Der Uber-Schweiz-Chef im grossen Interview
«Ja, wir haben Fehler gemacht»

Offensiv, aber nicht mehr aggressiv will der Taxidienst die Schweiz erobern, betont Uber-Landeschef Steve Salom.
Publiziert: 15.07.2018 um 03:40 Uhr
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Aktualisiert: 19.09.2018 um 11:31 Uhr
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Steve Salom (38) ist seit 2016 Chef von Uber in der Schweiz, Frankreich und Österreich. Er hat an der ETH seiner Heimatstadt Lausanne (EPFL) studiert. Zuvor arbeitete er bei den Banken Rothschild und Morgan Stanley sowie bei einem Start-up in San Francisco (USA).
Foto: Sedrik Nemeth
Interview: Moritz Kaufmann

Monsieur Salom, von meinem Büro in Zürich bis zu Ihrem in Carouge GE sind es 226 Kilometer. Ich musste nur zweimal umsteigen ...
Steve Salom: Haben Sie den Zug genommen?

Tram, Zug, Tram. Die Schweiz hat einen der besten ÖV der Welt. Wie will Uber bei dieser Konkurrenz Erfolg haben?
Indem wir Teil des Systems sind und dieses ergänzen. Sie sagen es richtig: Unser ÖV ist sehr gut. Der Kunde soll seine Reise möglichst bequem zusammenstellen – ob Tram, Bus, Zug, Taxi, Velo oder Uber. Unsere Studien, auch aus der Schweiz, zeigen: Weil es uns gibt, nutzen die Menschen vermehrt den öffentlichen Verkehr.

Was können Sie denn bieten?
Wir können die erste oder die letzte Meile anbieten. Indem wir die Menschen bis vor ihre Haustür bringen, ergänzen wir die Infrastruktur. Wenn Sie knapp dran sind, können Sie von Ihrem Büro via Uber zum Bahnhof fahren und den Zug nehmen.

Uber ist in vier Schweizer Städten unterwegs: Basel, Zürich, Lausanne und Genf. Wie erfolgreich sind Sie?
In Zürich feierten wir gerade unser Fünfjähriges. Wir haben uns definitiv etabliert. Heute haben wir über die Schweiz verteilt rund 300’000 Kunden, die regelmässig Uber nutzen. Insgesamt gibt es etwa 2600 Fahrer, welche die App verwenden, rund zur Hälfte in der deutschen wie in der französischen Schweiz. Wir hatten einige Herausforderungen, aber das Geschäft läuft gut.

Jeder Kanton hat sein eigenes Taxigesetz. Welcher ist der komplizierteste?
Einerseits haben wir ja in jeder Stadt eigene Gesetze. Andererseits gibt es noch das übergeordnete Gesetz auf Bundesebene. Wir sind also mit mehreren Schichten von Regulierungen konfrontiert. Das macht es für uns sehr kompliziert. Deshalb sind wir auch nicht in mehr Städten präsent. Grundsätzlich gibt es in der Deutschschweiz relativ wenige zusätzliche Regulierungen zum Bundesgesetz. In der Romandie ist es komplizierter.

Also setzen Sie sich über die Gesetze hinweg?
Nein. Ob ein Gesetz nun kompliziert ist oder nicht, ist nicht der Punkt. Wir müssen den Regulierungen entsprechen und ein verantwortungsbewusster Akteur sein. Wir setzen uns mit den Behörden und Gemeinden zusammen und sprechen mit ihnen. Wir wollen aufzeigen, was wir bieten können.

Überall, wo Uber hinkommt, gibt es Proteste. In Zürich oder Basel genauso wie in Paris oder London.
Wir waren froh über dieses Feedback. Wir haben uns geändert und verändern uns immer noch. Ja, wir haben Fehler gemacht. Wir wollten zu schnell wachsen, waren zu aggressiv. Heute setzen wir auf ein nachhaltiges Wachstum. Wir haben bereits einige Schritte unternommen.

Zum Beispiel?
Wir haben den Peer-to-Peer-Dienst Uber-Pop in der ganzen Schweiz eingestellt. Damit wollen wir den Behörden zeigen, dass wir bereit sind, uns zu verändern.

Wie steht es um die Löhne der Fahrer?
Das ist der nächste Schritt. Wir wollen, dass die Fahrer genug verdienen, damit sie in einem teuren Land wie der Schweiz leben können. Die Preise für eine mit Uber gebuchte Fahrt sind in der Schweiz höher als zum Beispiel in Paris. In Genf haben wir vor kurzem die Preise erhöht. Aber wir geben den Fahrern auch hilfreiche Tipps, wie sie mit Uber ihre Verdienste optimieren können.

Wie muss man sich das vorstellen?
Was am Ende bei den Fahrern hängen bleibt, sind ja nicht nur die Einnahmen. Den grössten Einfluss haben die Kosten. Deswegen erleichtern wir den Fahrern den Zugang zu Beratungsangeboten in Sachen Effizienz: Wie finanziert man ein Auto? Welches Auto macht Sinn? Zu welchen Jahres- und Uhrzeiten sollen sie fahren? Solche Dinge haben einen viel grösseren Einfluss auf die Einkünfte als der Preis pro Kilometer. Jetzt wollen Sie sicher nach dem Anstellungsverhältnis fragen …

Genau! Sind Sie nun ein Arbeitgeber oder nur ein Fahrtenvermittler? Das ist für die Schweiz immer noch ungeklärt.
Ich finde, dass diese Frage anders gestellt werden sollte. Wir sehen die Fahrer als unsere Kunden. Wir wollen, dass sie geschützt sind. Aber: Warum fahren Fahrer mit Uber? Weil sie damit total unabhängig sind! Unsere Befragungen zeigen: Den grössten Nutzen, den wir den Fahrern bieten, ist ihre Freiheit und Flexibilität.

Sie halten also fest: Schweizer Uber-Fahrer sind selbständig erwerbend.
Ja. Das ist uns wichtig. Wir sagen niemandem, wann, wo oder wie lange er oder sie zu arbeiten hat. Das ist es, was die Fahrer schätzen und weswegen sie auch nicht angestellt sein wollen. Aber noch mal: Das heisst nicht, dass wir keine Verantwortung für sie übernehmen möchten.

Am Ende werden wohl Richter darüber entscheiden, ob Uber ein Arbeitgeber ist oder nicht.
Ja.

Sind Sie zuversichtlich, dass Sie recht bekommen?
Ich glaube, dass es eine vernünftige Entscheidung geben wird.

Die Schweiz ist das einzige europäische Uber-Land, in dem Sie die Hauptstadt meiden. Wann fahren Sie in Bern?
Die Schweiz ist ja sehr stolz auf ihre dezentrale Struktur. Für uns macht es das aber schwierig. Klar ist: Wir wollen expandieren. Und Bern ist ein naheliegender Schritt. Aber wir werden nicht vorgehen wie in der Vergangenheit. Wir werden das Gespräch mit den Stadt- und Kantons­behörden suchen. Wann genau, können wir noch nicht sagen.

Die SBB wollten mit Uber zusammenarbeiten, haben sich aber zurückgezogen. Setzen Sie noch auf Kooperationen?
Das streben wir auf jeden Fall an. Wir sprechen regelmässig mit ÖV-Unternehmen in der Schweiz. Aber auch das braucht Zeit. Langfristig werden die Menschen Mobilität als Service verstehen. Sie werden eine App anklicken und ihre Reise buchen. Wir wollen ein One-Stop-Shop sein, wo man auch sein Zugbillett kaufen kann.

Uber hat viele spektakuläre Pläne für die Zukunft. Wann kommen die selbstfahrenden Uber-Autos in die Schweiz?
Das dauert sicherlich noch eine Weile. Aber ich hoffe, in den nächsten paar Jahren.

Und wann fliegen die Drohnentaxis, über die Uber derzeit so gerne redet?
Daran arbeiten wir intensiv. In Paris, einer Stadt, für die ich auch zuständig bin, haben wir ein Forschungsteam. Es ist uns wirklich ernst. Wir hoffen, dass wir diese Vision in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren realisieren können. In unseren Transportsystemen eine weitere Dimension zu erschliessen, würde viel Druck aus der heutigen Verkehrssituation nehmen – vor allem in der Schweiz. Stellen Sie sich vor, Sie könnten von Zürich nach Zug fliegen. Von solchen Distanzen reden wir. Es würde den Transport zwischen den Städten massiv vereinfachen.

Verzetteln Sie sich nicht mit all Ihren futuristischen Plänen?
Klar besteht die Gefahr. Für Uber ist aber zentral: Wir wollen nie von anderen disruptiert werden. Uber will noch lange existieren. Deshalb arbeiten wir so hart an Innovationen und erfinden uns immer wieder neu.

Uber – beliebt und umstritten

Uber hat das Taxigewerbe auf den Kopf gestellt. Mithilfe seiner App bestellt man den Fahrer per Handy oder Computer, abgerechnet wird über die Kreditkarte. Die Preise sind dynamisch: Bei hoher Nachfrage steigen sie. In der Schweiz liegen sie jedoch meist unter den üblichen Taxi-Tarifen. Das Technologie-Unternehmen aus San Francisco (USA) behauptet, die Fahrer hätten wegen der effizienten Vermittlung viel weniger Standzeiten. Uber sieht seine Rolle als reiner Vermittler, die Fahrer seien selbständig. Die Gewerkschaften hingegen gehen davon aus, dass Uber ein Arbeitgeber ist, der Sozialabgaben für seine Fahrer zu zahlen hat. Uber setzt seit seiner Gründung 2009 auf aggressives Wachstum und ist heute in rund 800 Städten in mehr als 80 Ländern aktiv. Kunden in der Schweiz können wählen zwischen Uber X (normale Autos), Uber Black (Edelkarossen) sowie Uber Green (Elektroautos) – Letzteres bisher allerdings nur in Zürich.

Uber hat das Taxigewerbe auf den Kopf gestellt. Mithilfe seiner App bestellt man den Fahrer per Handy oder Computer, abgerechnet wird über die Kreditkarte. Die Preise sind dynamisch: Bei hoher Nachfrage steigen sie. In der Schweiz liegen sie jedoch meist unter den üblichen Taxi-Tarifen. Das Technologie-Unternehmen aus San Francisco (USA) behauptet, die Fahrer hätten wegen der effizienten Vermittlung viel weniger Standzeiten. Uber sieht seine Rolle als reiner Vermittler, die Fahrer seien selbständig. Die Gewerkschaften hingegen gehen davon aus, dass Uber ein Arbeitgeber ist, der Sozialabgaben für seine Fahrer zu zahlen hat. Uber setzt seit seiner Gründung 2009 auf aggressives Wachstum und ist heute in rund 800 Städten in mehr als 80 Ländern aktiv. Kunden in der Schweiz können wählen zwischen Uber X (normale Autos), Uber Black (Edelkarossen) sowie Uber Green (Elektroautos) – Letzteres bisher allerdings nur in Zürich.

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