Der Kampf um Kunden wird härter
Diese europäischen Multis drängen in den Schweizer Detailhandel

Der Discounter Action aus den Niederlanden kommt in die Schweiz. Damit ist der Nonfood-Milliardenkonzern in bester Gesellschaft: Immer mehr internationale Ketten versuchen, hier ihre Grösse als Vorteil auszuspielen.
Publiziert: 12.01.2025 um 11:33 Uhr
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Aktualisiert: 12.01.2025 um 12:45 Uhr
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Viele einheimische Marken sind in den vergangenen Jahren verschwunden. Eine davon: Vögele Shoes.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Eine Ankündigung, die qualitätsbewusste Konsumentinnen und Konsumenten stutzig machen dürfte: «1500 Produkte für unter 1 Franken», verspricht der Non-Food-Discounter Action auf seiner Website.

Action, der Baumarkt-Produkte ebenso im Programm hat wie Multimedia, Körperpflege oder Spielzeug, sucht Personal für erste Schweiz-Standorte in Basel, Bachenbülach ZH und Winterthur ZH, wie der «Tages-Anzeiger» diese Woche berichtete.

Der niederländische Milliardenkonzern ist nicht allein: Die deutsche Drogeriekette Rossmann, die ihre erste Schweiz-Filiale bereits Ende 2024 eröffnete, plant hierzulande in fünf bis sechs Jahren mit bis zu 100 Niederlassungen.

Die beiden Markteintritte bestätigen einen langjährigen Trend: Europäische Multis drängen in den Schweizer Detailhandel, vor allem im Bereich Nonfood, zu dem alles ausser Lebensmitteln gehört.

«Grösse ist entscheidend»

Jörg Staudacher, Berater und Leiter des Centers for Sales & Retail der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ), überrascht das nicht: «Die grossen, internationalen Einzelhändler expandieren europaweit. Da nehmen sie die kleine Schweiz einfach mit.»

Die Beweggründe, so Staudacher weiter, seien eindeutig: «Im Detailhandel, wo die Margen klein sind, ist Grösse entscheidend. Nur wer über das entsprechende Einkaufsvolumen verfügt, hat genügend Marktmacht, um seinen Kundinnen und Kunden konkurrenzfähige Preise zu bieten.» Den Schweizer Anbietern sei das bisher nie gelungen.

Alexandra Scherrer, CEO des Beratungsunternehmens Carpathia, sieht das ähnlich. Sie führt den Markteintritt ausländischer Detailhändler auch darauf zurück, dass die Schweizer Wirtschaft im Vergleich zu den europäischen Nachbarn relativ stabil geblieben und die Konsumstimmung hierzulande besser ist als etwa in Deutschland: «In Kombination mit der hohen Kaufkraft stellt dies eine attraktive Möglichkeit für ausländische Anbieter dar.»

Einheimische Traditionsmarken hingegen hatten in den vergangenen Jahren einen schweren Stand. Viele wurden von internationalen Anbietern übernommen – oder mussten dichtmachen.

Ausverkauf der Migros

Das Unternehmen Vögele, ein Stück Schweizer Wirtschaftsgeschichte, hat weder im Kleider- noch im Schuhverkauf überlebt. Der Spielwarenhändler Franz Carl Weber wurde von der deutschen Drogeriekette Müller übernommen. Der Sportartikelhändler Athleticum, der einst der Genfer Manor-Besitzerin Maus Frères Holding gehörte, ging in Decathlon auf.

Migros integrierte die Marken Schild und Herren-Globus zunächst unter dem Dach von Globus, um die Warenhauskette später ins Ausland zu verschachern. SportX ging 2024 von Migros an die Dosenbach-Ochsner AG – und damit an die deutsche Deichmann-Gruppe. Auch die meisten Melectronics-Standorte verkaufte der orange Riese nach Deutschland: an MediaMarktSaturn.

2019 stiess Migros Interio an XXXLutz ab. Für die österreichische Einrichtungshauskette, seit 2018 in der Schweiz präsent, sollte es nicht der einzige Zukauf bleiben: Conforama, Lipo sowie das Möbelhaus Pfister – inklusive Möbel Egger, Möbel Svoboda und Möbel Hubacher – wurden übernommen. Eine weitere Übernahme scheint nicht ausgeschlossen: Die Migros sucht gegenwärtig einen Käufer für Micasa.

Konsumentenschutz ist erfreut

Auch die 45 «Do it + Garden»-Fachmärkte will der neue Migros-Generaldirektor Mario Irminger (59) loswerden. Neben den direkten Mitbewerbern Obi und Bauhaus sollen Rossmann und Action Interesse bekundet haben – sie könnten die entsprechenden Flächen für ihre ehrgeizigen Expansionspläne gebrauchen.

Der Konsumentenschutz freut sich über zusätzliche Wettbewerber. «Das setzt die etablierten Anbieter unter Druck und bringt den Konsumentinnen und Konsumenten hoffentlich tiefere Preise», sagt Geschäftsleiterin Sara Stalder.

Dass der hiesigen Hochpreisinsel ein baldiges Ende beschieden sein wird, glaubt sie aber nicht: «In der Regel verzichten leider auch die ausländischen Anbieter nicht auf den Zuschlag Schweiz.»

Die Swiss Retail Federation, die ausser Migros und Coop fast die gesamte Branche vertritt, sieht den Wandel ebenfalls positiv. Direktorin Dagmar Jenni: «Wir begrüssen grundsätzlich jeden Detailhändler, der in der Schweiz direkt Arbeitsplätze schafft.»

Nachdem die Discounter Aldi und Lidl dafür gesorgt hätten, dass der Preisdruck im helvetischen Lebensmittelhandel zunahm, gebe es nun im Nonfood-Sektor Bewegung. Jenni ist überzeugt: «Der Einstieg für weitere Anbieter mit einer Billigstrategie ist günstig, weil die Preissensitivität in der Schweizer Bevölkerung höher geworden ist.»

Digitec Galaxus versucht umgekehrten Weg

Dass der Preis auch in der Schweiz für viele eine wichtige Rolle spielt, zeigt sich nicht zuletzt im Onlinehandel. Dort eroberten chinesische Anbieter wie Temu und Shein innert kürzester Zeit beeindruckende Marktanteile. «Im Vergleich zum stationären Handel ist der Onlinehandel nicht nur sehr europäisch geprägt, sondern global», sagt Scherrer von Carpathia.

Nummer eins im hiesigen Onlinehandel ist dennoch ein Schweizer Unternehmen: Digitec Galaxus. Mit beiden Onlineshops zusammen liegt die Migros-Tochter noch vor Zalando und Amazon.

Damit das so bleibt, muss Galaxus weiter wachsen – auch ausserhalb der Schweiz. Nur so lässt sich im Einkauf das nötige Volumen erreichen, um gegenüber den internationalen Giganten langfristig konkurrenzfähig zu sein.

Digitec Galaxus setzt deshalb auf Expansion in Deutschland. Ob das gelingt, ist fraglich: In ihrer 100-jährigen Firmengeschichte hat es die Migros noch nie geschafft, ausserhalb der Schweiz im Detailhandel erfolgreich zu sein.

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