Die Camping-Schweiz hat ein Problem: Es gibt zu viele Wohnmobile und zu wenige Stellplätze. Für die Sommerferien sind die meisten Campingplätze restlos ausgebucht. Tausende Camper suchen noch ein Plätzchen für die Ferien in der Schweiz.
Findige Bauern und Gastronomen haben die Lösung: Sie bieten auf ihren Höfen oder auf den leeren Parkplätzen vor der Beiz einen Stellplatz an – und das erst noch für wenig Geld. Ausserhalb der überfüllten Campingplätze, für maximal drei Nächte.
Vor der Beiz statt am See
«Camper sind ein spontanes Volk», sagt Peter Bracher (56). Der Landwirt richtete auf seinem Heidelbeerhof in Dürrenroth BE acht Stellplätze ein. Reservieren kann man bei ihm nicht. «Monate im Voraus zu planen und zu buchen, ist der Horror für jeden freiheitsliebenden Camper», weiss Bracher, selbst ein eingefleischter Wohnmobilist.
Sein Betrieb liegt abgelegen, an ruhiger Lage mit Ausblick auf die Berner Alpen. Ein Fleckchen gemähte Wiese, mehr brauchen die Camper nicht. Seine Plätze sind meist belegt. «Erst vor fünf Minuten musste ich den Letzten wegschicken», sagt Bracher.
Was Landwirt Bracher macht, liegt in der ganzen Schweiz im Trend: Stellplätze für Wohnmobile ausserhalb der Campingplätze boomen. Allein im vergangenen Jahr hat sich die Anzahl solcher Stellplätze auf 2631 Plätze verdoppelt. Statt an den Lago Maggiore oder an die Aare stellen Camper ihr VW-Büssli oder Wohnmobil vor ein Restaurant, auf den Bauernhof oder einen grossen Kiesplatz.
Das Nachtessen vom Chefkoch direkt ins Büssli
«Vor der Corona-Pandemie ging der Grossteil der Schweizer Wohnmobilisten ins Ausland in die Ferien», weiss Rolf Järmann (54). Er war einer der Grossen des Schweizer Radsports. Er gewann je eine Etappe des Giro d'Italia und der Tour de France, dazu zwei der Tour de Suisse. Heute ist er lieber auf vier Rändern unterwegs. Järmann ist Präsident des Vereins Wohnmobilland Schweiz. «Seit letztem Jahr bleiben die Campierer aber lieber in der Schweiz.» Zusätzliche Stellplatz-Kapazitäten mussten her.
Es scheint ein Stückchen Freiheit zu sein: den Camper auf eine Wiese oder an den Waldrand zu stellen und dort die Nacht zu verbringen. Das tönt romantisch, ist aber meistens illegal. Denn: Wildcampen ist nur in seltenen Fällen erlaubt. Grundsätzlich ist es nur im Gebirge über der Baumgrenze gestattet, wohin man mit dem Wohnmobil oft nur schwer kommt. Dazu darf man auch auf Privatgrundstücken campen, wenn der Besitzer es erlaubt.
Freies Übernachten an öffentlichen Orten wie Raststätten, Parkplätzen, abseits von Strassen oder in freier Natur ist in der Schweiz verboten – und nur in einzelnen Kantonen unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Zum Beispiel erlauben die Kantone Aargau, Bern, Schwyz und Uri das Übernachten auf Parkplätzen und Raststätten. Die Beschilderung ist in jedem Fall zu beachten. Zudem erlauben einige Autobahn-Raststätten, eine Nacht vor Ort zu verbringen. Martin A. Bartholdi und Fabio Giger
Es scheint ein Stückchen Freiheit zu sein: den Camper auf eine Wiese oder an den Waldrand zu stellen und dort die Nacht zu verbringen. Das tönt romantisch, ist aber meistens illegal. Denn: Wildcampen ist nur in seltenen Fällen erlaubt. Grundsätzlich ist es nur im Gebirge über der Baumgrenze gestattet, wohin man mit dem Wohnmobil oft nur schwer kommt. Dazu darf man auch auf Privatgrundstücken campen, wenn der Besitzer es erlaubt.
Freies Übernachten an öffentlichen Orten wie Raststätten, Parkplätzen, abseits von Strassen oder in freier Natur ist in der Schweiz verboten – und nur in einzelnen Kantonen unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Zum Beispiel erlauben die Kantone Aargau, Bern, Schwyz und Uri das Übernachten auf Parkplätzen und Raststätten. Die Beschilderung ist in jedem Fall zu beachten. Zudem erlauben einige Autobahn-Raststätten, eine Nacht vor Ort zu verbringen. Martin A. Bartholdi und Fabio Giger
Gerhard Butz (52) hat das Potenzial schon früh erkannt. Der Gastwirt des Restaurants St. Iddaburg in Gähwil SG bot im letzten Lockdown ein sogenanntes Camp and Dine an. Wohnmobillisten durften ihr Gefährt gratis auf seinem Parkplatz abstellen und dort übernachten – Ausblick bis zum Bodensee inklusive. Butz bekochte sie und brachte das Abendessen zu seinen Gästen ins Wohnmobil.
«Bislang hatte ich die Camper als Gäste gar nie auf dem Radar», sagt Butz. Jetzt ist er begeistert. Zu Spitzenzeiten waren 24 Camper vor dem Restaurant, so der Wirt. Das Angebot rechnete sich für ihn: Die Gäste tranken Apéro, dann eine Flasche Wein zum Dreigangmenü und einen Absacker obendrauf. «Sie mussten ja nicht mehr heimfahren», witzelt Brutz.
Das Problem mit dem Abwasser
Was eigentlich als «Corona-Projekt» angedacht war, führt der Iddaburg-Wirt in Zukunft weiter. «Ich werde dauerhaft drei Stellplätze anbieten.» 60 andere Restaurants tun es ihm gleich. Insgesamt 256 Stellplätze zählt allein die Liste von Wohnmobilland Schweiz. «Und es werden ständig mehr», sagt Camping-Profi Rolf Järmann.
Eine Baustelle bereitet Järmann aber noch Bauchschmerzen: Es gibt zu wenige Entsorgungsstationen für das Abwasser der Automobile. Der Verein Wohnmobilland Schweiz will deshalb in der ganzen Schweiz solche Entsorgungsstationen einrichten. Gemeinsam mit diversen Gemeinden klärt er mögliche Standorte ab.