Der Schweizer Detailhandel wird seit Jahresbeginn durchgeschüttelt wie noch nie. «Wir werden noch weitere Konkurse sehen», sagte Navyboot-Chef Philippe Gaydoul (44) im April zu BLICK. «Im Markt herrscht Panikstimmung.» Der Denner-Erbe sollte recht behalten: Gegen ein Dutzend bekannte Namen vollzogen den Konkurs, dünnten ihr Filialnetz aus oder machten gleich ganz dicht. Darunter: Blackout, Pasito, Bata und zuletzt in diesem Jahr Switcher.
Der Schuhhandel erlebt derzeit den grössten Umbruch. Gewerkschaften sprechen nicht mehr von Lädelisterben, sondern von einem regelrechten Lädelimassaker. Zusammen mit der Modebranche setzt dieser Markt gegen 9,4 Milliarden Franken um. Bei einem erwarteten Rückgang zwischen vier bis fünf Prozent in diesem Jahr fehlen gegen 300 Millionen in den Kassen.
Es ist verständlich, dass weder Gaydoul noch andere ihre Geschäftszahlen auf den Tisch legen wollen. Die Direktion Wirtschaftspolitik des Migros-Genossenschafts-Bundes spricht lediglich von einem «einigermassen zufriedenstellenden Ergebnis» im laufenden Jahr. Anderen Detailhändlern bereite das Geschäft grössere Sorgen.
Dazu zählen traditionelle Warenhäuser. Jelmoli, Loeb oder Manor kämpfen um jeden Umsatz-Franken. «So schlimm wie in diesem Jahr ist es im ganzen Jahrzehnt nicht gewesen», sagt ein Geschäftsleitungsmitglied eines Warenhausbetreibers zu BLICK. «Es ist wirklich bitter, wie massiv die Branche unter Druck ist.»
Dickes Umsatz-Minus der Shoppingcenter
Ungemütlich ist die Lage für die grösseren Shoppingcenter. Laut einer Experten-Umfrage des «Shoppingcenter Marktreports 2017» rechnet die Mehrheit mit einem Umsatzrückgang von bis zu vier Prozent. Über die Hälfte befürchtet einen weiteren Abbau oder die Schliessungen von Geschäften.
Ein schwarzes Jahr ist 2016 nicht nur für Ladenbetreiber und Unternehmen, sondern auch für die Mitarbeiter. Grob geschätzt gehen mit jeder Milliarde Umsatz weniger gegen 2000 Jobs im Detailhandel verloren. Steht am Jahresende wie erwartet ein Minus von einem bis anderthalb Prozent, dann fehlen den Händlern gegen 1,4 Milliarden Franken in der Kasse. Das bedeutet: Gegen 3000 Stellen stehen auf der Kippe – viele davon gehen verloren.
Natürlich entstehen an anderen Orten durch den boomenden Onlinehandel auch neue Jobs. Und doch überwiegt der Pessimismus im Markt. Selbst der Detailhandelsexperte von GfK Switzerland wirkt ratlos: «Der Handel ist sehr im Umbruch. Die Konsum- und Einkaufsgewohnheiten verändern sich immer schneller», sagt Thomas Hochreutener (61). Nur wer sich laufend diesen Veränderungen stelle, sei erfolgreich. Ein Patentrezept hat aber auch Hochreutener nicht.
SNB-Präsident Thomas Jordan in Sorge
Der Wandel im Handel war kurz vor Weihnachten erstmals auch Thema der geldpolitischen Lagebeurteilung der Schweizerischen Nationalbank (SNB).
«Die Schweizer Wirtschaft wird auch im nächsten Jahr grossen Herausforderungen gegenüberstehen», warnte SNB-Präsident Thomas Jordan (53). «Der Detailhandel sieht sich Änderungen sowohl der Vertriebskanäle wie auch der Konsumgewohnheiten der Haushalte ausgesetzt.»
Die Detailhändler haben einen Kater, ihre Stimmung ist laut Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH im Keller (siehe Grafik).
Konsumenten sind im Rausch
Doch ob in St. Gallen, Zürich, Luzern, Basel oder Bern: Nach Weihnachten tobt im Detailhandel eine Rabattschlacht. Preisnachlässe von bis zu 50 Prozent? In diesem Ausverkauf sind sie Normalität.
Vor allem in den Kleiderläden. Ob H&M, Mango, PKZ oder United Colors of Benetton – alle machen mit. Auch Onlinehändler und lokale Geschäfte locken mit massiven Rabatten. An die Grenze geht das Zürcher Modehaus Modissa mit bis zu 70 Prozent Rabatt.
Kein Wunder, sind Schweizer Konsumenten im Rausch. «Wir sind nur wegen der reduzierten Preise in die Stadt gekommen», sagt Gabriella Florin. Für Robin-Lisa Feldmann steht fest: «Der Ausverkauf lohnt sich.»
Während die Kundschaft jubelt, sorgt die Rabattschlacht bei Detailhandelsexperte Gotthard F. Wangler (69) für Kopfschütteln: «Der Wettbewerb im Detailhandel erreicht langsam ruinöse Dimensionen.»
Alle müssen Nachziehen
Noch vor ein paar Jahren waren so hohe Preisnachlässe unvorstellbar. Heute sind die Detailhändler unter Zugzwang: «Wenn einer mit satten Rabatten anfängt, müssen die andern nachziehen», sagt der Experte.
Die Ausverkaufsschlacht hat erst begonnen. Wer die letzten Tage im Jahr 2016 nicht zur Schnäppchenjagd nutzt, hat wohl Pech: «Ich gehe nicht davon aus, dass es weitere Preissenkungen geben wird», sagt Wangler. Bei noch höheren Preisnachlässen würden die Detailhändler ihre Glaubwürdigkeit verlieren.
In anderen Bereichen des Markts sind die Preisnachlässe bescheidener als bei Kleidung – und meistens auch nur auf einzelne Produkte beschränkt. Doch wer sucht, findet das eine oder andere Schnäppchen: So gibt es aktuell bei Fust eine De'Longhi-Kaffeemaschine 69 Prozent günstiger, und M-Electronics verkauft einen 55-Zoll-Samsung-TV zum halben Preis.
Viele Geschenk-Gutscheine laufen per Ende Jahr ab. Das heisst aber nicht, dass sie ihre Gültigkeit verlieren müssen. Gutscheine verjähren nach fünf oder zehn Jahren. Ein Restaurantgutschein ist laut «Beobachter» demnach fünf Jahre gültig, die Hotelübernachtung kann man auch noch in zehn Jahren antreten.
Die Realität ist manchmal komplizierter: Bei Geschäftsübernahme oder -aufgabe kann es Ausnahmen geben. Kaum ein Kunde wird wegen eines Gutscheines jedoch den Mehraufwand einer Klage wagen. Und oft reagieren Gutscheinanbieter kulant, macht man sie auf kurze Fristen aufmerksam. Wer sich wehrt, profitiert also oft.
Viele Geschenk-Gutscheine laufen per Ende Jahr ab. Das heisst aber nicht, dass sie ihre Gültigkeit verlieren müssen. Gutscheine verjähren nach fünf oder zehn Jahren. Ein Restaurantgutschein ist laut «Beobachter» demnach fünf Jahre gültig, die Hotelübernachtung kann man auch noch in zehn Jahren antreten.
Die Realität ist manchmal komplizierter: Bei Geschäftsübernahme oder -aufgabe kann es Ausnahmen geben. Kaum ein Kunde wird wegen eines Gutscheines jedoch den Mehraufwand einer Klage wagen. Und oft reagieren Gutscheinanbieter kulant, macht man sie auf kurze Fristen aufmerksam. Wer sich wehrt, profitiert also oft.