Die 10 wichtigsten Fragen zum «Grexit»
Was, wenn Griechenland den Euro abschafft?

Ein fast schon vergessenes Wort ist wieder in aller Munde: Grexit. Seit Anfang Jahr hat der Euro deswegen erheblich an Wert verloren. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff, der derzeit die Wirtschaft und die Finanzmärkte durchschüttelt? SonntagsBlick beantwortet die zehn wichtigsten Fragen.
Publiziert: 11.01.2015 um 21:46 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 21:48 Uhr
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Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel fürchtet einen Wahlsieg der Linkspartei Syriza.
Foto: Keystone
Von Martina Wacker

1 Was heisst Grexit?
In Grexit stecken die Wörter «Greek» (auf Deutsch: Griechisch) und «exit» (auf Deutsch: Ausgang). Mit «Grexit» ist gemeint, dass Griechenland aus der Währungsunion austritt, den Euro aufgibt und wieder die Drachme einführt. Den Begriff erfand ein Mitarbeiter von Willem Buiter, dem Chefökonomen der US-Grossbank Citigroup.

2 Warum kommt das Thema jetzt wieder auf? 
Das griechische Parlament hat es nicht geschafft, sich auf einen neuen Präsidenten zu einigen. Deshalb kommt es nun am 25. Januar zu Neuwahlen. Dabei zeichnet sich laut Umfragen ein Sieg der linkspopulistischen Partei Syriza und ihres Chefs Alexis Tsipras (40) ab. Der charismatische Politiker ist ein entschiedener Gegner der Sparauflagen, welche die Europäische Zentralbank, der Internationale Währungsfonds und die EU-Kommission Griechenland aufgebrummt haben. Im Falle eines Wahlsiegs will Tsipras den Schuldendienst beenden und einen Schuldenerlass verlangen. Das Land steht mit rund 320 Milliarden Euro bei seinen Gläubigern in der Kreide.

3 Was bedeutet dies für die übrigen EU-Länder?
Tsipras’ Wahlversprechen gefällt vor allem der deutschen Bundesregierung nicht. Deutschland ist der grösste Gläubiger der Griechen. Entsprechend pocht Kanzlerin Angela Merkel (60) auf Erfüllung der Spar- und Reformzusagen. Hinter den Kulissen versucht die Regierung, Druck auf die griechischen Wähler auszuüben und den Zulauf zu Syriza einzudämmen. Unter Berufung auf anonyme Regierungskreise meldete das deutsche Magazin «Der Spiegel» vor einer Woche, dass die deutsche Bundesregierung einen Austritt Griechenlands aus dem Euro mittlerweile gelassen nehmen würde. Von offizieller Seite her wurde die Berichterstattung im Laufe der Woche nur halbherzig dementiert.

4 Welche Folgen hätte der Grexit für Griechenland?
«Ein Austritt aus der Eurozone würde Griechenland vor existenzielle wirtschaftliche Probleme stellen», sagt der Schweizer Ökonom Thomas Straubhaar, Professor der Universität Hamburg. Zwar würden die Reformen allmählich Wirkung zeigen. Dennoch wächst die Wirtschaft nur langsam. Die neue Währung wäre massiv schwächer als der Euro. Dadurch würde die Rückzahlung der Schulden unrealistisch. Ein Staatsbankrott wäre unausweichlich. Die Enteignung der Sparer würde wohl politische Unruhen nach sich ziehen.

5 Kann Europa Griechenland aus der Europagruppe werfen?
Nein, das sehen die europäischen Verträge nicht vor. «Einzige Möglichkeit ist, dass die Europäische Zentralbank den Griechen den Geldhahn zudreht und das Land selbst aus dem Euro austritt», sagt UBS-Chefökonom Andreas Höfert. Dafür ist aber die Zustimmung der Mehrheit der Euro-Länder nötig.

6 Wie gefährlich wäre ein Grexit für Europa?
«Der Austritt wäre für Europa verkraftbar», sagt Straubhaar. Die ökonomische Bedeutung von Griechenland ist verhältnismässig klein.

7 Wie gross ist die Ansteckungsgefahr?
Auf dem Höhepunkt der Eurokrise im Jahr 2012 hätte ein Kollaps von Griechenland fatale Folgen für andere EU-Staaten mit hohen Schulden gehabt. Heute ist die Ansteckungsgefahr deutlich geringer. «Dies zeigt sich nur schon daran, dass nach Erscheinen des ‹Spiegel›-Artikels zwar die Zinsen für griechische Obligationen gestiegen sind, nicht aber jene für italienische oder spanische Anleihen», sagt UBS-Ökonom Höfert. Seit Oktober 2012 ist der Euro-Rettungsschirm in Kraft, der Staaten im Notfall mit bis zu 500 Milliarden Euro unter die Arme greifen kann.

8 Inwiefern wäre die Schweiz von einem Grexit betroffen?
Sollte Griechenland aus der Eurozone austreten, dürfte weiteres Kapital in die Schweiz fliessen. Die Griechen würden versuchen, ihr Geld in der Schweiz in Sicherheit zu bringen. «Dadurch erhöht sich der Druck auf den Franken», sagt Straubhaar. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) müsste wieder intervenieren und Euros kaufen. «Langfristig kann sich das negativ auf den Gewinn der SNB auswirken, was nicht zuletzt die Kantone zu spüren kriegen, da ihnen weniger ausgeschüttet wird.»

9 Welche Auswirkung hätte es für den hiesigen Kleinsparer?
Die Zinsen bleiben weiterhin tief und führen zu einem verzerrten Konsumverhalten. Da sich Sparen nicht lohnt, geben laut Straubhaar einige das Geld lieber aus, anstatt es in die Vorsorge zu stecken. Die SNB würde zudem wohl die Negativzinsen erhöhen. «Um die gestiegenen Kosten zu kompensieren, könnten einige Banken die Gebühren für die Kunden in die Höhe schrauben», so der Ökonom.

10 Wie wahrscheinlich ist der Grexit?
Gering. Selbst wenn ein Austritt Griechenlands für die Eurozone heute weniger riskant ist als vor drei Jahren, rechnen die meisten Ökonomen nicht damit. «Auch wenn Tsipras die Wahl gewinnt, wird er alleine keine Regierungsmehrheit bilden können», sagt Straubhaar. Tsipras wird also von seinem Wahlversprechen abrücken müssen, um eine Koalition zu bilden. Entsprechend bleibt Griechenland am Tropf der internationalen Geldgeber.

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