Wer in der Stadt Zürich wohnt oder arbeitet, hat möglicherweise bereits eine Filiale von Kaisin besucht. Dort kann jeder und jede die eigene Poké Bowl individuell zusammenstellen: Man wählt zunächst die Proteine, dann die Basis – beispielsweise verschiedene Arten von Reis, Quinoa oder Spinat –, vier Toppings, eine Sauce und zwei «Finisher». Und fertig ist das Mittagessen.
Das Konzept besticht durch seine Transparenz und Einfachheit. Die Proteine legen den Preis fest – Lachs und Thunfisch sind am teuersten, Tofu am günstigsten –, beim Rest hat der Kunde die Qual der Wahl. Das Zusammenstellen des Menüs dauert keine Minute und man ist nach einer Poké Bowl tatsächlich satt. Selbst bei grossem Hunger.
Innovatives Shop-in-Shop-Konzept als Anschubhilfe
Kaisin ist vor sechs Jahren plötzlich auf der Gastro-Karte der Stadt Zürich aufgetaucht. Inzwischen betreibt das Unternehmen zehn Filialen, davon acht in Zürich, eine in Basel und eine in Zug. Dass ein Start-up in der hart umkämpften Gastronomie so schnell wächst, ist selten.
Dieser Artikel wurde erstmals bei Gryps publiziert. Gryps ist ein Online-Portal für KMU mit Beschaffungswelt, Praxisratgeber und aktuellen Berichten.
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Einer der Gründer von Kaisin ist Andri Silberschmidt (30). Der Zürcher sitzt seit 2019 für die FDP im Nationalrat. Mit Gryps hat der 30-Jährige über sein «Gastro-Baby» gesprochen. Als Verwaltungsrat ist er bei Kaisin nicht mehr operativ tätig, aber trotzdem noch nahe dran. Zudem sagt er: «Wir durften bis jetzt eine schöne unternehmerische Geschichte schreiben.»
Sechs Jahre nach der Gründung gehört Kaisin schon fast zum Stadtbild von Zürich. Was haben Sie besser gemacht als andere Start-ups in der Gastro-Branche?
Andri Silberschmidt: Besser? Ich weiss nicht. Aber sicher anders. Bei uns kamen zwei Dinge zusammen, die wesentlich zu unserem Erfolg beitrugen: Wir kombinierten ein neuartiges Foodkonzept mit einem neuartigen Shop-in-Shop-Konzept. Die Qualität des Essens und des Services ist für die Kundinnen und Kunden entscheidend. Für unser wirtschaftliches Überleben war allerdings das Standortkonzept ausschlaggebend.
Shop-in-Shop, was heisst das?
Wir haben uns zu Beginn in bestehende Lokalitäten oder bei grösseren Firmen eingemietet und dort über Mittag unsere Poké Bowls angeboten. Das war einerseits sinnvoll, weil wir so nur wenig Ausgaben hatten, und andererseits konnte so die Mittagszeit, die kaum besucht war, besser genutzt werden.
Wann ist die Idee für dieses Konzept entstanden?
Eigentlich ist sie aus der Not geboren. Wir hatten kein Geld – wir haben bis heute keine Investorinnen und Investoren – und sahen darum nur diesen einen Weg, um erfolgreich zu sein. Durch das Shop-in-Shop-Konzept waren kaum Investitionen nötig, wir bezahlten lediglich Untermiete sowie eine Umsatzbeteiligung. Das war ein grosser Wettbewerbsvorteil für uns.
Und warum Poké Bowls?
2017, als wir die Firma gründeten, gab es in Zürich noch fast keine Anbieter von Poké Bowls. Wir waren überzeugt, dass es in der Mittagspause auch Platz geben muss für eine gesunde Alternative zu Pizza und Döner. Für unser Wachstum war sicherlich entscheidend, dass wir frische Zutaten verwenden und jeder Besucher, jede Besucherin die eigene Bowl individuell zusammenstellen kann. Es gibt Fleisch, Fisch, Tofu, Gemüse, Salate, Kräuter – und satt werden alle.
Wie wichtig ist Marketing?
Tatsächlich machen wir kaum klassische Werbung, sondern haben vor allem ins Branding und in die Community investiert. Wir bieten zum Beispiel Yogakurse und gemeinsame Sportlektionen an. Das funktioniert sehr gut.
Wenig Werbung? Tatsächlich?
Ja, wir sind sehr verwöhnt. Bisher war jeder Shop, mit einer Ausnahme, schon nach fünf Tagen erfolgreich.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
In der Stadt Zürich gibt es sehr viele Arbeitsplätze – und damit auch ein Bedürfnis nach Mittagessen. Wenn man an den richtigen Orten präsent ist, ist man sichtbar. Und wenn das Angebot ankommt, dann spricht sich das herum und immer mehr Menschen probieren es aus. Das gastronomische Angebot in Zürich ist noch nicht so gut, wie es sein könnte. Es gibt viel vom Gleichen, und gesundes Essen ist im Trend. Hier befriedigen wir offenbar eine Nachfrage.
Entscheidend für den Erfolg ist auch das Personal. Einverstanden?
In der Gastronomie zu arbeiten, ist nicht überall sonderlich attraktiv. Das ist uns bewusst, also müssen wir mehr bieten als andere. Bei Kaisin können Menschen ohne Vorwissen einsteigen und relativ schnell aufsteigen. Wir geben früh Verantwortung ab. Unser Anspruch ist es, die Store Manager zu kleinen Unternehmern auszubilden. Diese Perspektiven sind sicherlich motivierend.
Reicht das?
Bisher hatten wir noch keine Personalprobleme. Aber die Arbeitsbedingungen sind tatsächlich ein sehr wichtiges Thema. Auch wir haben beispielsweise Samstagabendschichten, die verständlicherweise nicht sonderlich beliebt sind. Aber wenn die Löhne angemessen sind und das gesamte Paket stimmt, dann ja, dann findet man Angestellte, die auch gerne arbeiten. Zumindest meistens (lacht). Es ist uns auch wichtig, dass sich die Mitarbeitenden untereinander gut verstehen: Wir führen immer wieder Firmenfeste oder gemeinsame Anlässe durch. Und wir legen ein besonderes Augenmerk auf das On- und Offboarding. Auch Kolleginnen und Kollegen, die uns verlassen, sollen mit einem guten Gefühl gehen.
Wie definieren Sie Innovation?
Bestehendes durch einen neuartigen Ansatz verbessern: Das kann eine technologische Entwicklung sein, aber auch, dass man ein Problem anders angeht oder einen Prozess neu gestaltet. Man sollte sich aber stets bewusst sein, dass man nicht der Erste ist auf der Welt, der etwas neu denkt.
Haben Sie ein Beispiel für Innovation bei Kaisin?
Unser Shop-in-Shop-Konzept war sicherlich innovativ. Ausserdem haben wir schon früh beschlossen, komplett auf Bargeld zu verzichten. Wir setzten zudem rechtzeitig, noch vor dem Corona-Lockdown im Jahr 2020, auf die Lieferung für Geschäfte und Privatpersonen. Das bedeutet auch, dass sich Firmen unserem Netzwerk anschliessen und vergünstigt Mittagessen bestellen können. Und letztlich finde ich auch unser Community-Konzept ziemlich innovativ.
Gegründet: 2017
Gründer: Tarek Aly, Delano Fischer, Christian Gschwend und Andri Silberschmidt.
Mitarbeitende: Rund 70
Wie hat alles angefangen? «Vier Freunde, ein Trip nach Südostasien, vier Poké Bowls, eine neue kulinarische Lovestory», so der Slogan. Bei Kaisin können sich die Besucherinnen und Besucher ganz individuell ihre eigenen Poké Bowls zusammenstellen lassen. Die Firma betreibt heute elf Standorte, neun davon in Zürich, einen in Zug und einen in Basel.
Gegründet: 2017
Gründer: Tarek Aly, Delano Fischer, Christian Gschwend und Andri Silberschmidt.
Mitarbeitende: Rund 70
Wie hat alles angefangen? «Vier Freunde, ein Trip nach Südostasien, vier Poké Bowls, eine neue kulinarische Lovestory», so der Slogan. Bei Kaisin können sich die Besucherinnen und Besucher ganz individuell ihre eigenen Poké Bowls zusammenstellen lassen. Die Firma betreibt heute elf Standorte, neun davon in Zürich, einen in Zug und einen in Basel.
Wieso verzichten Sie auf Bargeld?
Bargeld ist aufwendig, mühsam und mit viel Administration verbunden. Bei der digitalen Bezahlung via Kreditkarte oder Twint bezahlt man zwar hohe Gebühren, aber es lohnt sich dennoch, weil die Abrechnung unkompliziert ist. Ausserdem ist die Bezahlung ohne Bargeld hygienischer.
Empfinden Sie die Abschaffung von Bargeld als innovativ?
Das Rad neu erfunden haben wir nicht. Aber wie viele Gastronomiebetriebe gibt es, die all das kombinieren, wie wir es tun? Diese Art von Innovation ist viel realistischer, als die eine, grossartige Idee zu haben. Innovation bedeutet für mich auch, dass man die Augen offen hält, sich inspirieren lässt und dann jene Ideen adaptiert, die zum eigenen Unternehmen passen.
Wie einfach ist es, in der Schweiz ein Start-up zu gründen?
Uff! (Lacht.) Beim ersten Mal steht man in einem riesigen Wald und findet keinen Weg hinaus. Ich habe zwar Ökonomie studiert, aber nie gelernt, wie man eine Firma gründet. Das bedauere ich. Eine Firma zu gründen, bedeutet sehr viel administrativen Aufwand: beim Handelsregister, beim Notar, bei den Banken … Ich möchte mich politisch dafür engagieren, dass es einfacher wird, eine Firma zu gründen. Der gesamte Firmengründungsprozess sollte digital abgewickelt werden können. Aber das ist noch ein weiter Weg. Der Staat und die Privatwirtschaft haben viel aufzuholen.
Stillstand bedeutet Rückschritt. Was sind die nächsten Ideen für Kaisin?
Wir überlegen laufend, wie wir unser Geschäftsmodell weiter optimieren können. Sollen wir in andere Städte expandieren? Können wir auf gewisses Personal verzichten und die Bedienung automatisieren?
Was ist Ihr Ratschlag an andere Unternehmerinnen und Unternehmer?
Hört auf die Kundinnen und Kunden! KMU sollten die Zeichen der Zeit nicht verpassen und mit gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen Schritt halten. Ein Unternehmen hat nur eine Zukunft, wenn es sich laufend erneuert.