Davos ist berühmt für seine heilsame Bergluft, für seine beim britischen Königshaus beliebten Skipisten und das alljährliche WEF der internationalen Wirtschaftselite. Weniger bekannt ist, aber nicht minder aufregend: In der höchstgelegenen Stadt Europas entsteht gerade ein Instrument, das mit der japanischen Weltraummission Solar-C ins All geschickt wird. Das Physikalisch-Meteorologische Observatorium Davos (PMOD) entwickelt eines von zwei zentralen Geräten der Mission, dank deren Daten vielleicht bald Blackouts auf der Erde vorhergesagt werden können, sagt PMOD-Direktorin und ETH-Professorin Louise Harra (54) beim Treffen mit Blick.
Das Gerät soll helfen, Sonneneruptionen besser zu verstehen. Das sind gewaltige Explosionen in der Sonnenatmosphäre, bei denen elektromagnetische Energie und hochenergetische Teilchen in den Weltraum gelangen. Diese können dann Störungen von Satelliten, des Telekommunikationsnetzes sowie des Hochspannungsnetzes auslösen. Auch die Navigation von Flugzeugen ist beeinträchtigt. Jüngst zerstörte ein solches Ereignis 40 Starlink-Satelliten von Elon Musks (52) SpaceX.
Bislang gab es nicht genügend Messungen
Die Davoser Forscherinnen beschaffen nun Daten, um Sonnenwinde, Sonneneruptionen und deren Einfluss auf die Erde besser zu verstehen. «Wir möchten die Strahlung der Sonne so umfassend messen, wie das noch nie zuvor gemacht wurde», kündigt Harra an.
Derzeit ist die Vorhersage des Wetters im All etwa so gut wie unsere Meteorologie vor 50 Jahren. «Bislang schossen wir nur Schnappschüsse von verschiedenen Atmosphärenschichten der Sonne, haben aber noch kein zusammenhängendes Bild von der Sonnenoberfläche bis zur äussersten Atmosphärenschicht, der Korona», führt Harra aus. «Es gibt schlicht zu wenig Messungen.»
Das soll sich mit dem Weltraum-Projekt mit Schweizer Beteiligung ändern. «Können wir Sonneneruptionen besser voraussagen, werden wir die Satelliten zwar nicht schützen, aber Airlines, Telekommunikationsunternehmen und Energieversorger warnen», sagt Sonnenphysikerin Harra. Satelliten können in einem solchen Fall kurz abgeschaltet werden, um grössere Schäden zu vermeiden.
Die grössten Schwierigkeiten
Während des Besuches von Blick am rosaroten Observatorium erklären Harra und ihr Team das Messgerät, das voraussichtlich 2028 von Japan aus den Weg ins All finden wird. Es nennt sich Solar Spectral Irradiance Monitor (SoSpIM), auf Deutsch Monitor der spektralen Sonneneinstrahlung. Die Idee für das Instrument hatte Irin Harra, die schon an der japanischen Weltraummission Hinode beteiligt war. Das PMOD war ausserdem schon an einigen anderen Weltraum-Projekten mit von der Partie. Derzeit arbeiten zehn Mitarbeitende am Projekt und stehen regelmässig in Kontakt mit Partnern aus den USA, Japan, Spanien oder Italien. Bei all den verschiedenen Zeitzonen ist es nicht ganz einfach, sich zu verabreden. Das Schweizer Team ist oft abends an Sitzungen. «Bei weltweiten Zoom-Meetings in verschiedenen Zeitzonen leidet immer jemand», sagt Harra und lacht.
Das Forscher-Team steht vor einigen Herausforderungen. «Die Sauberkeit des Geräts ist eine der grössten Schwierigkeiten», sagt Valeria Büchel (37), Projektleiterin am PMOD. Das restliche anwesende Team stimmt ihr nickend zu. Um zu verhindern, dass das Instrument im All plötzlich blind wird, ist beim Transport und dem Testen von SoSpIM höchste Vorsicht angesagt.
Prototyp ist gebaut
Auch in den Forschungslaboren muss das Team behutsam vorgehen. Rund ein Dutzend Leiterplatten stehen fein säuberlich aufgereiht. Elektroingenieur Leandro Meier (37) zeigt stolz den fertigen elektronischen Prototypen. Ein 3D-Modell des schuhschachtelgrossen Instruments steht daneben. Das endgültige Gerät wird aus Aluminium hergestellt, erste Teile fertigt ein Polymechaniker in der Werkstatt gerade an. SoSpIM wird grösstenteils am PMOD in Davos gebaut.
Gewicht spielt bei dieser Mission eine grosse Rolle. «Unser Instrument darf nicht schwerer als 3,2 Kilogramm sein. Der Satellit wird letztlich rund 500 Kilogramm wiegen», so Büchel.
Die ersten Tests stimmen zuversichtlich. «Wir sind im Zeitplan. Derzeit weiss ich von keinem Problem, dass dem Start 2028 im Weg stehen könnte», so Harra. Inwieweit der Schweizer Staat das Projekt unterstützt oder wie teuer die Schweizer Kontribution ist, will das PMOD nicht bekannt geben.
Weitere Projekte stehen an
Die Vorfreude des PMOD-Teams auf den Start 2028 ist jetzt schon spürbar. Sie alle haben sich in Davos eingefunden, um die theoretisch erlernte Astrophysik in die Praxis umzusetzen. «Und auch zum Snowboarden», sagt Projektleiterin Büchel lachend. Weitere Weltraum-Projekte stehen schon an.