind mittlerweile gleichauf, wenn es um die Geschäftsmöglichkeiten mit Cannabis geht. Für das entfernter gelegene Israel sind zwar die Export- und Logistikkosten nach Europa höher. «Dafür ist in der näher bei Europagelegenen Schweiz die Arbeit teurer», sagt Adam Dozetas, Partner der Tel Aviver Beratungskanzlei Shibolet.
Der Anwalt kennt sowohl die wirtschaftlichen Bedingungen als auch die Rechtslagen beider Länder und ruft jetzt Firmen beiderorts zur Kooperation in der Forschung und Vermarktung auf, solange der Markt noch jung und kaum besetzt ist. Denn mit immer mehr liberalisierten Märkten und steigender Nachfrage beginnen sich auch Firmen und Volkswirtschaften dafür zu interessieren, von denen man bisher nichts hörte – allen voran aus China.
Der asiatische Riese ist eine Hanf-Superpower, welche die Pflanze für die Textilindustrie etablierte und auf 600 Hektaren in Nordchina die weltgrössten Hanffelder betreibt. Wovor Berater Dozetas daher warnt, sind die mehr als 600 Patentanmeldungen für den medizinischen Gebrauch von Hanf, die gemäss seinen Aufzeichnungen aus China kommen und kaum in der Industrie aufgefallen sind.
Vier chinesische Firmen gibt es bereits, welche mit Stand heute reines CBD herstellen können. China würde dadurch nicht nur zum grössten kostengünstigen Lieferanten von Hanf werden, sondern auch nahezu autark eine eigene Pharmaindustrie bewirtschaften – und kleine Länder wie die Schweiz und Israel aussen vor lassen.
Cannabis (lateinisch) und Hanf (deutsch) sind zwei Begriffe für die gleiche Pflanze. Von dieser können Blätter, Saat und Öl verwendet werden. Die zwei wichtigsten Unterarten sind Cannabis sativa und Cannabis indica. Das Harz der weiblichen Blüten des Indischen Hanfs wird als Haschisch bezeichnet. Marihuana (auch Gras) dagegen besteht aus den getrockneten Blüten und Blättern der weiblichen Hanfpflanzen.
In Marihuana sind 113 Cannabinoide enthalten. Die bekanntesten dieser Wirkstoffe sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD).
THC ist in den meisten Ländern illegal, weil es eine berauschende Wirkung hat. In der Schweiz ist der Anbau von Cannabis mit THC bis zu einem Prozent seit 2011 erlaubt. Produkte sind dem Lebensmittelgesetz (Tabakverordnung) unterstellt und nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Die Substanz soll zudem eine schmerz- und entzündungshemmende Wirkung haben. Produzenten dürfen aber keine Heilversprechen machen. In den Blüten ist der THC-Anteil am stärksten. Je nach Züchtung kann der THC-Anteil bei bis 20 Prozent liegen.
Auch CBD ist inzwischen sehr bekannt. Im Unterschied zu THC verursacht dieses kein «High». Es ist daher in vielen Ländern erlaubt. Häufig wird CBD als Öl oder Tee aufgenommen. Es soll etwa bei Angstzuständen und Depressionen helfen.
Cannabis (lateinisch) und Hanf (deutsch) sind zwei Begriffe für die gleiche Pflanze. Von dieser können Blätter, Saat und Öl verwendet werden. Die zwei wichtigsten Unterarten sind Cannabis sativa und Cannabis indica. Das Harz der weiblichen Blüten des Indischen Hanfs wird als Haschisch bezeichnet. Marihuana (auch Gras) dagegen besteht aus den getrockneten Blüten und Blättern der weiblichen Hanfpflanzen.
In Marihuana sind 113 Cannabinoide enthalten. Die bekanntesten dieser Wirkstoffe sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD).
THC ist in den meisten Ländern illegal, weil es eine berauschende Wirkung hat. In der Schweiz ist der Anbau von Cannabis mit THC bis zu einem Prozent seit 2011 erlaubt. Produkte sind dem Lebensmittelgesetz (Tabakverordnung) unterstellt und nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Die Substanz soll zudem eine schmerz- und entzündungshemmende Wirkung haben. Produzenten dürfen aber keine Heilversprechen machen. In den Blüten ist der THC-Anteil am stärksten. Je nach Züchtung kann der THC-Anteil bei bis 20 Prozent liegen.
Auch CBD ist inzwischen sehr bekannt. Im Unterschied zu THC verursacht dieses kein «High». Es ist daher in vielen Ländern erlaubt. Häufig wird CBD als Öl oder Tee aufgenommen. Es soll etwa bei Angstzuständen und Depressionen helfen.
Dieser Artikel wurde in der «Handelszeitung» veröffentlicht. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.handelszeitung.ch.
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