Die bewegte Historie der Schweizer Altkleider-Spenden
Die Geschichte vom dubiosen Lumpenkönig

Beim Geschäft mit Altkleiderspenden teilten Hilfswerke die Gewinne früher mit zum Teil dubiosen Händlern. Nachdem sich einer von diesen in die Karibik abgesetzt hatte, kam Texaid ins Geschäft.
Publiziert: 23.02.2019 um 23:48 Uhr
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Aktualisiert: 02.03.2019 um 20:19 Uhr
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Der Lumpenkönig Bruno Borner lässt sich im August 1977 in der «Schweizer Illustrierten» als wohltätiger Multimillionär mit Pferd portraitieren.
Foto: Zvg
Harry Büsser
Harry BüsserRedaktor Sonntagsblick

In den 1970er-Jahren zieht ein Schweizer Lumpenkönig die Hilfswerke mit dem Altkleidergeschäft über den Tisch, fliegt auf und setzt sich nach Paraguay ab. Anschliessend übernimmt ein Deutscher die Führung im Alt­kleidergeschäft in der Schweiz. 
Es ist der Grossvater des heutigen Geschäftsführers von Texaid.

Das ist die bewegte Geschichte des Lumpengeschäfts: In den Sechzigerjahren hat Walter Kretschmar in Deutschland die Idee, im Altkleidergeschäft Hilfswerke einzubinden. Er überzeugt das Deutsche Rote Kreuz, bedruckte Plastik­säcke in alle Haushalte zu verteilen, und sammelt Tausende Tonnen Altkleider.

Im Jahr 1970 will er in die Schweiz expandieren, fragt bei Schweizer Hilfswerken nach ­einer Zusammenarbeit. Die lehnen die Idee zuerst ab, realisieren jedoch später, wie einträglich sie ist, und übernehmen Kretschmars Idee. Allerdings wollen sie nicht mit einem Deutschen, sondern lieber mit einem Schweizer Altkleiderhändler zusammenarbeiten und finden Bruno Borner. Sechs Hilfswerke schliessen sich mit ihm zusammen, in der Firma Tex-Out.

Hilfswerke kündigen den Vertrag

Das Geschäft läuft so gut, dass Borner schnell zum Multimillionär wird. In der «Schweizer Illustrierten» lässt er sich im August 1977 als Lumpenkönig porträtieren und ­posiert mit Pferd unter dem Titel: «Er macht aus Lumpen Millionen». Lumpenkönig genannt zu werden, sei für Borner ein Kompliment, steht im Bericht. Schliesslich helfe er armen Familien in der Dritten Welt. Der damals 38-jährige Borner zeigt seine Villa im aargauischen Veltheim mit standesgemässer Schwimmhalle und seinem eigenen Reitstall mit sieben Pferden.

Medien beginnen die grossen Gewinne von Borner zu kritisieren. Gemäss einem Bericht der Wochenzeitung «WOZ» stellen sich die Hilfswerke aber zunächst hinter ihn und verteidigen das Geschäft. Dann sind sie doch neugierig und senden einige Bahnwaggons Altkleider nach Deutschland zum Alttextilunternehmer Heinz Knecht. Dieser beziffert den Wert der Textilien, die früher bei Borner gesammelt wurden, auf ein Mehr
faches.

Die Hilfswerke kündigen den Vertrag mit Borner. Dieser setzt sich nach Paraguay ab, wird aber auf seiner Yacht in der Karibik gefasst. Da die Hilfswerke 100'000 Franken Forderungen ausstehend haben, wird Borners Yacht liquidiert. Borner verschwindet, wie die «WOZ» notiert.

Texaid war früher transparenter

Das Geschäft führen die Hilfswerke anschliessend mit Heinz Knecht weiter. Man gründet dafür die Firma Texaid. Knecht ist der Grossvater des heutigen Chefs der Firma. In einem Bericht aus dem Jahr 1985 kritisiert die «WOZ» das Geschäft mit Knecht: Er verkaufe die Altkleider an eine Firma, die ihm selber gehöre, dann weiter ins Ausland.

Einzelne Kategorien der Kleider kaufe Knecht auch wieder über seine Betriebe in Deutschland auf und handle mit ihnen weiter. «Die Hilfswerke verlieren dabei den Überblick vollends», schreibt die «WOZ». Und weiter: «Eine Verschiebung der Gewinne wäre für Knecht leicht zu bewerkstelligen.» Die Hilfswerke hätten aber Vertrauen in die Integrität von Knecht. Zudem hätten sie Einblick in die ­Geschäfte von Texaid über die zwei Verwaltungsräte, die sie bei Texaid stellen.

Das ist noch heute so. Im Unterschied zu damals besitzt die Familie um den heutigen CEO aber 
nicht mehr nur 48,8 Prozent, ­sondern 50 Prozent an Texaid. Damals scheint Texaid auch noch deutlich transparenter gewesen zu sein. Die Dividende an die Inves­toren wurde im Jahr 1984 noch 
mit exakt 75'000 Franken angegeben. Dabei sammelte die Firma zu jener Zeit erst 9300 Tonnen Alt­kleider. Heute ist es das Vier­fache.

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