Es ist mühsam bis frustrierend. Doch wer eine Bleibe sucht, kommt um ein solches Schreiben nicht herum: «Sehr geehrte Damen und Herren, Ihre Wohnungsanzeige interessiert mich sehr. Ich bin ledig, 29 Jahre alt, Sozialarbeiterin in der Region und suche nach einer neuen Wohnung. Ist es möglich, die Wohnung möglichst bald zu besichtigen? Bei der Terminabsprache richte ich mich selbstverständlich nach Ihnen. Freundliche Grüsse ...»
Mehr als 11'000 Briefe dieser Art hat eine Forschungsgruppe der Universitäten Genf, Neuenburg und Lausanne zwischen März und Oktober 2018 verschickt: Anfragen aufgrund realer Wohnungsanzeigen in der ganzen Schweiz.
Ein Teil der Bewerbungen wurde mit typisch einheimischen Namen gezeichnet, der andere mit Namen, die auf eine Herkunft aus Deutschland, Frankreich, Italien, Kosovo oder der Türkei schliessen lassen.
Der Name ist entscheidend
Das Ergebnis: Je nachdem, wie der Bewerber heisst, nimmt die Wahrscheinlichkeit, eine Wohnung besichtigen zu dürfen, zu oder ab: «Personen mit einem kosovarischen oder türkischem Namen haben eine deutlich geringere Chance, zu einer Wohnungsbesichtigung eingeladen zu werden», so die Autoren.
Besonders gross ist das Handicap, wenn man sich mit «falschem» Namen für das sehr günstige Angebot eines privaten Vermieters interessiert: Bei solchen Wohnungen ist die Rate positiver Antworten fast zehn Prozent tiefer als für Personen mit Schweizer Namen.
Bei Monatsmieten von 3000 Franken und mehr gibt es dagegen kaum noch Unterschiede. Der Grund liegt auf der Hand: Im Hochpreissegment herrscht auf dem Schweizer Wohnungsmarkt ein Überangebot - und bevor die Wohnung leer steht, vermietet man doch lieber an Kosovaren oder Türken.
Eine wichtige Rolle spielt auch der Urbanisierungsgrad: Je weiter die Pendeldistanz zu einer Stadt, desto schwerwiegender die Nachteile für Interessenten mit ausländischem Namen. Bei Privatvermietern, deren Immobilie mehr als zwei Stunden von einem grossen Zentrum wie Basel, Bern, Genf, Lausanne, Lugano TI oder Zürich entfernt ist, liegt die Quote positiver Antworten für Bewerber mit kosovarischen (etwa Merita Bajrami, Arben Gashi, Blerim Krasniqi) oder türkischen Namen (etwa Aliyah Demir, Ali Kaya, Yusuf Yilmaz) um 15 bis 20 Prozent tiefer.
Im Gesamtbild sind die Differenzen kleiner, insbesondere, weil die Diskriminierung in Städten deutlich geringer ist. Und weil gewerbliche Vermieter weniger auf die Herkunft ihrer Mieter achten.
Andrea Filippi von der Informationsplattform humanrights.ch sagt dennoch: «Rassismus im Bereich Wohnungssuche ist in der Schweiz ein grosses Problem.» Sie gibt zu bedenken, dass die Studie «nur» die Einladung zur Wohnungsbesichtigung untersucht habe. «Das tatsächliche Problem in Bezug auf die effektive Vergabe der Wohnung dürfte noch grösser sein.»
Im Ausland ist es genau gleich
In Auftrag gegeben hat die Studie das Bundesamt für Wohnungswesen. BWO-Direktor Ernst Hauri (64) sieht aber keinen Handlungsbedarf: «Studien wie diese können zur Sensibilisierung beitragen. Spezifische Massnahmen sind aus unserer Sicht nicht nötig.» Wichtig sei seinem Amt vor allem, dass die statistisch feststellbare Diskriminierung auf einem Niveau mit dem vergleichbarer Länder liege. «Vermieterinnen und Vermieter in der Schweiz verhalten sich nicht anders als ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern.»
Für diskriminierte Wohnungssuchende ist das ein schwacher Trost. Immerhin liefert die Studie auch Hinweise, wie sie die Chance auf eine Wohnungsbesichtigung erhöhen können: Je mehr Informationen sie in ein Bewerbungsschreiben hineinpacken und je freundlicher der Text verfasst ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Einladung - unabhängig vom Namen.
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