Swissair, UBS, Sunrise: Der Name Peter Kurer taucht in der jüngeren Schweizer Wirtschaftsgeschichte immer wieder auf. Im Interview mit SonntagsBlick spricht er über die Gründe für seinen Abgang bei Sunrise, seine Zukunft – und darüber, wer ihm einst einen stinkenden Fisch in die Hosentasche stecken wollte.
SonntagsBlick: Herr Kurer, Sie geben das Amt als Sunrise-Verwaltungsratspräsident ab. Wieso?
Peter Kurer: Es gibt drei Gründe: Erstens bin ich in einem Alter, in dem ich das sowieso nicht mehr lange gemacht hätte. Zweitens hatte ich die tiefe Überzeugung, dass die Übernahme der UPC das Richtige gewesen wäre. Weil die Aktionäre anderer Meinung waren, ist es nun Zeit, Platz zu machen. Drittens ist die personelle Bereinigung auch deshalb wichtig, weil die heftige Auseinandersetzung über den UPC-Deal innerhalb der Sunrise Spuren hinterlassen hat. Jetzt muss wieder Ruhe einkehren.
Welche Fehler haben Sie bei der geplanten UPC-Übernahme gemacht?
Die Übernahme war nicht nur meine Idee. Das gesamte Management und der gesamte Verwaltungsrat haben das vorangetrieben. Das wurde auf mich personalisiert. Es geht hier nicht primär um Fehler – entscheidend ist, dass die Aktionäre einfach eine andere Meinung hatten.
Sie sind 70 Jahre alt. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Der Wegfall des Sunrise-Mandats bringt mir einen Kapazitätsgewinn von 25 Prozent. Den will ich nutzen. Jeder meiner drei Enkel hat zum Beispiel Anspruch auf einen halben Tag pro Woche mit dem Grossvater. Bald werden es vier Enkel sein. Ich bin in einer Lebensphase, in der solche Dinge an Bedeutung gewinnen.
Können Sie sich vor stellen, noch einmal bei einem Grosskonzern eine tragende Rolle zu übernehmen?
Nein, dafür bin ich zu alt.
Sie haben die Schweizer Wirtschaft jahrzehntelang mitgeprägt. Wenn Sie zurückblicken: Was waren Ihre grössten Erfolge?
Die Fusion von BBC und Asea zur ABB war eine grossartige Sache. Auch die Entstehung von Novartis war ein Highlight. Bei der UBS erlebte ich die Zeit des boomenden Investmentbankings. Auch das war spannend, endete aber in der grossen Krise.
Als Sie bei der UBS Chefjurist waren, hat die Bank amerikanischen Kunden beim Steuerbetrug geholfen. Warum haben Sie das nicht verhindert?
Die Sache war unglücklich, ich war aber nicht direkt involviert. Ich war weit weg von diesen Vorgängen.
2008 wurden Sie für ein Jahr Präsident der UBS. Der Staat musste damals 70 Milliarden Franken aufwenden, um die Bank zu retten. Sie sagten später, das wäre gar nicht nötig gewesen. Wenn das stimmt: Warum haben Sie das nicht schon damals gesagt?
Ich wurde falsch zitiert. Ich sagte, dieser Entscheid sei damals richtig gewesen. Aber im Rückblick wären wir wahrscheinlich auch ohne diese Staatshilfe durchgekommen.
In der Öffentlichkeit werden Sie für die Krise verantwortlich gemacht. Sie gehörten damals zu den Buhmännern. Hat Sie das beschäftigt?
Wenn Sie in der Öffentlichkeit kritisiert werden, müssen Sie sich überlegen, ob die Kritik gerechtfertigt ist. Wenn die Kritik stimmt, müssen Sie Korrekturmassnahmen ergreifen. Aber wenn sie nicht stimmt, müssen Sie die Kritik auf die Seite legen. Das gelingt nicht allen – es gibt andere, die deswegen abstürzen.
Welche Kritik war Ihrer Meinung nach gerechtfertigt?
Man hat nicht gesehen, dass das Grundmodell des schweizerischen Privatbankengeschäfts, nämlich das grenzüberschreitende Geschäft mit ausländischen Staaten, nicht mehr toleriert wurde. Aber diesen Fehler habe nicht ich gemacht. Wir Juristen haben wiederholt auf die Risiken hingewiesen. Wir wurden aber oftmals von den Geschäftsleuten nicht gehört, weil sie das lukrative Geschäft weiter betreiben und die damit verbundenen Risiken in Kauf nehmen wollten.
Sie sagen also, man habe damals zu wenig auf Sie gehört?
Nein, so möchte ich das auch nicht sagen. Ich will nur sagen, dass es diesbezügliche Diskussionen gab.
Gehen wir nochmals ein paar Jahre zurück: Stark kritisiert wurden Sie auch für Ihre Rolle beim Swissair-Grounding.
Das Grounding war ein dramatisches und emotionales Ereignis. Meine Rolle dabei war aber eine sehr beschränkte. Ich habe lediglich die UBS vertreten. Meine einzige Aufgabe war es, den finanziellen Schaden für die UBS möglichst gering zu halten. Ich hatte weder die Aufgabe noch die Mittel, das Grounding zu verhindern. Das hätten andere machen müssen. Es grenzt an Geschichtsklitterung, dass einige Leute bis heute so tun, als wäre die UBS verantwortlich für das Grounding. Das ist Blödsinn.
Sie sollen damals den Satz gesagt haben: «Jetzt ziehen wir euch den Stecker.»
Das stimmt nicht, diesen Satz habe ich nie gesagt. Die Leute, die dieses Zitat in die Welt gesetzt haben, wissen genau, dass es nicht stimmt. Das ist alles auch nachweisbar.
Gibt es Parallelen zwischen der Swissair- und der UBS-Krise?
Das waren zwei völlig unterschiedliche Situationen. Die UBS ist in die Finanzkrise hineingeschlittert – wie alle anderen Banken auch. Wir haben sicher auch Fehler gemacht, weil wir zu grosse Risiken eingegangen sind. Aber es war eine Branchenkrise grössten Ausmasses. Die Swissair-Krise war dagegen hausgemacht. Es war die einzige Airline, die es damals in dieser Form zusammengelegt hat. Die Swissair wurde zu Tode gemanagt. Die Leute sehen das aber leider oft nicht und machen keinen Unterschied.
Werden Sie heute noch auf die damaligen Ereignisse angesprochen?
Ja, klar. Die Swissair-Geschichte hat mir natürlich enorm geschadet. Da erschienen diese Bücher, in denen auf uns herumgehackt wurde. Dann gibt es die Gemeinschaft der vielen Leute, die bedauerlicherweise ihre Jobs verloren haben. Die tauchen – und das verstehe ich – heute noch in Blogs auf. Wegen der UBS dagegen kommt nie jemand aggressiv auf mich zu. Das begreifen die Leute viel besser.
Wir hören eine gewisse Opferhaltung heraus: Man hat auf Ihnen herumgehackt, man hat Sie nicht verstanden …
Nein, das ist keine Opferhaltung. Es gab einfach diverse Leute, die uns im Nachhinein schlecht dargestellt haben. Der Film «Grounding» zum Beispiel wurde aus dem Familienumfeld von Mario Corti finanziert (Corti war der letzte CEO und Präsident der Swissair, Anm. d. Redaktion). Die hatten ein Interesse daran, den stinkenden Fisch uns in den Hosensack zu schieben. Wir waren naiv und haben lange nicht gemerkt, was da vor sich geht.
Gibt es etwas, was Sie der Öffentlichkeit schon immer mal sagen wollten?
Eigentlich ist alles gesagt. Ich bin mit mir im Reinen.
Wie möchten Sie in Erinnerung bleiben?
Darüber mache ich mir keine Gedanken. Wir sind kleine Räder in der Weltgeschichte. Ich war ja kein grosser Feldherr oder Präsident der USA. Mir ist nur wichtig, was meine Familie und meine Freunde über mich denken.
Der Wirtschaftsanwalt Peter Kurer war an zwei grossen Fusionen beteiligt: 1988, als aus BBC und Asea die ABB wurde, und 1996, als sich Ciba-Geigy und Sandoz zu Novartis zusammenschlossen. Dann wurde er Hausanwalt der Swissair. Kurz vor dem Grounding wechselte er 2001 zur UBS. Dort löste er 2008 Marcel Ospel als Präsident des Verwaltungsrats ab – mitten in der grossen Finanzkrise. Nach nur einem Jahr nahm Kurer den Hut. 2016 wurde er schliesslich Präsident von Sunrise. Im nächsten Frühling tritt er zurück.
Der Wirtschaftsanwalt Peter Kurer war an zwei grossen Fusionen beteiligt: 1988, als aus BBC und Asea die ABB wurde, und 1996, als sich Ciba-Geigy und Sandoz zu Novartis zusammenschlossen. Dann wurde er Hausanwalt der Swissair. Kurz vor dem Grounding wechselte er 2001 zur UBS. Dort löste er 2008 Marcel Ospel als Präsident des Verwaltungsrats ab – mitten in der grossen Finanzkrise. Nach nur einem Jahr nahm Kurer den Hut. 2016 wurde er schliesslich Präsident von Sunrise. Im nächsten Frühling tritt er zurück.