Das Alter bringt nicht nur Negatives, sondern auch die grosse Chance, noch mal voll durchzustarten. Wer findet, er habe genug gearbeitet, macht am besten eine Aufstellung seiner monatlichen Kosten und überlegt, wie viel Geld er zum Leben braucht. Auch Ralf Grubert (64) hat vor seiner Frühpensionierung ein Budget gemacht (siehe Box am Textende).
Wichtig ist, so früh wie möglich einen Sparprozess einzuleiten, um die finanzielle Lücke wettzumachen, die durch die frühere Pensionierung entsteht.
Doch wie hoch ist die Einbusse, wenn sich beispielsweise ein Mann zwei bis drei Jahre früher pensionieren lassen will? Die Experten von VZ Vermögenszentrum machen in ihrer Studie «Frühpensionierung» folgende Rechnung: «Die Kosten einer Frühpensionierung mit 64 statt mit 65 Jahren entsprechen etwa einem Jahresgehalt.»
Es fällt ein Jahreseinkommen weg (man arbeitet ja bereits im Alter von 64 Jahren nicht mehr). Dafür muss man wegen des geringeren Einkommens weniger Einkommenssteuern bezahlen – die AHV-Beiträge müssen aber doch noch bis zum regulären AHV-Alter gezahlt werden. Und dann fällt natürlich die Pensionskassenrente wegen des Vorbezugs lebenslang tiefer aus.
Sparen, sparen, sparen
Wegen der finanziellen Lücke ist es angezeigt, mit unterschiedlichen Sparmassnahmen ein finanzielles Polster anzuhäufen. Fachleute raten zu privatem Sparen mit Wertschriften oder zu einem Einkauf in die Pensionskasse. Letzteres ist nicht mehr so attraktiv wie auch schon, weil die Verzinsung der Gelder in der Pensionskasse immer tiefer gefallen ist, was auch für den Umwandlungssatz gilt. Zudem sind heute die Ängste grösser, dass Pensionskassen in finanzielle Schieflagen geraten könnten.
Generell lohnen sich Einkäufe am meisten in den letzten Jahren vor der Pensionierung, wenn das steuerbare Einkommen am höchsten ist und das Altersguthaben demnächst bezogen wird. Allerdings: Wer sein Altersguthaben teilweise oder ganz als Kapital beziehen will, muss sich spätestens drei Jahre vor dem Bezug einkaufen, ansonsten müssen die Steuern, die man dank dem Einkauf gespart hat, nachgezahlt werden.
Neben dem Einkauf in die Pensionskasse lohnt sich das Sparen in der Säule 3a. Einzahlungen können von den Steuern abgezogen werden. Erwerbstätige, die einer Pensionskasse angehören, können 2019 maximal 6826 Franken in die Säule 3a einzahlen. Für Erwerbstätige ohne Pensionskasse beträgt die gesetzliche Limite 20 Prozent des massgebenden Einkommens, jedoch höchstens 34 128 Franken.
Das kann sich auch lohnen
Es lohnt sich, mehrere Konti der Säule 3a zu eröffnen, denn das Geld muss pro Konto auf einen Schlag bezogen werden. Aber wer mehrere Konti eröffnet hat, kann diese auf mehrere Jahre verteilt beziehen. So kann das Einkommen pro Jahr tiefer gehalten werden, was wegen der progressiven Steuersätze Steuerersparnisse bringt.
Auch in der Säule 3a gibt es Wertschriften-Lösungen. Vorsorgeberater Karl Flubacher: «Wegen der tiefen Zinsen lohnt es sich, in Wertschriften zu investieren.» Im Verhältnis zu einem normalen Säule-3a-Sparkonto könne man bis zu dreimal mehr Gewinn generieren.
Die Swiss-Life-Fachleute empfehlen zudem, zu überlegen, wie man das Pensionskassengeld erhalten möchte. Denn je nach Pensionskassenreglement gibt es bis zu drei Möglichkeiten, das Guthaben zu beziehen: als monatliche Rente, als Kapitalauszahlung oder als Kombination aus beidem. Swiss Life rät, sich Zeit für die Entscheidung zu nehmen – denn sie kann nicht rückgängig gemacht werden.
Swiss-Life-Sprecherin Fabienne Schneider: «Welche Auszahlungsform gewählt werden soll, hängt von der individuellen Situation und den Prioritäten ab. Die Mischform – also den grösseren Teil der Vorsorge als Rente und einen kleinen Teil als Kapital zu beziehen – ist aus unserer Sicht oft eine sinnvolle Lösung.
Verschuldung versus Rentenbetrag
Was bei den Berechnungen für die Lebenskosten oft untergeht, ist die saubere Analyse der aktuellen Verschuldung. Wer beispielsweise noch ein Haus oder eine Eigentumswohnung abbezahlen muss, kann bei falscher Berechnung rasch in die Schuldenfalle geraten. Denn laut Auskunft von Vorsorgeberatern sollten die Renten der Pensionskasse und AHV eigentlich 60 Prozent des früheren Lohnes ausmachen. Aber dem ist heute nicht mehr so. Karl Flubacher: «Heute sehen wir viele Kunden, bei denen das Einkommen unter 50 Prozent des letzten Lohnes liegt.»
Darum sollte die Gesamtverschuldung auf der eigenen Liegenschaft zum Zeitpunkt der Pensionierung eher tiefer sein als bei Erwerbstätigen. Die Banken sind bei der Finanzierung von Wohneigentum von Frühpensionären strikt. Dies bestätigt Sandra Aebli von der Aargauer Kantonalbank: «Zum Zeitpunkt einer frühzeitigen Pensionierung muss einerseits die Hypothek unter zwei Dritteln des Liegenschaftswertes liegen und anderseits dürfen die kalkulierten Kosten maximal 40 Prozent des zu erwartenden Renteneinkommens ausmachen.»
Ein Rechenbeispiel
Karl Flubacher rechnet vor: «Eine Wohnung kostet beispielsweise 1 Million Franken. Hinzu kommen 1 Prozent für Unterhalt und Nebenkosten plus 5 Prozent des Hypothekarvolumens. Nehmen wir an, der Eigentümer hat eine Hypothek in der Höhe von 600 000 Franken, dann kostet das bei einem kalkulatorischen Hypothekarzinssatz von 5 Prozent bereits 30 000 Franken jährlich.» So wird zur Sicherheit gerechnet, auch wenn wir aktuell immer noch Tiefstzinssätze haben. «Damit ich diese Kosten stemmen kann, brauche ich als Frührentner ein Jahreseinkommen von rund 120 000 Franken, damit die Wohnung langfristig tragbar bleibt.»
Die Raiffeisenbanken geben ihren Kundinnen und Kunden noch zwei weitere wertvolle Tipps betreffend Steuern und Versicherungen. Mit der Frühpensionierung erlischt die obligatorische Unfallversicherung beim Arbeitgeber. Es besteht jedoch die Möglichkeit einer «Abredeversicherung nach Art. 3, Abs. 3 des Unfallversicherungsgesetzes», die während maximal 180 Tagen noch einen weiteren Versicherungsschutz bietet. Danach sollte eine Unfallversicherung bei der Krankenkasse abgeschlossen werden.
Steuerbelastung genau berechnen lassen
Raiffeisen-Sprecherin Angela Rupp nennt die Vorteile der Abredeversicherung: «Wer in Frühpension geht, kann mit der Abredeversicherung seinen Versicherungsschutz für maximal sechs Monate verlängern. Und: Neben den Unfallkosten ist bei der Abredeversicherung auch der Lohn versichert.» Raiffeisen Schweiz empfiehlt die Versicherung übrigens auch Personen, die beim Stellenwechsel keinen nahtlosen Übergang haben.
Bei den Steuerausgaben mahnt Raiffeisen übrigens zur Vorsicht. Viele (Früh-) Pensionierte überschätzten nämlich, wie stark ihre Steuerbelastung ohne festen Lohn sinken wird. Renten von neuen Pensionären seien vollumfänglich steuerpflichtig, wichtige Abzüge wie die Berufspauschale oder die Kosten für den Arbeitsweg respektive das Mittagessen auswärts fallen weg. Zudem darf man ohne AHV-pflichtiges Einkommen nicht mehr in die steuergünstige Säule 3a einzahlen.
Ralf Grubert (63) hat sich frühpensionieren lassen. Er arbeitete viele Jahre als Diplomingenieur Elektrotechnik bei GE (General Electric). Als die ersten Kündigungswellen kamen, überlegte er sich, ob er abspringen soll. Ralf Grubert: «Als die Massenentlassung kam, war ich 61. Zu meiner eigenen Sicherheit erkundigte ich mich schon mal nach einem möglichen Sozialplan, war aber nicht betroffen von einer Kündigung. Damals hiess es, unser Standort sei nicht betroffen.» Kurz vor seinem 63. Geburtstag hiess es, weitere Entlassungen würden folgen. «Da hatte ich wirklich genug und liess mich frühpensionieren», so Grubert. Aus heutiger Sicht sei dies sein bester Entscheid gewesen. «Ich bin froh, dass ich nicht mehr zur Arbeit gehen muss. Die Frühpensionierung war meine Chance für einen Neustart.»
Lohneinbusse Doch wie sieht die finanzielle Lage nun aus? «Ich habe ein eigenes Haus, aber dank den billigen Hypotheken ist das kein Problem. Was einen erschlägt, sind die Kosten für den Eigenmietwert. Wer in Frühpension geht, hat vielleicht noch einen Viertel des ursprünglichen Jahreslohns zur Verfügung», sagt Ralf Grubert. Eine massive Einbusse also. Anderseits müsse er nicht mehr arbeiten, habe eine bessere Lebensqualität, fühle sich gesünder. «Auch die ganze Jobunsicherheit ist weg. Das wiegt die Lohneinbusse längst auf», resümiert der Frühpensionär. Nun frönt er seinem Hobby: Er fährt mit dem Camper und den Hunden durch Europa. «Auch mit weniger Geld ist das Leben extrem lebenswert.
Ich habe mir zu Beginn überlegt, wo ich Kosten einsparen kann, beispielsweise beim Auto oder den Versicherungen.» Konkret tauschte er seinen Wagen gegen ein kleineres Modell, das Motorrad hat er verkauft und die Versicherungen hat Grubert nun bei einer einzigen Versicherung, was ihm eine gewisse Ersparnis brachte. «Ich habe auch die Vollkasko für das Auto in eine Teilkasko-Versicherung umgewandelt», fügt er hinzu. Das Einzige, was ihm nach vierzig Berufsjahren manchmal fehlt, sind einige Arbeitskollegen, das soziale Umfeld auf Berufsebene. «Mir fehlen auch die technischen Gespräche mit Kunden und Lieferanten, ansonsten bin ich rundum zufrieden.»
Machen! Sein Rat an andere, die sich ebenfalls früher pensionieren lassen möchten? Ralf Grubert: «Machen! Positiv in die Zukunft gehen. An die Freizeit denken, Ballast abwerfen. Es ist eine Chance für den Neuanfang. Je früher man geht, desto jünger und knuspriger ist man.» (Karin Müller, «Handelszeitung»)
Ralf Grubert (63) hat sich frühpensionieren lassen. Er arbeitete viele Jahre als Diplomingenieur Elektrotechnik bei GE (General Electric). Als die ersten Kündigungswellen kamen, überlegte er sich, ob er abspringen soll. Ralf Grubert: «Als die Massenentlassung kam, war ich 61. Zu meiner eigenen Sicherheit erkundigte ich mich schon mal nach einem möglichen Sozialplan, war aber nicht betroffen von einer Kündigung. Damals hiess es, unser Standort sei nicht betroffen.» Kurz vor seinem 63. Geburtstag hiess es, weitere Entlassungen würden folgen. «Da hatte ich wirklich genug und liess mich frühpensionieren», so Grubert. Aus heutiger Sicht sei dies sein bester Entscheid gewesen. «Ich bin froh, dass ich nicht mehr zur Arbeit gehen muss. Die Frühpensionierung war meine Chance für einen Neustart.»
Lohneinbusse Doch wie sieht die finanzielle Lage nun aus? «Ich habe ein eigenes Haus, aber dank den billigen Hypotheken ist das kein Problem. Was einen erschlägt, sind die Kosten für den Eigenmietwert. Wer in Frühpension geht, hat vielleicht noch einen Viertel des ursprünglichen Jahreslohns zur Verfügung», sagt Ralf Grubert. Eine massive Einbusse also. Anderseits müsse er nicht mehr arbeiten, habe eine bessere Lebensqualität, fühle sich gesünder. «Auch die ganze Jobunsicherheit ist weg. Das wiegt die Lohneinbusse längst auf», resümiert der Frühpensionär. Nun frönt er seinem Hobby: Er fährt mit dem Camper und den Hunden durch Europa. «Auch mit weniger Geld ist das Leben extrem lebenswert.
Ich habe mir zu Beginn überlegt, wo ich Kosten einsparen kann, beispielsweise beim Auto oder den Versicherungen.» Konkret tauschte er seinen Wagen gegen ein kleineres Modell, das Motorrad hat er verkauft und die Versicherungen hat Grubert nun bei einer einzigen Versicherung, was ihm eine gewisse Ersparnis brachte. «Ich habe auch die Vollkasko für das Auto in eine Teilkasko-Versicherung umgewandelt», fügt er hinzu. Das Einzige, was ihm nach vierzig Berufsjahren manchmal fehlt, sind einige Arbeitskollegen, das soziale Umfeld auf Berufsebene. «Mir fehlen auch die technischen Gespräche mit Kunden und Lieferanten, ansonsten bin ich rundum zufrieden.»
Machen! Sein Rat an andere, die sich ebenfalls früher pensionieren lassen möchten? Ralf Grubert: «Machen! Positiv in die Zukunft gehen. An die Freizeit denken, Ballast abwerfen. Es ist eine Chance für den Neuanfang. Je früher man geht, desto jünger und knuspriger ist man.» (Karin Müller, «Handelszeitung»)
Dieser Artikel wurde in der «Handelszeitung» veröffentlicht. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.handelszeitung.ch.
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