Die neue Ruag-Präsidentin Monica Duca Widmer (60) kämpfte ihre ganze Karriere gegen Vorurteile
Widerstände stacheln sie an

Die Chemie-Ingenieurin Monica Duca Widmer präsidiert seit 1. Januar dieses Jahres den Verwaltungsrat der Ruag, der Waffenschmiede des Bundes. Ihre Freude an Technologie liess sie sich trotz gesellschaftlichen Widerstands nicht nehmen. Im Gegenteil.
Publiziert: 03.01.2020 um 22:37 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2020 um 08:26 Uhr
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«Dass ich etwas nicht machen könnte, weil ich eine Frau bin, war für mich nie ein Thema», sagt die Präsidentin der neuen Ruag-Holding – der BGRB Holding –, Monica Duca Widmer.
Foto: Andrea Brunner
Claudia Gnehm

Wie kaum eine andere Frau an der Spitze eines Schweizer Konzerns hat sich Monica Duca Widmer (60) über Jahrzehnte in Männerdomänen durchgesetzt. Für die Chemie-Ingenieurin und seit 1. Januar 2020 neue Präsidentin der Ruag-Beteiligungsholding BGRB ist es normal, als einzige Frau in Führungsgremien in der Wissenschaft und der Privatwirtschaft zu arbeiten. «Dass ich etwas nicht machen könnte, weil ich eine Frau bin, war für mich nie ein Thema», sagt die Tessinerin in perfektem Hochdeutsch.

Wie anders ihr Umfeld das sah, hat sie schon während des Gymnasiums in Ascona TI erlebt. Weil sie neugierig gewesen sei und wissen wollte, woher die Dinge kommen, habe sie die Chemie schon früh gefesselt. Während eines Besuchstags an der ETH in Zürich erlebte sie, wie Experimente im Labor in der Industrie angewendet werden können. «Da wusste ich, das ist Meins», erklärt sie.

Widerstand von Berufsberater und Eltern

Als sie aber dem Berufsberater erzählte, dass sie Chemie-Ingenieurin werden wolle, stiess sie auf Unverständnis. «Er musste zuerst in seinen Büchern nachschauen, was das ist und fragte mich dann, ob ich nicht lieber Apothekerin werden wolle – das sei besser für eine Frau», fährt sie fort. «Nein, ich will Chemie-Ingenieurin werden», habe sie geantwortet.

Widerstand gegen ihr Ziel leistete nicht nur der Berufsberater. Auch ihre Eltern stellten sich gegen ihren Berufswunsch. Ihr Chemielehrer habe dann den Eltern gesagt, sie sollen das Mädchen machen lassen, was es wolle, erzählt Duca Widmer. Erst dann hätten die Eltern zugestimmt.

Woher nahm die erste Frau an der Spitze der Ruag diese Autonomie Ende der 70er-Jahre? Nach der Einführung des Frauenstimmrechts sei viel über Frauenförderung gesprochen worden, erinnert sie sich. «Für mich war es normal, alles machen zu können, was ich wollte», sagt sie. Weibliche Vorbilder habe sie damals nicht gehabt.

Selbst ist sie seit über drei Jahrzehnten aktiv als Vorbild. «Ich bin immer bereit, junge Frauen zu begleiten», so Duca Widmer. Fast 35 Jahre lang habe sie zum Beispiel in Gymnasien den Beruf Ingenieurin vorgestellt. «Die Fortschritte bei der Gleichstellung waren mir viel zu langsam», räumt sie ein.

Rollenbilder müssen durchbrochen werden

Nach dem Studium an der ETH und dem Doktorat in Mailand (I) arbeitete sie in der Lebensmittelindustrie. Über die Jahre engagierte sie sich in mehr als einem Dutzend Verwaltungsräten, Stiftungen und Verbänden. Heute ist sie unter anderem Präsidentin der Università della Svizzera italiana sowie Verwaltungsratspräsidentin der Migros Tessin.

Damit es mehr Frauen in die Wissenschaft ziehe, gibt es für sie nur ein Rezept: «Wir müssen gegen Stereotype kämpfen.» Man müsse mit der immer noch hartnäckigen Kultur aufräumen, in der Mädchen schon im Kindergarten hörten, dass sich Frauen nicht als Ingenieurinnen eigneten.

Leider sei es in der Sekundar- und Gymnasialstufe oft schon zu spät, um die Mädchen zu überzeugen. Dann hätten sie bereits den Eindruck, dass es nicht zu einer Frau passe, einen technischen Beruf zu wählen. «Das ist nur im Kopf», betont Duca Widmer.

Durchbrach die Tessinerin bei ihrer Studienwahl die Stereotype, kämpfte sie bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie schon wieder gegen gängige Rollenbilder. Sie war 30-jährig, als ihr erster Sohn zur Welt kam. Für ihren Job in der Lebensmittelindustrie musste sie viel reisen. Bald war ihr zweiter Sohn unterwegs, und ihr war klar: «Mit zwei Kindern war meine Tätigkeit in der Form nicht mehr möglich.»

Die hässlichsten Kuchen

Sie machte sich mit einem eigenen Unternehmen selbständig. Mit ihrem Ingenieurbüro Ecorisana in Taverne in der Nähe von Lugano TI bietet sie seither Beratungen im Umweltschutzbereich an, mit Fokus auf Risikoanalyse und Altlasten.

Allerdings gab es im Tessin wenig Verständnis für Mütter, die 100 Prozent arbeiteten. Für ihre Familie sei es fast eine Schande gewesen, dass die Tochter mit Kindern einen Beruf ausübte. In die Krippe durfte sie die Kinder nicht bringen. Diese war damals nur für Sozialfälle gedacht. «Ihr Mann verdient genug, sie dürfen zu Hause bleiben und selbst die Kinder hüten», habe man ihr zu verstehen gegeben. Sie stellte darauf ein Au-pair und eine Haushaltshilfe ein.

Dass ihr Entscheid, weiterzuarbeiten, gesellschaftliche Probleme bereiten würde, sei ihr bewusst gewesen. Ihrem Mann, einem Deutschschweizer, habe sie schon vor der Hochzeit klargemacht: «Ich werde auch mit Kindern weiter arbeiten.»

Manchmal habe sie gedacht, sie verbringe zu wenig Zeit mit den Kindern. Aber ihre inzwischen erwachsenen Söhne erlebten die berufstätige Mutter positiv. Nur, dass sie mangels Zeit die hässlichsten Kuchen backte, sei den Kindern geblieben. Dass ihre Kuchen hässlich sind, zählte zu den harmloseren Vorwürfen, die sie sich anhören musste. Von ihren Zielen liess sie sich dadurch nicht abhalten. Das Ruag-Präsidium stellt sie als natürlichen Karriereschritt dar.

In die Politik gerutscht

Vor dieser Krönung ihrer Laufbahn hat sie ihren Horizont noch deutlich weiter ausgebaut. Der Einstieg in die Politik sei eigentlich ein Zufall gewesen, sagte sie. Als Präsidentin der Camera Tecnica del Canton Ticino habe sie immer gepredigt, wie wichtig es sei, die Interessen der Ingenieure im Grossrat zu vertreten. Sie musste somit als gutes Beispiel vorangehen und liess sich auf eine Liste der CVP setzen. Obwohl sie nicht damit rechnete und keine grosse Kampagne machte, wurde sie gewählt.

Heute wisse sie nicht mehr, wie sie das gemacht habe mit zwei kleinen Kindern und einer Firma. Nachträglich ist sie froh, dass sie in die Politik rutschte, später sogar Grossratspräsidentin wurde. Sie konnte sich für den Ingenieurberuf, Industrie und Forschung sowie für Frauen- und Menschenrechte einsetzen.

Gefragt nach ihrem Führungsstil antwortet sie: «Ich bin es gewohnt, Entscheidungen zu treffen.» An Gelegenheiten für schwierige Entscheide wird es ihr bei der neuen auszurichtenden BGRB-Gesellschaft nicht fehlen.

Mit der Ruag und dem Militär hatte sie schon als Mitglied der Rüstungskommission zu tun. Um die Militärgrade zu erkennen, hat sie sich einen Spickzettel gemacht, sagt sie schmunzelnd.

Chefin von über 9000 Ruag-Angestellten

Letzten Sommer entschied der Bundesrat, die für die Schweizer Armee tätigen Geschäftseinheiten der Ruag von den internationalen Bereichen zu trennen. So soll das weltweit tätige Luft- und Raumfahrttechnologieunternehmen danach schrittweise privatisiert und an die Börse gebracht werden.

Juristisch wird die Ruag Holding AG Anfang 2020 in die neue Beteiligungsgesellschaft BGRB mit zwei Subholdings überführt: Einerseits die MRO Schweiz, die mit rund 2500 Mitarbeitenden für die Armee tätig sein wird, andererseits die Ruag International für die übrigen Geschäftsbereiche mit rund 6500 Mitarbeitenden, wovon zwei Drittel im Ausland beschäftigt sind.

BGRB-Verwaltungsratspräsidentin Monica Duca Widmer sieht die Hauptaufgabe der Beteiligungsgesellschaft in der Vermittlung zwischen dem Besitzer Bund und den Subholdings. Davon, dass sie eigentlich eine langweilige, von der Armee abhängige Schweizer Tochter und eine Internationale Tochter mit Wachstumspotenzial verantworte, will die Präsidentin nichts wissen. «Beide Töchter sind hübsch und haben Potenzial», wehrt sie sich.

Die MRO Schweiz habe als Industriepartnerin der Armee sehr viele interessante Aufgaben. Zum Serviceteil gehöre etwa die Simulation der Flieger und die Entwicklung neuer Technologien für die Verteidigung.

Ruag International ist eine Kapazität in den Bereichen Luft- und Raumfahrt. So werden in Emmen beispielsweise Nutzlastverkleidungen für die Ariane-Raketen hergestellt. Bei Forschungsprojekten besteht eine Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) bei Spitzenprodukten. Noch würden Flugzeuge mit Metall hergestellt. Aber was in der Raumfahrt gemacht werde, lässt sich laut Duca Widmer auch in der Luftfahrt anwenden. Claudia Gnehm

Letzten Sommer entschied der Bundesrat, die für die Schweizer Armee tätigen Geschäftseinheiten der Ruag von den internationalen Bereichen zu trennen. So soll das weltweit tätige Luft- und Raumfahrttechnologieunternehmen danach schrittweise privatisiert und an die Börse gebracht werden.

Juristisch wird die Ruag Holding AG Anfang 2020 in die neue Beteiligungsgesellschaft BGRB mit zwei Subholdings überführt: Einerseits die MRO Schweiz, die mit rund 2500 Mitarbeitenden für die Armee tätig sein wird, andererseits die Ruag International für die übrigen Geschäftsbereiche mit rund 6500 Mitarbeitenden, wovon zwei Drittel im Ausland beschäftigt sind.

BGRB-Verwaltungsratspräsidentin Monica Duca Widmer sieht die Hauptaufgabe der Beteiligungsgesellschaft in der Vermittlung zwischen dem Besitzer Bund und den Subholdings. Davon, dass sie eigentlich eine langweilige, von der Armee abhängige Schweizer Tochter und eine Internationale Tochter mit Wachstumspotenzial verantworte, will die Präsidentin nichts wissen. «Beide Töchter sind hübsch und haben Potenzial», wehrt sie sich.

Die MRO Schweiz habe als Industriepartnerin der Armee sehr viele interessante Aufgaben. Zum Serviceteil gehöre etwa die Simulation der Flieger und die Entwicklung neuer Technologien für die Verteidigung.

Ruag International ist eine Kapazität in den Bereichen Luft- und Raumfahrt. So werden in Emmen beispielsweise Nutzlastverkleidungen für die Ariane-Raketen hergestellt. Bei Forschungsprojekten besteht eine Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) bei Spitzenprodukten. Noch würden Flugzeuge mit Metall hergestellt. Aber was in der Raumfahrt gemacht werde, lässt sich laut Duca Widmer auch in der Luftfahrt anwenden. Claudia Gnehm


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