Die grosse Verschwörung der Wall Street?
Finanz-Drama um zweitreichsten Mann der Welt

Nate Anderson ist 38 und Chef eines Hedgefonds in New York. Seine Übernamen: Neuling, Aktivist, Riesentöter. Sein Angriff auf den indischen Mega-Konzern Adani hält die Börsen weltweit in Atem. Blick erklärt das Finanzdrama rund um den zweitreichsten Mann der Welt.
Publiziert: 01.02.2023 um 10:29 Uhr
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Aktualisiert: 01.02.2023 um 15:28 Uhr
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Im Fokus: Gautam Adani, der reichste Mensch Asiens und der zweitreichste der Welt.
Foto: AFP
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Nicola ImfeldTeamlead Wirtschaft-Desk

Die Wall Street liefert gerade Stoff für einen Hollywood-Streifen. In der Hauptrolle: ein US-Hedgefonds und der reichste Mann Asiens. Wer der Held und wer der Bösewicht ist? Unklar!

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«Die Adani-Gruppe hat Indien systematisch ausgeplündert.»
Hedgefonds Hindenburg
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Der Hedgefonds trägt den Namen Hindenburg – eine bewusste Anspielung auf die «Hindenburg»-Katastrophe im Jahr 1937, als ein Zeppelin beim Landeanflug nahe New York in Flammen aufging und 36 Menschen ums Leben kamen.

Vergangene Woche schockierte Hindenburg die Anlegerinnen und Anleger der Wall Street: Der Hedgefonds – ein Investmentfonds mit hochspekulativer Anlagestrategie – publizierte einen Bericht zur Adani-Gruppe, einem Mega-Konzern aus Indien. «Das ist eines der ungeheuerlichsten Beispiele für Unternehmensbetrug in der Geschichte», schrieb Hindenburg dazu.

Die Adani-Gruppe soll Indien «systematisch ausgeplündert» haben, so der schwere Vorwurf der US-Investmentfirma. Im Kern des Berichts geht es um den Verdacht der Kursmanipulation und Bilanzfälschung mithilfe eines Geflechts aus Briefkastenfirmen. Auf den ersten Blick mutet der Bericht seriös an – die Vorwürfe sind laut US-Medien minuziös belegt, bis ins letzte Detail.

38-jähriger Aktivist vernichtet Milliarden

Chef der Adani-Gruppe ist Gautam Adani (60), der reichste Mann Asiens und der zweitreichste Mensch der Welt. Er hat das Konglomerat – ein Mischkonzern – 1988 gegründet. Heute ist die Gruppe der grösste Hafen- sowie einer der führenden Flughafenbetreiber und Logistiker Indiens.

Gautam Adani war letzte Woche noch 112 Milliarden Franken schwer. Heute sind es noch 85 Milliarden Franken. Adani hat wegen des Berichts von Hindenburg innert Tagen 27 Milliarden Franken (!) verloren. Seine Gruppe hat im gleichen Zeitraum 65 Milliarden Franken an Wert eingebüsst.

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«Das ist eine kalkulierte Attacke auf die Wachstumsgeschichte und die Ambitionen Indiens»
Gautam Adani
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Diese Wertvernichtung hat Nate Anderson (38) zu verantworten. Er ist der Chef von Hindenburg, gilt an der Wall Street als Neuling und Aktivist. Anderson war es, der den Bericht gegen die Adani-Gruppe vor zwei Jahren in Auftrag gegeben hat. «Wir glauben, dass Indien eine lebendige Demokratie und eine aufstrebende Supermacht mit einer spannenden Zukunft ist», sagte er letzte Woche. «Wir glauben auch, dass Indiens Zukunft durch Adani behindert wird.»

Er legte sich schon mit Elon Musk an

Anderson, der weisse Ritter, der sich um die Demokratie Indiens sorgt? Nicht wirklich. Mit seinem Hedgefonds hat er eine grosse «Short-Position» gegen den indischen Mega-Konzern. Bedeutet: Anderson hat mit Hindenburg auf sinkende Kurse von Adani gewettet. Der jüngste Kurszerfall bedeutet Zahltag für Anderson und seine Investmentfirma.

Bereits im Sommer 2022 hat sich Anderson mit einem Grossen angelegt. Damals schoss der Aktivist gegen Elon Musk (51) und Twitter. Seine Wetten gegen den Kurznachrichtendienst waren allerdings nicht so erfolgreich wie jetzt. Den Übernamen «Riesentöter» hat Anderson trotzdem bereits auf sicher.

Bericht sei eine «riesige Lüge»

Doch Gautam Adani will nicht ohne Kampf untergehen. Am Wochenende hat er eine Werbeoffensive gestartet – mit Anzeigen auf den Titelseiten der grössten indischen Zeitungen. Am Montag dann der Schritt vor die Weltöffentlichkeit. In einem mehr als 400 Seiten langen Dokument versuchte der 60-Jährige den Verdacht zu entkräften, dass es bei seinem Aufstieg zu einem der reichsten Menschen der Welt nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. «Der Hindenburg-Bericht ist eine riesige Lüge», so Adani.

Er wittert eine Verschwörung der Wall Street: «Das ist eine kalkulierte Attacke auf die Wachstumsgeschichte und die Ambitionen Indiens.»

Affäre schadet auch Indiens Premierminister

Was an den Vorwürfen des Hindenburg-Berichts wirklich dran ist? Ungewiss. Neben den Verwerfungen an den Börsen und den finanziellen Auswirkungen für Adani könnte die Saga auch eine politische Komponente haben. Denn für Indiens konservativen Premierminister Narendra Modi (72) entwickelt sich der Skandal immer mehr zum Problem – und das im Jahr vor der nächsten Parlamentswahl.

Die Opposition schlachtet die Hindenburg-Adani-Affäre aus. Sie wirft Modi vor, zu enge Beziehungen mit dem reichen Geschäftsmann zu pflegen – und spekuliert öffentlich darüber, ob Adani von der Regierung gedeckt wird.

Ob eine Verschwörung der Wall Street, ein Angriff auf Indien oder der nächste grosse Finanzskandal? Noch gibt es viele offene Fragen. Fortsetzung folgt.

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