Der Thron der reichsten Person der Welt ist neu besetzt: Mit über 93 Milliarden Dollar Vermögen hat Jeff Bezos (53), Gründer des Internet-Giganten Amazon, kürzlich Bill Gates (62) überholt. Jetzt wirbt ein halber Kontinent um Bezos' Gunst. Jedoch nicht wegen seines Reichtums, sondern weil seine Firma auf der Suche nach einem zweiten Hauptsitz ist.
Die 600'000-Einwohner-Metropole Seattle im Nordwesten der USA ist für die bisherige Amazon-Zentrale zu klein geworden. Der Konzern kann kaum noch ausbauen.
238 Bewerbungen
Der Stadt, die Amazon für seinen zweiten Hauptsitz auswählt, winken Investitionen über fünf Milliarden Dollar, 50'000 gut bezahlte Arbeitsplätze und indirekt Zehntausende zusätzliche Jobs. Auf Bezos' Tisch liegen 238 Bewerbungen aus ganz Nordamerika, von Mexiko bis Kanada. Um sich von anderen Bewerbern abzuheben, buhlen sie mit verschiedenen Aktionen um Bezos' Gunst.
Viele Städte versprechen Steuervorteile. Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico erinnert den Amazon-Boss daran, dass er dort geboren ist. «Jeff, komm nach Hause», säuselte der Stadtpräsident öffentlich. Stonecrest (Georgia) versprach, es werde einen Stadtteil abgeben und ihn eigens Amazon City taufen. Der Bürgermeister von Kansas City (Missouri) bestellte tausend Artikel auf Amazon und schrieb zu jedem eine Online-Bewertung. Und New York liess unter anderem das Empire State Building in der Amazon-Farbe Orange erstrahlen.
Was Bezos davon am meisten beeindruckt, ist nicht bekannt. Er liess durchblicken, dass das zweite Hauptquartier in einer Metropole mit mehr als einer Million Menschen entstehen soll. Zudem seien ihm eine gute Verkehrsanbindung und viele Talente in der Nähe wichtig.
Bezos plant die nächste Revolution
Beobachter gehen davon aus, dass sich Bezos für die Landesmitte oder die Ostküste entscheiden wird. Gute Chancen dürften Washington oder New York haben, wo der Amazon-Chef Liegenschaften besitzt. Zu den Favoriten zählen auch Atlanta (Georgia), Boston (Massachusetts), Denver (Colorado) sowie Philadelphia (Pennsylvania). Entscheiden wird sich Bezos 2018. Schon im Jahr darauf soll der Bezug der neuen Gebäude beginnen.
Sie sind nötig, weil die Kunden über Amazon längst nicht mehr nur Bücher bestellen. Zu diesem Zweck hatte Bezos Amazon im Jahr 1994 gegründet. Inzwischen ist die Firma an der Börse 545 Milliarden Dollar wert und verkauft alles an jeden. So produziert sie auch Elektronikgeräte, etwa das E-Book-Gerät Kindl oder den Sprachassistenten Alexa. Oder sie bietet Streamingdienste für Musik, Filme und Serien an. Dank Amazons Rechnerdienstleistungen im Internet wurde der Erfolg von Unternehmen wie dem Zimmervermittler Airbnb oder dem Fahrdienst Uber erst möglich.
Doch das ist noch nicht das Ende: Neu will Bezos auch ins Versicherungsgeschäft einsteigen. Und dank immenser Datenmengen, Drohnen sowie neuer Laden- und Logistikkonzepte will er in den nächsten Jahren das Einkaufen völlig verändern – wieder einmal. Die Frage ist bloss, von welchem Standort aus.