In der Öffentlichkeit sind sie unbekannt, in der Energiewirtschaft waren sie über Jahrzehnte grosse Nummern: Giovanni Leonardi, Tessiner, «Energiemensch aus der Leventina», so einst die «Handelszeitung» über jenen Mann, der bis 2011 CEO der Alpiq gewesen war, die heute tiefrote Zahlen schreibt und nun in der Not ihre Wasserkraftwerke verscherbeln will (BLICK berichtete). Und vor allem Hans Schweickardt, Deutscher aus dem Schwarzwald, den das Anlegerblatt «Finanz und Wirtschaft» zum intimen Kenner des europäischen Elektrizitätsmarktes» adelte und der die Alpiq als Präsident und oberster Stratege bis 2015 in das heutige Fiasko hineinritt.
Jahrelang lebten beide in den besten aller Welten. In den 1990er-Jahren war dieses famose Duo gemeinsam beim damaligen Stromproduzenten Atel tätig. Gemütlich eingerichtet in einem weitgehend administrierten Strommarkt, in welchem die Firmen der Strombarone fast ohne Anstrengung schöne Gewinne scheffeln konnten. Während der eine, Giovanni Leonardi, später Chef der Atel wurde, tauchte Hans Schweickardt als Chef der serbelnden Westschweizer Energieholding EOS wieder auf.
Nach der Jahrtausendwende kam es noch besser. Alles sprach von der drohenden Energielücke, die Strompreise stiegen ebenso wie die Gewinne der Energieunternehmen. Und nun wollte der «intime Kenner des europäischen Elektrizitätsmarktes», Hans Schweickardt, «Unternehmerlis spielen», wie dies ein Beobachter der Schweizer Energieszene ausdrückt.
Zu einem völlig überhöhten Preis zwang er die hochverschuldete EOS 2009 in die Fusion mit der Atel zur Alpiq, deren Präsident er wurde. Er kaufte in Italien Gaskraftwerke auf Teufel komm raus, weil dort die Nachfrage nach Strom hoch und die Preise respektabel waren.
Gleiches passierte in Osteuropa, als dort nach der Pleite des US-Energieriesen Enron Gas- oder Kohlekraftwerke billig zu haben waren – eine Art Hunter-Strategie, angetrieben durch die Gier nach Grösse, wie einst bei der Swissair. Doch genau wie bei der ehemaligen Schweizer Fluggesellschaft: Nach dem grossen Feuerwerk kam der grosse Kater. «Lange Jahre entwickelte sich der Markt kontinuierlich und linear», sagt der in der Energieberatung tätige Experte Bernhard Weilharter, «und dann kam es zu einer plötzlichen und disruptiven Veränderung mit massiv fallenden Strompreisen».
Der Grund: Deutschland pumpt Jahr für Jahr gegen 35 Milliarden Franken an Subventionen in die Förderung von Alternativenergien. Und seit die Amerikaner Energie aus Schiefergas gewinnen, kommt zusätzliches Gas aus Fernost nach Europa. Der Preis fällt auch dort, während Alpiq zumindest teilweise noch an Lieferverträge aus den Preis-Hochzeiten gebunden ist.
Billigstrom, Billiggas, alles ist Gift für die in Schieflage geratene Alpiq. Und wie bei der Swissair bekamen es die Topshots offenbar mit der Angst zu tun – 2011 trat der Alpiq-CEO Giovanni Leonardi zurück, Begründungen gab es keine. Angesichts des sich abzeichnenden finanziellen Debakels war es wohl eher eine Flucht, die sich der operative Chef jedoch fürstlich entlöhnen liess. Er ging auf Ende September und kassierte für neun Monate Arbeit inklusive berufliche Vorsorge knapp zwei Millionen Franken. Auch der 2015 zurückgetretene Präsident Hans Schweickardt legte sich – trotz der Verluste bei Alpiq – in seinem letzten Amtsjahr keinerlei Zurückhaltung auf und kassierte eine knappe Million an fixen Vergütungen, Sitzungsgeldern und Pensionskassenbeiträgen. Allein die Spesen des Präsidenten beliefen sich auf 71'000 Franken.
Und noch eine Parallele zur Swissair: Auch bei Alpiq müssen nun die Nachfolger diese trübe Suppe auslöffeln. Die Chefin Jasmin Staiblin und der neue Präsident und ehemalige Swisscom-CEO Jens Alder. Und wie bei der Swissair ist es angesichts der horrenden Verluste ein Wettlauf gegen die Zeit und gegen ein mögliches Grounding des Strom-Riesen.