Die App Twint macht das Handy zum digitalen Portemonnaie
«Wir holen Apple vom hohen Ross»

Bald soll die ganze Schweiz mit Twint bezahlen. Verwaltungsratspräsident Jürg Weber (55), sagt warum
Publiziert: 18.12.2016 um 16:56 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:00 Uhr
Jürg Weber zeigt den QR-Code auf seinem Handy.  Damit kann er via Twint bezahlen. Der Twint-Verwaltungsratspräsident ist auch in der Geschäftsleitung des Betreibers der Schweizer Börse, Six.
Foto: Siggi Bucher
Moritz Kaufmann

Twint und Paymit waren Konkurrenz-Apps. Jetzt sind Sie plötzlich vereint und werden nächstes Jahr als Twint neu lanciert. Kann das gut gehen?
Es wäre für Twint und für Paymit sehr schwierig geworden, in diesem Markt bestehen zu können. Verständlich: Niemand will zig Apps zum Bezahlen auf dem Handy. Deshalb war von Anfang an der Gespräche sehr viel Goodwill von allen Seiten da: Von den Banken, von der Postfinance, von den Händlern. 

Twint war das Baby der Postfinance. Paymit von Six, UBS und Zürcher Kantonalbank. Wer hat jetzt den Lead?
Es gibt keinen Lead! Im Verwaltungsrat, den ich präsidiere, sind alle vertreten. Für mich ist es toll. Das Projekt ist hochkomplex, aber wir hatten nie Differenzen. Alle wollen gemeinsam die beste Lösung für die Schweiz. 

Wie viel kostet das ganze?
Das dürfen wir nicht sagen.

Technisch setzen Sie auf Bluetooth wie beim alten Twint, wie auch mit QR-Code wie früher bei Paymit. Das ist doch nicht benutzerfreundlich. 
Das könnte man denken. Ich hätte auch lieber nur auf QR-Codes gesetzt. Aber der Kunde ist König und der Kunde ist in diesem Fall auch der Handel. Die Händler möchten dem Kunden auch Nachrichten senden und Offline-Zahlungen bieten können. Das geht nur mit Bluetooth, deshalb bieten wir nach wie vor die Bluetooth-Beacons an.

Zahlen mit dem Handy ist noch extrem selten. Wann wird die Schweiz mit dem Handy bezahlen?
Zahlen im Laden ist nicht die erste Priorität des Kunden. Wir sehen von Paymit: Gefragt ist vor allem das Person-to-Person-Bezahlen. Also, dass ich zum Beispiel meiner Mutter innert Sekunden mit dem Handy Geld überweisen kann. Praktisch ist unsere Lösung auch für den E-Commerce. Ich kann den QR-Code am Bildschirm scannen und muss fürs Bezahlen nicht mehr mühsam meine Kreditkartennummer eingeben. Wenn sich das einmal etabliert hat, werden die Leute das Handy auch fürs Zahlen im Laden benutzen. Vielleicht nicht in fünf Jahren, aber in zehn. Für mich ist klar: Schneller als wir denken wird die Plastikkarte nicht mehr das dominante Zahlungsmittel sein.

Sie sind im Konflikt mit Apple, weil Apple die NFC-Technlogie exklusiv für sein hauseigenes Apple-Pay reserviert.
Twint muss noch benutzerfreundlicher werden. Zum Beispiel mit NFC. Diese Technologie hatten wir bereits bei Paymit entwickelt. Solange Apple uns aber von seinen iPhones aussperrt, können wir die NFC-Technologie nicht zur Anwendung bringen. Aber wir möchten natürlich auch NFC anbieten können.

Der Iphone-Marktanteil beträgt in der Schweiz 54 Prozent. Sind Sie in Verhandlungen mit Apple?
Jawohl! Wir haben eine Anfrage gestellt und Apple darauf hingewiesen: NFC ist eine weltweite Technologie, die Apple nicht gehört. Ihr könnt die nicht für Apple Pay alleine beanspruchen und alle anderen ausschliessen.

Hat Apple schon geantwortet?
Noch nicht.

Aber es ist doch eher unwahrscheinlich, dass ein Weltkonzern wie Apple ausgerechnet gegenüber dem Schweizer Markt klein bei gibt.
Der Druck nimmt weltweit zu. Die Koreaner und die Australier sind bereits gerichtlich vorgegangen. Apple wird sicher nicht von heute auf morgen die Tür aufmachen. Aber längerfristig kann Apple es sich nicht leisten, den Markt dermassen zu behindern.

Bis jetzt weigerten sich die meisten Schweizer Kreditkarteninstitute einfach, mit Apple Pay zusammenzuarbeiten. Versuchen Sie so, Druck aufzubauen?
Jede Bank verhandelt separat mit Apple. Wir können da nicht mitreden. Aber die Banken haben einen Grund, weshalb sie die Karten nicht freigeben: Apple will rund einen Drittel der Transaktionsgebühren für sich. Das ist ein schlechter Deal, vor allem, wenn es Alternativen wie Twint gibt. 

Apple verhandelt hinter den Kulissen sehr aggressiv. Wie lange schaffen Sie es, Apple draussen zu behalten?
Wir halten Apple nicht draussen! Apple hat einfach eine Preisstruktur, die für die Banken und die Händler nicht attraktiv sein kann. Im Moment sitzt Apple auf einem hohen Ross. Ich denke nicht, dass sie ihre Strategie ändern werden.

Und wer holt Apple vom hohen Ross? Twint?
Ganz bestimmt! (lacht)

Apple Pay wirbt mit dem Datenschutz. Es wird nicht gespeichert und weitergegeben, wer was kauft. Wie sieht das bei Twint aus?
Das ist in den Händen des Benutzers. Es wird nichts gespeichert, wenn er das nicht will. Wir wollen es aber ermöglichen, dass Sie eine Supercard oder zum Beispiel auch eine Treuekarte von Starbucks speichern können. 

Wie wichtig ist es denn, dass die Schweizer Finanzbranche eine eigene Bezahllösung fürs Handy hat?
Enorm wichtig! Das mobile Bezahlen wird über kurz oder lang dominieren. Soll sich die Schweiz also auf ein System einlassen, dass von aussen diktiert und gemanagt wird? Wäre es nicht sinnvoll als Schweizer Bankenplatz, eine gewisse Hoheit über einen derart wichtigen Vorgang mit Konten, Daten, Sicherheit etc. zu behalten? Wir können hier viel lokalere Lösungen anbieten, die dem Schweizer besser gerecht werden.

Zum Beispiel?
Ein Treuesystem wie Migros Cumulus oder Coop Supercard wird Apple nie interessieren. Meine Beziehung zu meiner Hausbank will ich nicht aufgeben, um mobil bezahlen zu können. Genau hier kommen wir ins Spiel. Mit unseren QR-Codes kann man schon heute am Selecta-Automat oder am Weihnachtsmarkt-Stand ohne Bargeld bezahlen. Wir wollen aber viel weiter gehen und zum Beispiel auch das Zahlen eines Einzahlungsscheins oder einer Handwerkerrechnung mit einem Fingerstreich ermöglichen. 

Aber haben Sie überhaupt eine Chance gegen so grosse Gegenspieler wie Apple Pay, oder auch Samsung Pay oder Google Wallet, die irgendwann auch in die Schweiz wollen?
Wir können gar nicht nicht erfolgreich sein. Wir haben jede Bank und praktisch alle Händler an Bord. 90 Prozent der Schweiz sind abgedeckt. Wir haben den gemeinsamen Nenner gefunden. Denn: Wir können viele lokale Lösungen anbieten. Die Konkurrenten sind viel zu gross, die können gar nicht so in die Tiefe gehen wie wir. 

Six holt nun die chinesische Bezahllösung Alipay in die Schweiz. Damit machen Sie Twint selbst Konkurrenz!
Das tun wir nicht! Als Schweizer kann man Alipay nicht nutzen. Alipay ist das Twint von China. 400 Millionen Chinesen nutzen den Dienst. Er funktioniert mit dem QR-Code wie Twint. Nun will Alipay natürlich, dass seine chinesischen Kunden zum Beispiel in Luzern eine Uhr mit seiner Alipay-App mit dem Handy kaufen können. Und nicht zum Beispiel teures Bargeld beziehen müssen. Gleichzeitig will unser Schweizer Handel, dass ein Kunde am Ladentisch die teure Uhr bezahlen kann – auch wenn er kein Bargeld dabei hat oder bei einer Schweizer Bank angeschlossen ist. Wir helfen gerne mit, wenn wir unseren Händlern mehr Umsatz ermöglichen können.

Können dann Twint-Kunden auch in China damit bezahlen.
Unbedingt wollen wir das! Wir werden Synergien sicherlich prüfen und die technische Lösung sehe ich. In ganz China mit Twint zahlen zu können wäre ein schöner Nebeneffekt in den Alipay Verhandlungen, der aber kaum das Nutzargument für Twint werden wird. Aktuell fokussiert sich Twint voll und ganz auf die Schweiz

Wann kann man mit Twint im Ausland bezahlen?
Unsere Priorität muss erst mal der Schweizer Markt sein. Der durchschnittliche Schweizer gibt 98 Prozent seines Geldes in der Schweiz aus. Das müssen wir erst vollumfänglich über Twint ermöglichen. Twint im Ausland zu ermöglichen steht aber auf der Agenda und Lösungen stehen bereit. 

Kampf um die besten Bezahl-Technologien auf dem Smartphone

Die Schweizer Bezahl-App Twint setzt sowohl auf Bluetooth wie auch auf den QR-Code. Beide Technologien ermöglichen dem Nutzer, Geld sicher und kontaktlos mit dem Handy zu überweisen. Sie sind aber umständlicher zu bedienen als NFC, eine Kontaktlos-Technologie, die bereits in vielen Kredit- und Debitkarten eingebaut ist. In zahlreichen Ländern ist ein heftiger Streit um NFC entbrannt. Der Grund: Apple reserviert NFC auf den iPhones exklusiv für die eigene Bezahl-App Apple Pay (seit Juli in der Schweiz). Andere Apps wie zum Beispiel Twint können nicht darauf zurückgreifen. Nach der Berichterstattung von SonntagsBlick reichte der Konsumentenschutz deswegen Beschwerde bei der Wettbewerbskommission ein. Sie beobachtet die Situation nun. l Twint ermöglicht kontaktloses Bezahlen mit dem Handy.

Twint ermöglicht kontaktloses Bezahlen mit dem Handy.
Siggi Bucher

Die Schweizer Bezahl-App Twint setzt sowohl auf Bluetooth wie auch auf den QR-Code. Beide Technologien ermöglichen dem Nutzer, Geld sicher und kontaktlos mit dem Handy zu überweisen. Sie sind aber umständlicher zu bedienen als NFC, eine Kontaktlos-Technologie, die bereits in vielen Kredit- und Debitkarten eingebaut ist. In zahlreichen Ländern ist ein heftiger Streit um NFC entbrannt. Der Grund: Apple reserviert NFC auf den iPhones exklusiv für die eigene Bezahl-App Apple Pay (seit Juli in der Schweiz). Andere Apps wie zum Beispiel Twint können nicht darauf zurückgreifen. Nach der Berichterstattung von SonntagsBlick reichte der Konsumentenschutz deswegen Beschwerde bei der Wettbewerbskommission ein. Sie beobachtet die Situation nun. l Twint ermöglicht kontaktloses Bezahlen mit dem Handy.

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