Der Bund greift in der Abgas-Affäre durch: Als erstes Land verbietet die Schweiz den Verkauf von betroffenen Fahrzeugen der VW-Marken. Eine Verfügung sei in Vorbereitung, teilte das Bundesamt für Strassen gestern mit. Details will Astra-Chef Jürg Röthlisberger am Montag bekannt geben.
Die Massnahme soll verhindern, dass weitere potenziell betroffene Fahrzeuge für den Schweizer Strassenverkehr zugelassen werden. Nicht betroffen von der Verfügung sind bereits in Verkehr gesetzte Fahrzeuge.
Laut Astra könnte der Schummel-Motor in 180 000 Schweizer Fahrzeugen stecken. In Modellen der Marken Audi, Seat, Skoda und VW der Baujahre 2009 bis 2014. Sie sind mit Dieselmotoren der Varianten 1,2-, 1,6- und 2,0-Liter-TDI ausgerüstet. Euro-6-Motoren der aktuellen Produktion sind nicht betroffen.
Die Besitzer sind die Gelackmeierten: Sie können ihr Auto nicht verkaufen. Kein Mensch will einen Wagen, der keine Zulassung erhält.
VW werde die mangelhaften Autos auf eigene Kosten reparieren. Das gab Amag-Chef Morten Hannesbo gestern bekannt. «Ich bedaure diesen Vorfall persönlich zutiefst. Manipulation darf nicht passieren, und ich bin sicher, dass Volkswagen alles daransetzen wird, diesen Vorfall aufzuklären», sagte Hannesbo.
Der Schweizer Markt reagiert bereits. Dieselfahrzeuge stünden unter einem Generalverdacht, sagt Markus Peter, Leiter Automobiltechnik und Umwelt beim Autogewerbe-Verband der Schweiz (AGVS). Die Kunden sind verunsichert. Peter geht aber davon aus, dass sich der Markt rasch wieder beruhigen wird. «Die Wertverluste werden sich in engen Grenzen halten.»
Abfragen im Internet geben ihm recht: Seit Auffliegen des Skandals wurde auf Autoscout24.ch täglich zwischen 82 000- und 103 000-mal nach einem VW gesucht. «Da sind keine Veränderungen ersichtlich», sagt Direktor Christoph Aebi.
Bei einem Rückruf könnte die Schummel-Software innert weniger Minuten durch ein Update ersetzt werden, sagt Patrik Soltic (46), Leiter der Forschungsgruppe Antriebssysteme bei der Empa.
Offen ist, ob das Update die Leistung des Autos vermindert. Betroffen sind zwei Systeme: «Beim NOX-Speicherkatalysator müsste sich der Filter regelmässiger reinigen. Das verbraucht mehr Treibstoff, ist aber nicht dramatisch», erklärt Soltic. Bei der neueren Katalysatorgeneration werden die Abgase mit Harnstoff gereinigt. Laut Soltic muss dieser eventuell öfter nachgefüllt werden.
Volkswagen hat bis jetzt noch keine Lösung für das Problem präsentiert. Experten zweifeln, ob der Konzern überhaupt eine Lösung hat. «VW kennt das Problem nicht erst seit gestern. Die amerikanischen Behörden sind seit einem Jahr mit VW im Clinch», sagt Soltic. Bis heute hat es der deutsche Konzern nicht geschafft, eine technische Lösung zu finden. «Es könnte sich um ein gröberes Problem handeln», so Patrik Soltic. Möglicherweise müssen die Katalysatoren ersetzt werden. Für VW würde das dann sehr, sehr teuer.
Auch in Europa hat VW Millionen Fahrzeuge manipuliert. Hier sind die Schadstoffgrenzwerte für Diesel aber weniger streng als in den USA. Es kann also sein, dass die Schummel-Diesel nicht gegen europäische Auflagen verstossen. «Vielleicht kommt VW bei uns mit einem blauen Auge davon», sagt Empa-Mann Soltic.