Denner-Chef Mario Irminger
Der Cola-Krieger

Im Interview erzählt Denner-Chef Mario Irminger wie die Geschäfte wirklich laufen, warum er Cola aus Tschechien holt und was er zum Vorwurf des Landesverrats meint.
Publiziert: 12.01.2014 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 02:10 Uhr
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Mario Irminger (48) arbeitete erst bei Ernst & Young als Wirtschaftsprüfer, ab 1996 als Finanzchef bei Heineken Schweiz. 2011 wechselte er zu Denner als Finanzchef, seit September 2011 führt er den Discounter als CEO. Der Zahlenprofi wuchs im Toggenburg auf. Im Winter macht Irminger gerne ausgiebige Skitouren – «einen halben Tag lang mal nichts zu sprechen, herrlich». Er hat einen Sohn und lebt mit seiner Partnerin in Thalwil ZH.
Foto: Sabine Wunderlin
Von Ulrich Rotzinger (Text); Sabine Wunderlin (Fotos)

Ein Klotz aus Beton, kaputte Fensterläden, eine zerfledderte Gratiszeitung vor dem Eingang: Seit Jahren hätte der Hauptsitz von Denner im Zürcher Gewerbequartier Binz ein Facelift nötig. Eine Visitenkarte sei das nicht, nimmt Mario Irminger die Frage vorweg – aber seine Kunden würden es wohl unpassend finden, hätte sich der Discounter in einem Firmenpalast eingemietet. Denner-Chef Irminger muss sparen, wo es nur geht. Auch deshalb machen Gerüchte die Runde, dass es um die Tochter der Migros nicht so gut steht.

Sonntagsblick: Wie laufen die Geschäfte von Denner tatsächlich?
Mario Irminger:
Das werden wir diese Woche sehen. Kritiker werden überrascht sein, wenn wir unser Jahresresultat veröffentlichen. 

Was werden wir sehen?
Von Januar bis Dezember 2013 haben wir gegenüber dem Vorjahr weiter zugelegt. Wir sind das vierte Jahr in Folge gewachsen und arbeiten angemessen profitabel. Am Limmatplatz, also am Hauptsitz der Migros, ist man mit uns zufrieden.

Wie ist die Stimmung im Detailhandel?
Die Zeit der grossen Preisrunden wie in den Jahren 2011 und 2012 ist vorbei. Wir erwarten im laufenden Jahr bei Fleisch, Früchten und Gemüse einen Preisanstieg. Andere Warengruppen wie Getränke oder Körperpflege-Artikel haben noch Potenzial für Preissenkungen. Ich bin also entspannt (lächelt).

Sein Lächeln ist breit, der Haarschnitt kurz, «passend zu den Frühlingstemperaturen», scherzt Irminger. Im Sommer nehme er den Stromer, ein Elektrovelo, für den Weg zur Arbeit. Damit sei er schneller als mit dem Auto in den Stosszeiten am frühen Morgen. Mit seiner Partnerin wohnt er im zehn Kilometer entfernten Thalwil ZH – zur Miete.

Für gewöhnlich beginnt der 48-Jährige seinen Arbeitstag um 7 Uhr. Diese Woche musste er früher ran: Er hat dem Getränke-Multi Coca-Cola den Krieg erklärt.

Sie umgehen den Schweizer Cola-Abfüller und holen Cola aus Tschechien ins Regal. Warum?
Wenn wir sehen, dass Kunden heute in Deutschland bei Detailhändlern wie Aldi weniger für das Cola zahlen als wir für den Softdrink im Einkauf bei Coca-Cola Schweiz, dann läuft etwas falsch. Mit dem Parallelimport gehen wir gegen die überhöhten Preise vor.

Coca-Cola Schweiz wirft Ihnen vor, deren Arbeitsplätze zu gefährden.
Der Konzern fürchtet in erster Linie um die Margen. Seine Profitabilität ist derart hoch, dass ich nicht glaube, unsere Preisreduktion von zehn Prozent gefährde Arbeitsplätze in der Schweiz.

Sie karren die Ware in LKWs ins Land. Ist Ihnen die Umwelt egal?
Ich bin viel in den Bergen und schätze unsere Natur. Wir kämpfen mit diesem Import für unsere Kunden. Warum sich keiner über den Schweizer Hersteller beschwert, der Büchsen-Cola seit Jahr und Tag aus Italien hierherkarrt, ist mir schleierhaft.

Auf Internet-Foren wirft man Ihnen nun Landesverrat vor.
Nur weil wir uns gegen hoch profitable Markenanbieter wehren, denen es nur ums Abschöpfen geht? Ich bin kein Landesverräter. In den Parallelimport des Colas haben wir mehrere Hunderttausend Franken investiert. Was wir hier einsparen, geben wir an unsere Kunden weiter. Unsere Margen sinken dadurch.

Soll man ihm das jetzt glauben? Mit seinem Coup hat Irminger jedenfalls bei Coca-Cola Schweiz für Nervosität gesorgt. Kein Wunder: Nach SonntagsBlick-Informationen macht die Schweizer Niederlassung des US-Multis fast ein Viertel ihres Umsatzes mit Denner und Migros.

Aber eine solche Kriegserklärung schreckt nicht nur margenverwöhnte Markenhersteller auf, er hat auch einen kräftigen Werbeeffekt – besonders, um das Image als «Bad Boy des Detailhandels» wiederzubeleben.

Denner-Gründer Karl Schweri hatte Volksinitiativen lanciert, den Discounter immer wieder mit unkonventionellen und angriffigen Aktionen in die Schlagzeilen gebracht. Im Geschäft wurde Denner aber träge. Also musste Schweris Enkel Philippe Gaydoul (42), als er den Chefposten übernahm, das Geschäft des Discounters wieder zum Laufen bringen. Mit Erfolg: Er verdreifachte den Umsatz.

Nachdem Gaydoul die Firma 2007 für rund eine Milliarde Franken an die Migros verkauft und die Führung ausgewechselt hatte, schwand die Angriffslust des Discounters. Unter Irmingers Führung ab Oktober 2011 erwachte der Discounter wieder.

Irminger führt eine der härtesten Schlachten im Detailhandel. Die deutschen Harddiscounter Aldi und Lidl rücken Denner punkto Umsatz und Expansion auf die Pelle. Wie der Wolf im Schafspelz ziehen sie den Swissness-Mantel über, um Denner-Kunden in ihre eigenen Läden zu locken.

Irminger kontert den Angriff: Denner beginnt jetzt mit der Generalüberholung sämtlicher Filialen, in die das Unternehmen über 130 Millionen Franken investiert. Gleichzeitig gibt das Unternehmen bei der Expansion Gas: 23 neue Filialen will der Discounter 2014 eröffnen, sagt Irminger: «Auch wir können kämpfen.»

Er zählt auf: Die Bier-Preise habe man während der Euro-Krise gesenkt, einen Sieg gegen Nespresso im Rechtsstreit um Nachahmer-Kaffeekapseln errungen und immer wieder Markenanbieter mit Preissenkungen abgewatscht. Vor genau einem Jahr mussten Ferrero und Nescafé dran-glauben – Hersteller, deren Produkte für Detailhändler als Kundenmagnet unverzichtbar sind. Die Konkurrenten zogen mit und senkten die Preise. Irminger: «Wir bewegen also viel im Detailhandel und vor allem für die Schweizer Konsumenten.»

Das sieht auch die Migros-Führung: Als Discountchef bewege Irminger sich ausgezeichnet auf dem Migros-Parkett, diskutiere dank seiner Leistung auf Augenhöhe mit seinen Vorgesetzten, heisst es im Unternehmen.

«Das Denner-Team macht einen Superjob gegen die starke deutsche Discountfront und bleibt sich dabei treu», lobt Dieter Berninghaus (48), Spitzenmanager des Migros-Genossenschaftsbunds und Irmingers Vorgesetzter. Er sieht Denner  als Schweizer Vorreiter beim Kampf um den besten Preis bei Markenartikeln.

Herr Irminger, warum mischen Sie sich nicht in politische Diskussionen ein?
Wenn ich es für Denner notwendig halte, mische ich mich sehr gerne ein.

Zum Beispiel?
Nehmen wir den Parallelimport. Das ist der einzige Weg für Detailhändler,  sich gegen internationale Markenhersteller zu wehren, die nur die Schweizer Kaufkraft abschöpfen wollen. Wie schon in den Jahren zuvor haben wir mit Coca-Cola erneut ein Zeichen gesetzt. Die Preise sind ins Rutschen gekommen.

Die Hochpreisinsel Schweiz ist Thema der Wirtschaftskommission des Nationalrats Ende Januar. Ihre Forderung?
ier vertreten wir klar die Linie der Migros-Gruppe. Wir brauchen ein schärferes Kartellgesetz.

Gehts konkreter?
Das Kartellgesetz muss Schweizer Unternehmen wie Denner erlauben, ohne Restriktionen im grenznahen Ausland einzukaufen – zu den dort herrschenden Konditionen.

Inwiefern ist die Masseneinwanderungs-Initiative ein Thema für Denner?
Da bin ich klar dagegen. Bei uns arbeiten rund 70 Nationen. Die Initiative ist nicht der richtige Weg, um der Migration zu begegnen.

Was hiesse eine Annahme für den Detailhandel?
Die ganze Zuwanderung der letzten Jahre ist durch den Arbeitsmarkt absorbiert worden. Was passiert, wenn die Zuwanderung nun ausbleibt? Dann haben wir Stellen, die wir nicht mehr besetzen können. Zudem fiele einer der grossen Treiber für den Konsum weg.

Irminger lässt durchblicken, dass nicht mehr besetzbare Stellen wegfallen könnten. Aber auch wenn das Markt-umfeld im Detailhandel immer garstiger wird – den Denner-Chef plagen keine schlaflosen Nächte. Er habe einen guten Ausgleich in der Familie. Die Wochenenden seien so gut es geht für die Familie, seine Partnerin und seinen Sohn, reserviert.  Abends lässt er beim gemeinsamen Essen gerne den Tag Revue passieren.

Die Lebensmittel dafür kaufe er zu zwei Drittel bei Denner, den Rest bei der Migros und bei Globus. Bei der Konkurrenz schaue er sich natürlich um. Welchen Marken-Multi Denner als Nächstes drannimmt, hält Irminger geheim. Mögliche Kandidaten  sind die internationalen Hersteller von Körperpflegeprodukten, wie etwa Beiersdorf (Nivea), Unilever (Dove), Henkel (Taft) und Procter&Gamble (Gillette).

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