Die Hälfte der Jobs von Olten SO nach Istanbul abgezügelt
«Weltbild, Kündündienst, guten Tag»

Der Weltbild-Verlag entlässt in Olten Dutzende Kundendienst-Mitarbeiter. Nach Informationen von BLICK werden die Kunden von nun an von der Türkei aus bedient.
Publiziert: 13.03.2018 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:50 Uhr
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Der stationäre Handel in der Schweiz überlebt bei Weltbild, der Kundendienst nicht.
Foto: Zvg
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Der stationäre Handel in der Schweiz überlebt bei Weltbild, der Kundendienst nicht.
Foto: Zvg
Konrad Staehelin

Wer beim Schweiz-Ableger des Weltbild-Verlags anruft, landet ab April in der türkischen Millionen-Metropole Istanbul: Dorthin verlagert der Medien-Konzern die Kundendienststellen, die bisher am Schweizer Sitz in Olten SO angesiedelt waren.

Ein Betroffener schreibt in einem anonymen Brief an BLICK: «Über 20 Personen wurden gekündigt, jetzt arbeiten nur noch knapp 30 andere Verlagsmitarbeiter in Olten.»

Der Verlag, der seine Wurzeln in Augsburg (D) hat, habe die Entlassenen gerade noch den harten Weihnachtsverkauf bewältigen lassen und ihnen dann den blauen Brief geschickt.

Für Kunden soll sich nichts ändern

BLICK ruft auf die Kunden-Hotline an und fragt, ob das so stimme. «Ja, ich habe heute einen meiner letzten Arbeitstage nach vielen Jahren in diesem Job», sagt eine Mitarbeiterin. «Ich bin enorm traurig.»

Der Weltbild-Schatzmeister wird dagegen erfreut sein: Man richte sich auf die Zukunft aus und optimiere die internen Prozesse, schreibt der Konzern auf Anfrage und bestätigt, dass er in Olten abbaut. Auf Deutsch: Wo es sich vermeiden lässt, will man die hohen Schweizer Löhne einsparen. Im stationären Handel dagegen betreibt Weltbild in der Deutschschweiz nach wie vor 32 Filialen.

Weiter schreibt der Verlag: «Der Kundendienst wird künftig zentral bei der deutschen Konzernmutter angesiedelt.» Diese scheint den Auftrag dann von Istanbul aus durchführen zu lassen. Für die Kunden werde sich nichts ändern, versichert Weltbild.

Qualität sinkt

«All das überrascht mich nicht», sagt Raphael Raetzo (42), Vorstandsmitglied beim Verband der Schweizer Callcenter Callnet. «Bei ausländischen Firmen ist es oft so, dass sie ihre Kundendienste aus dem Hochpreisland Schweiz abziehen.»

Hinzu komme beim Weltbild-Fall, dass die Verlagsbranche durch die Digitalisierung unter Druck gekommen sei – da müsse man sparen, wo es nur geht. «Viele Callcenter für den deutschsprachigen Markt haben sich in den letzten Jahren für Istanbul entschieden. Viele günstige Arbeitskräfte dort sind in Deutschland aufgewachsen und in die Türkei zurückgekehrt.»

Der grosse Nachteil ist dagegen laut Raetzo, dass die Qualität nicht mehr die gleiche sei. «Viele Schweizer fühlen sich nicht wohl, wenn sie auf Hochdeutsch beraten werden – oder gar auf Englisch oder in brüchigem Deutsch. Vielleicht entscheiden sich ein paar Kunden darum für die Konkurrenz.» Darüber wäre der Weltbild-Schatzmeister dann weniger erfreut.

Auskunft aus dem Ausland

Der Kundendienst ist ein wichtiges Aushängeschild einer Firma. Die meisten Schweizer Unternehmen erkennen das – und bedienen ihre Kunden auf Schweizerdeutsch. Dagegen machen vor allem ausländische Konzerne mit Schweizer Standbein Schlagzeilen mit Auslagerungen:

Der US-Konzern KGB Gruppe strich 2015 66 Stellen bei seiner Tochter, der Telefon-Auskunft 1818 in Biel BE. Die Telekommunikations-Anbieterin Sunrise, deren grösste Aktionärin die deutsche Freenet AG ist, betreibt den Kundendienst teilweise aus der Türkei.

Ein Beispiel für Swissness dagegen ist der Sackmesser-Hersteller Victorinox. Als 2015 dessen Online-Shop öffnete, betreute man die Kunden zwar während kurzer Zeit von Deutschland aus. Als man die nötigen Strukturen in der Schweiz aufgebaut hatte, zügelte man wieder an den Hauptsitz in Ibach SZ.

Vor allem ausländische Konzerne mit Schweizer Standbein, betreiben den Kundendienst aus dem Ausland.
Vor allem ausländische Konzerne mit Schweizer Standbein, betreiben den Kundendienst aus dem Ausland.
KEYSTONE/MARTIN RUETSCHI

Der Kundendienst ist ein wichtiges Aushängeschild einer Firma. Die meisten Schweizer Unternehmen erkennen das – und bedienen ihre Kunden auf Schweizerdeutsch. Dagegen machen vor allem ausländische Konzerne mit Schweizer Standbein Schlagzeilen mit Auslagerungen:

Der US-Konzern KGB Gruppe strich 2015 66 Stellen bei seiner Tochter, der Telefon-Auskunft 1818 in Biel BE. Die Telekommunikations-Anbieterin Sunrise, deren grösste Aktionärin die deutsche Freenet AG ist, betreibt den Kundendienst teilweise aus der Türkei.

Ein Beispiel für Swissness dagegen ist der Sackmesser-Hersteller Victorinox. Als 2015 dessen Online-Shop öffnete, betreute man die Kunden zwar während kurzer Zeit von Deutschland aus. Als man die nötigen Strukturen in der Schweiz aufgebaut hatte, zügelte man wieder an den Hauptsitz in Ibach SZ.

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