Bio Suisse ist weltweit bekannt für strenge Richtlinien. Doch es geht immer noch ein bisschen konsequenter. Das Lebensmittel-Label Demeter ist genau das – und erobert damit die Regale von Coop und Migros.
«Wir stellen eine steigende Nachfrage nach Demeter-Produkten fest», schreibt eine Coop-Sprecherin. Und: «Gewisse Produkte, wie die Demeter-Milch, sind aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit schnell ausverkauft.»
Das gleiche Bild zeigt sich bei der Zürcher Migros. Sie nahm als erste der zehn regionalen Migros-Genossenschaften Demeter ins Sortiment: «Oft übertrifft die Nachfrage das vorhandene Demeter-Angebot. Besonders beliebt sind Eier, Milch, Dinkelbrot, Gurken und Tomaten.»
Stetiger Ausbau
Kein Wunder, bauen die beiden dominanten Schweizer
Detailhändler das Sortiment laufend aus. In wenigen Wochen wird Coop Demeter-Charcuterie anbieten, wie der Grossverteiler gegenüber SonntagsBlick bestätigt. Insgesamt sind über 85 Demeter-Produkte im Angebot. Bei der Migros sind es je nach Saison sogar 340! Dies, weil die Migros – vor allem dank der Zusammenarbeit mit der deutschen Biokette Alnatura – auch ausländische Demeter-Artikel importiert.
Der Preisunterschied ist teilweise riesig: Bei Coop gibts zwei Bio-Erdbeerjoghurts für 1.60 Franken, ein einzelnes, kleineres Demeter-Erdbeerjoghurt kostet 1.25 Franken – pro Gramm fast viermal mehr.
50 Prozent des Futters vom eigenen Hof
Doch was ist Demeter eigentlich? Das Label steht für «bio- dynamische» Landwirtschaft. «Diese denkt gewisse Dinge der Biolandwirtschaft zu Ende, zum Beispiel in der Tierhaltung», erklärt Florian Leiber, Wissenschaftler am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Fibl) in Frick AG. Anders als bei Normalo-Bioprodukten dürfen Kühen etwa die Hörner nicht abgeschnitten werden. Oder: In der Schweine- und Hühnerzucht müssen in sechs Jahren 50 Prozent des Futters vom eigenen Hof stammen. «Das sind Details, doch sie zeigen die Nähe der Demeter-Bauern zur Natur», so Leiber.
Umstrittene Präparate
Und dann ist da noch die Esoterik. Demeter stützt sich auf die spirituellen Konzepte des Ur-Anthroposophen Rudolf Steiner. Besonders umstritten: die sogenannten Präparate. Demeter-Bauern vergraben Schafgarbe, Kamille und weitere Pflanzen in einem Kuhhorn verpackt einen Winter lang im Boden. Die «Winterkräfte» sollen die Pflanzen in eine neue Substanz «verwandeln», das Präparat. Dieses wird in «homöopathischen Mengen» Mist und Gülle beigefügt und über das Land verteilt. Die Verwendung der Präparate ist – im Gegensatz zum biodynamischen Mondphasenkalender – verbindlich und wird kontrolliert.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist dies Hokuspokus. Immerhin: Demeter-Bauern setzen auf Kompostdüngung. Und die schneidet punkto Artenvielfalt besser ab als normaler oder sogar Biodünger. «Sicher ist: Diese Präparate schaden nicht», sagt Fibl-Forscher Leiber.
Ungewöhnliche Allianz
Dass Demeter überhaupt an Coop und Migros liefert, ist
einem Zufall geschuldet. Bis 2016 war das Label praktisch nur in Reformläden und im
Direktverkauf erhältlich. Dann fuhren die Demeter-Bauern eine Überproduktion ein – und suchten die Zusammenarbeit mit den Grossverteilern.
Wie reagierten die naturverbundenen Demeter-Bauern auf diese ungewöhnliche Allianz? «Grösstenteils positiv», sagt Eva-Maria Wilhelm von Demeter Schweiz, «es gibt aber selbstverständlich auch Skeptiker.»
SonntagsBlick weiss: Auch
einige Biobauern sind skeptisch. Sie befürchten, dass durch den Erfolg von Demeter ihre eigene Arbeit abgewertet wird und dass Demeter mit dem bekannten Knospe-Label von Bio Suisse in Konkurrenz tritt.
Demeter-Sprecherin Wilhelm widerspricht: Ihr Unternehmen sei 1981 Mitgründerin von Bio Suisse gewesen. Und: «Es ist unseres Erachtens zu begrüssen, dass es unterschiedliche Ansätze im Biolandbau gibt.» Auch Bio Suisse demonstriert Gelassenheit: «Bio Suisse und Demeter Schweiz pflegen einen guten Austausch.» Alles in natürlicher Harmonie also ...