Die Krise treibt sie in die Schweiz
Reiche Türken flüchten nach Luzern

Politische und wirtschaftliche Instabilität treibt türkische Unternehmer ins Ausland. Die Nachfrage nach einem «Ofis» (Geschäftssitz auf türkisch) in der Schweiz steigt.
Publiziert: 19.08.2018 um 04:23 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 17:42 Uhr
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Ferit Sahenk (54) ist mit einem Vermögen von rund 2,5 Milliarden Franken einer der reichsten Türken. Er ist Verwaltungsratspräsident der Dogus Holding. Dort arbeiten rund 40'000 Mitarbeiter für ihn in 250 verschiedenen Firmengesellschaften. Mit der Dogus Health & Wellness AG ist er auch in Luzern präsent. Über diese Firma hat er vergangenes Jahr das Park Hotel Weggis am Vierwaldstättersee gekauft.
Foto: Getty Images / Anadolu Agency
Harry Büsser

Mehmet Yildirimli ist in Istanbul für Switzerland Global Enterprise (S-GE) tätig, eine privatwirtschaftliche Organisation, die seit 90 Jahren den Export aus der Schweiz und Liechtenstein fördert: «Derzeit erhalte ich viele Anfragen von Unternehmen, die in der Schweiz investieren wollen. Unter ihnen sind insbesondere Rohstoffhändler und Medtechfirmen» (medizintechnische Unternehmen), sagt Yildirimli.

Ein Kanton tut sich in der Standortförderung besonders hervor: «Luzern konnte sich in der Türkei besonders erfolgreich präsentieren», betont Rouven Willimann, der im Kanton Luzern für Wirtschaftsförderung und die Neuansiedlung von Unternehmen zuständig ist. «Schon seit etwa zwei Jahren gibt es vermehrt interessierte türkische Unternehmer.»

Vor zwei Jahren verübten Teile des Militärs in der Türkei einen Putsch gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Der Staatsstreich scheiterte zwar, löste aber enorme politische Unsicherheit aus – und die ist Gift für das Geschäft. In den vergangenen Monaten verschärfte sich die Lage zusätzlich durch den Zerfall der türkischen Währung Lira.

Lira macht Planung unmöglich

Vor einem Jahr war die türkische Lira 28 Rappen wert, heute sind es nur noch 17 Rappen. Der Währungszerfall treibt türkische Unternehmer ins Ausland.
Foto: Infografik

Seit Sommer 2017 verlor die Lira 40 Prozent ihres Werts. Wegen der grossen Währungsschwankungen können türkische Unternehmen weder sinnvoll Preise kalkulieren noch Einnahmen und Ausgaben zuverlässig planen.

Kein Wunder, suchen sie Zuflucht im Ausland, mit Vorliebe auch in der Schweiz.
Anfragen erhält der Luzerner Standortförderer vor allem von türkischen Unternehmen in Privatbesitz, weniger von börsenkotierten Firmen.

Viele Interessenten wollen einen Teil ihres Geschäfts in der Schweiz ansiedeln, manchmal aber auch den Firmensitz ganz in die Schweiz verlegen.

Die Entwicklung habe sich dieses Jahr noch intensiviert, so Willimann. «Gerade in der vergangenen Woche hatte ich wieder zwei neue Anfragen aus der Türkei», sagt er. Es handle sich um zwei türkische Handelsgesellschaften, die mündlich bereits Zusagen gemacht hätten.

Besonders türkische Rohstoffhändler fühlten sich von Luzern angezogen. Dabei spielt der tiefe Steuersatz des Kantons eine Rolle – aber auch der Umstand, dass die Rohstoffbranche in Luzern und Umgebung bereits gut vertreten ist.

Der türkische Stahlhändler Acemar zum Beispiel hat den Schritt in die Schweiz bereits getan. Acemar-Geschäftsleitungsmitglied Eser Avunduk: «Die Schweiz ist das Zentrum des Rohstoffhandels, bietet hervorragende Finanz- und Bankdienstleistungen und der Talentpool ist beispiellos in der ganzen Welt. Bevor wir uns definitiv für Luzern entschieden, erkundeten wir diverse Kantone und konzentrierten uns zunächst auf Genf, Lugano und Zug. Unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren haben wir uns dann aber entschlossen, unseren neuen Hauptsitz im Kanton Luzern zu gründen.»

Türken kauften Weggis

Mit der Dogus Holding, einem türkischen Mischkonzern, hat sich mittlerweile auch eines der grössten türkischen Privatunternehmen in Luzern angesiedelt. Vergangenes Jahr kaufte die Dogus Health & Wellness AG das Park Hotel Weggis am Vierwaldstättersee. Nun soll das einstige Fünfsternehotel für mehrere Hundert Millionen Franken in ein Gesundheits- und Wellnesscenter umgebaut werden. Rund 400 Mitarbeiter werden dort beschäftigt sein.

Zur Mediensparte der Dogus Holding gehört auch das türkische GQ.
Foto: ZVG

Damit wird Dogus in der Schweiz über zwei Firmensitze verfügen: Die Luzerner Dogus Health ist unter dem Dach der Chenot-Gruppe bereits in Lugano TI angesiedelt, die wiederum mehrheitlich dem 1951 gegründeten Mischkonzern Dogus Holding mit Firmensitz in ­Istanbul gehört.

Die Dogus Holding beschäftigt mehr als 40'000 Mitarbeiter in 250 verschiedenen Firmen. Auch die Garanti Bank, eine der grössten Banken der Türkei, gehört dazu. Die Firma wurde im Jahr 1951 von dem inzwischen verstorbenen ­Ayhan Sahenk gegründet. Hervorgegangen aus einem Baukonzern, ist die Holding heute unter anderem im Autohandel aktiv, im Tourismus und in der Medienindustrie – die Dogus-Medien beherrschen rund zehn Prozent des türkischen Werbemarkts.

Ayhan Sahenks Sohn Ferit, der heutige Verwaltungsratspräsident, baute das Unternehmenskonglomerat mit Hauptsitz in Istanbul mittlerweile deutlich aus.

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