Dieses Jahr sind Mailänderli und Lebkuchen darum auch glutenfrei zu haben. Gluten ist ein Sammelbegriff für Proteine in diversen Getreidesorten wie Weizen, Dinkel, Gerste oder Roggen. Glutenfreie Ernährung ist für Menschen mit Zöliakie, einer Autoimmunerkrankung, lebenswichtig.
Doch inzwischen schwören auch viele, die nicht an Zöliakie leiden, auf Produkte ohne dieses Getreideeiweiss, etwa Tennisstar Novak Djokovic. Er schreibt in seinem Buch «Serve to Win» der glutenfreien Ernährung einen Teil des Erfolgs zu. Djokovic verzichtet auch auf Milch.
Mit seiner Ernährung gehört er zu einer Gemeinschaft, die mittlerweile genügend gross geworden ist, um wahrgenommen zu werden. Was wir essen, respektive nicht essen, ist inzwischen auch eine Frage des Lebensstils und der eigenen Positionierung. Forscher sprechen von einer quasi-religiösen Aura, welche Ernährungsfragen heute umgeben.
Ob glutenfreies Essen tatsächlich gesünder ist als anderes Essen ist wohl eine Glaubensfrage. Viele greifen jedenfalls zu den Produkten, weil sie diese für sich als bekömmlich befinden.
Das zeigt sich im Angebot der Detailhändler Migros und Coop. Coop machte 2014 mit glutenfreien Produkten 9 Millionen Umsatz. Die Wachstumsraten waren in den letzten Jahren zweistellig. Auch Migros verzeichnet ein zweistelliges Wachstum bei Produkten mit dem Label aha!, das sich an Allergiker richtet. Darunter finden sich auch die glutenfreien Produkte.
Nachdem bei der Migros im letzten Jahr zu Weihnachten das glutenfreie Mailänder-Guetzli auf dem Markt kam, feierte dieses Jahr der glutenfreie Lebkuchen Premiere. In Reformhäuser greifen die Kunden dieser Tage zudem zu glutenfreiem Panettone oder Birnenbrot, wie das Müller Reformhaus Vital Shop auf Anfrage sagt. Das Sortiment mit glutenfreien Produkten sei in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut worden.
Dass das Sortiment in den letzten Jahren überall grösser geworden ist, stellt auch die IG Zöliakie fest, die die Interessen der an Zöliakie erkrankten Personen vertritt. Das sind schätzungsweise 1 Prozent der Schweizer Bevölkerung.
«Die Detailhändler haben Interesse, diese Kunden zu gewinnen, weil diese die restlichen Produkte des täglichen Bedarfs, zum Beispiel Früchte und Gemüse, die von Natur aus glutenfrei sind, am selben Ort einkaufen werden», sagt Anita Dimas, Sprecherin der IG Zöliakie.
Dass die glutenfreie Ernährung auch bei anderen Konsumenten gefragt ist, stört sie nicht. «Der Trend nützt uns insofern, weil das Angebot grösser wird», sagt Dimas. Hingegen betonen die Betroffenen den Unterschied: «An Zöliakie erkrankte Personen haben keine Wahl. Sie müssen, um wieder gesund zu werden und zu bleiben, strikt glutenfrei essen. Ausnahmen sind nicht möglich», sagt Dimas.
Ein echtes Bedürfnis wären darum Restaurants, in denen die Kellner und Köche das Problem ernst nehmen. «Jemand mit Zöliakie wird genau nachfragen, welche Zutaten im Gericht sind und ob dieses separat zubereitet wurde, denn bei einzelnen Betroffenen können kleinste Mengen Gluten wie etwa Brösmeli oder Mehlstaub Beschwerden auslösen», sagt sie.