Der Einkaufstourismus sorgt in deutschen Grenzstädten für hässliche Nebeneffekte
Jetzt prügeln sie sich sogar schon um Parkplätze

Volle Parkhäuser, verstopfte Strassen, Pöbeleien und Prügeleien: Die deutschen Grenzstädte haben langsam genug von aggressiven Einkaufstouristen. Jetzt gehen sie verstärkt gegen Schweizer Einkaufstouristen vor.
Publiziert: 05.04.2017 um 08:50 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 09:52 Uhr
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Samir Yousufi und Manuela Rehbein aus Bern wurden bei Lidl in Lörrach fündig.
Foto: STEFAN BOHRER
Romina Lenzlinger und Michael Sahli

In Scharen fallen die shoppingwütigen Schweizer in die grenznahen Einkaufsstädte Lörrach, Weil am Rhein und Konstanz ein. Am liebsten samstags. Noch bevor die ersten Läden öffnen sind sie da: Sie verstopfen ganze Strassen, missachten Halteverbote, stellen sich frech auf Busspuren und Velostreifen, fahren in Quartiere und verbotene Einbahnstrassen und parkieren in ihrer Gier auch schamlos auf privatem Grund. Die Einheimischen haben die Nase voll.

Abschlepp-Marathon in Konstanz

In Konstanz greift man nun durch. Nächsten Samstag geht die Stadt mit Hilfe der Polizei auf die Schnäppchenjäger los. «Wir wollen endlich wieder Ordnung haben», sagt Markus Sauter (58), Sprecher des Polizeipräsidiums.

Für die Aktion sind Dutzende Polizisten, Feuerwehrleute, Abschleppdienste und Freiwillige im Dienst. Ihre Mission ist klar, die Devise deutlich: «Wir  wollen die Shopper Anstand lehren. Zur Not verteilen wir Bussen und lassen die Autos abschleppen», sagt Sauter.

Denn die einkaufswütigen Schweizer, die ihre Fahrzeuge kreuz und quer auf die Strassen stellen, sind nicht nur ein Ärgernis für Anwohner, sondern zunehmend eine Gefahr für die Sicherheit. So gibt es an Spitzentagen auch für Sanität und Feuerwehr kein Durchkommen mehr. Kürzlich blieb ein Löschwagen sogar im Stau stecken.  «Zum Glück brannte nur ein Mülleimer. Doch der Fall zeigt, wie wichtig freie Durchfahrtsstrassen sind», so Sauter.

Warteschlangen in Weil am Rhein

Auch in Weil am Rhein sind am Wochenende fast nur Einkaufstouristen anzutreffen. Für Ursula Meier (61) aus Kleinlützel SO ist Stau kein Problem: «Man weiss ja, dass man mehr Zeit einrechnen muss. Und bei den Preisunterschieden lohnt sich die Wartezeit. Sogar die Ricola-Packung ist hier einen Franken billiger.» Dieses Argument zieht auch bei Aurel Trevisan (22) und Johanna Juhasz (19) aus Kirchdorf BE: «Wir haben heute etwa 120 Franken gespart.» Dabei nimmt der Berner auch gerne den Dichtestress in Kauf: «Man merkt, dass es immer mehr Leute hat. Ich habe schon miterlebt, wie sich zwei Frauen lautstark um einen Parkplatz stritten.»

Vor kurzem attackierte eine Schweizerin in Weil am Rhein eine deutsche Autofahrerin. Die Frau hatte mit ihrem abrupten Bremsmanöver im Parkhaus angeblich das Kind der Schweizerin erschreckt. In ihrer Wut packte sie die Deutsche sogar an den Haaren und schlug sie mehrfach auf den Kopf.

Genau solche Szenen versucht Sicherheitsmann Mark Bieger (43) auf seinem Parkplatz zu vermeiden: «Klar gibt es mehr Platzstreitigkeiten, wenn so viele Leute hier sind. Aber zu Schlägereien ist es hier noch nie gekommen.»

Jüngster Vorfall in Lörrach

Erst am vergangenen Samstag kam es in Lörrach zu einer hässlichen Szene. Ein Schweizer fuhr einem Polizisten über den Fuss. Der Fahrer, der seinen Porsche auf einem Behindertenplatz parkte, war sauer, weil der deutsche Beamte ihn dafür büssen wollte. 

Zsoltné Fodor (46) aus Allschwil BL hat auch schon unschöne Momente erlebt. Er weiss: «Am Samstag ist die Stimmung hier schon aggressiv.» Chris (36) aus Dornach SO lässt sein Auto direkt stehen – und geht mit dem Velo einkaufen: «So muss ich nicht anstehen, spare mir die Parkplatzsuche und habe auch noch Sport gemacht.»

Ruppig ging es auch in Rheinfelden zu, wo einer deutschen Anwohnerin (70) jüngst alle Sicherungen durchbrannten. Die Rentnerin spuckte und schlug mit einem Besen auf das Auto eines Baslers (26) ein, als dieser im Quartier auf einen Parkplatz wartete.

Sogar Tiere sehen in dem ganzen Trubel rot. So sucht die Polizei in Konstanz bis heute nach einer Schweizer Hundehalterin, deren Schäferhund im Januar an der Zollabfertigung eine Einheimische angefallen und ihr in den Finger gebissen hatte.

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