Die Folgen der Gier
WC-Papier wird zum Ladenhüter

Am Anfang der Krise deckten sich die Haushalte mit massenhaft WC-Papier ein. Jetzt hat der grosse Ausverkauf begonnen. Produzenten stellen sich auf eine tiefere Nachfrage ein.
Publiziert: 03.06.2020 um 10:32 Uhr
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Aktualisiert: 03.06.2020 um 10:52 Uhr
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Die Situation im März: Alle hamstern WC-Papier.
Foto: Keystone
Marc Iseli

Im März waren die Regale wie leergefegt. Die Menschen türmten WC-Papier in ihrem Einkaufswagen. Sie kauften einen ganzen Jahresvorrat. Die Detailhändler kamen nicht mehr nach mit dem Auffüllen. Das hat die Hamster-Stimmung zusätzlich angeheizt. Die Wägeli füllten sich noch mehr.

Die Migros sah sich genötigt, den Kunden zu sagen, dass nur noch eine Packung pro Kunde gekauft werden könne. Der orange Riese entwickelte ein Tool, das über den Lagerbestand von WC-Papier in einer Migros-Filiale orientierte. Die Online-Läden konnten schon längst nicht mehr liefern.

Jetzt kommt der grosse Ausverkauf. Bei Coop hat der WC-Papier-Sale begonnen. Das Big Business mit dem grossen Geschäft ist vorbei. Auf Paletten türmen sich das Dreilagige, Vierlagige und das Fünflagige. 40 Prozent Rabatt gewährt der Detaillist. Ein klares Zeichen dafür, dass WC-Papier zum Ladenhüter mutiert.

Tiefere Nachfrage zeichnet sich ab

Die Entwicklung war absehbar. Die Keller sind voll. Es gibt keinen Grund, noch mehr WC-Papier zu horten. In Deutschland ist der Nachfrage-Rückgang bereits statistisch belegt. Die Verkaufszahlen für trockenes Klopapier ist im Mai um einen Drittel eingebrochen. Bereits im April zeigte sich eine gewisse Zurückhaltung. Der grosse Kaufrausch vom März wirkt ganz offensichtlich nach.

In der Schweiz fehlt eine entsprechende Auswertung. Die Migros sagt aber, dass die Situation «nicht vergleichbar mit jener vor ein paar Wochen» sei. Und die Produzenten stellen sich bereits auf eine tiefere Nachfrage ein. «Wir gehen davon aus, dass sich die Hamsterkäufe in den kommenden Monaten bemerkbar machen und die Nachfrage infolgedessen leicht zurückgehen wird», sagt Hakle-Sprecherin Natalie Repond.

Hakle gehört zum amerikanischen Kimberly-Clark-Konzern. Das Unternehmen betreibt einen Standort in Niederbipp BE. Der Schriftzug «Hier wird's gemacht» ist gut sichtbar von der Autobahn zwischen Bern und Zürich. 1,3 Millionen WC-Papier-Rollen stellt Hakle in der Regel pro Tag her.

Produktion am Limit

In der Corona-Krise waren es 1,5 Millionen pro Tag. Hakle hat das Maximum aus seiner Anlage herausgeholt. Im Vier-Schicht-Betrieb liefen die Maschinen heiss. Aus Holz wurde ein Zellulose-Brei, mit ganz viel Wasser verdünnt, dünn gesprüht, schliesslich erhitzt. So entstand wieder und wieder ein Rollenberg, der am Ende in 12,5 Zentimeter lange Stücke geschnitten wurde.

«Wir produzieren seit März unter Volllast, und die Kapazitätsauslastung liegt heute immer noch bei 100 Prozent, obwohl sich die Nachfrage langsam wieder normalisiert», so Repond. «Da die Situation im März und April zum Ausverkauf all unserer Produkte geführt hat, nutzen wir diese Kapazität, um unsere Lagerbestände aufzustocken, so dass wir bei einem Anstieg der Nachfrage genügend Hakle-Produkte zur Verfügung haben.»

Ab Juli rechnet Hakle damit, die Lager wieder gefüllt zu haben. Dann beginnt die Rückkehr zum Courant normal. Die Produktion wird auf die bekannten 1,3 Millionen Rollen pro Tag reduziert werden.

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