Fabrice Zumbrunnen (47) spricht während seiner Rede gerade über die bewegte Geschichte des Monte Generoso, da bläst der Wind seine Notizblätter weg. Andere würden aus dem Konzept geraten. Zumbrunnen lacht die Panne weg, reisst einen Witz, in fliessendem Italienisch: «Wenn es so schwierig ist, hier eine Rede zu halten, muss es noch viel schwieriger sein, hier oben ein Gebäude zu bauen.» Spontaner Applaus von den 200 Gästen, darunter viel Tessiner Politprominenz.
Seit zwei Wochen ist klar: Zumbrunnen wird im nächsten Januar neuer Migros-Chef. Ein Grund, warum er sich als Aussenseiter bei der Wahl durchgesetzt hat: Er kommt bei allen gut an.
Dutti überall
Gestern hatte Zumbrunnen seinen ersten öffentlichen Auftritt. Anlass: die Eröffnung der Beton-Blume, die Star-Architekt Mario Botta (73) auf den Monte Generoso an der Grenze zu Italien gebaut hat. Die Migros hat 25 Millionen Franken dafür ausgegeben, ab dem 8. April ist der Bau öffentlich zugänglich.
Während des Zweiten Weltkriegs hatte Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler (†73) das Bähnli auf den Monte Generoso gekauft, weil es kurz vor dem Bankrott stand. Dutti prägt die Migros mit seinem sozialen Gedanken bis heute – zum Beispiel geht die Kulturförderung des Konzerns auf ihn zurück.
BLICK fragt Zumbrunnen bei bestem Wetter und Ausblick auf den Luganersee: Warum stellen Sie sich der Schweiz gerade hier und jetzt vor? «Das war nicht so geplant. Es ist ein symbolischer Moment mit einem glücklichen Timing.»
Der Bald-Migros-Boss ist noch bis Ende Jahr Leiter der Abteilung Personal, Kulturelles und Soziales – und hält dort Duttis Erbe hoch. Er hat den Bau der Botta-Blume von Anfang an begleitet. «Ich war schon etwa 15-mal hier oben, genau kann ich mich nicht erinnern.»
Migros-Kind
Logisch, muss sich Zumbrunnen auf dem Monte Generoso oft mit Duttweiler vergleichen lassen. «Es bringt nichts, sich mit Figuren von damals zu vergleichen. Wichtig ist, dass wir auf die Herausforderungen von heute die richtige Antwort finden.»
Konkrete Fragen aber, wie er die Migros ab nächstem Jahr führen will, blockt er ab. Er will nur über Duttweiler und die Botta-Blume sprechen.
Immerhin, Zumbrunnen gibt Auskunft darüber, wie er die Aufgabe der Migros im Land sieht: «Wir sind ein Stück Schweiz! Wir ermöglichen, dass sich alle mit der Migros identifizieren.»
Aber wie stark identifiziert er sich selbst mit der Migros? Schliesslich arbeitete der Neuenburger zuerst bei Erzrivale Coop. Das habe keine bleibenden Spuren hinterlassen, sagt Zumbrunnen. «Ich arbeite seit 20 Jahren im Konzern. Meine Mutter ging immer in die Migros posten. Ganz klar, ich bin ein Migros-Kind.»