Wer seinen Mobilfunk-Anbieter zu teuer findet, der wechselt. Wer mit dem Stromanbieter nicht zufrieden ist, bleibt gefangen. Das schlägt massiv aufs Portemonnaie – wenn man am falschen Ort wohnt.
BLICK hat die Strompreise, welche die Eidgenössische Elektrizitätskommission (Elcom) jedes Jahr zusammenstellt, nach Gemeinden ausgewertet. Ein Durchschnitts-Haushalt mit einem Verbrauch von 4500 kWh zahlt 918 Franken, das ist ein Plus von 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Am tiefsten ist die Rechnung mit 250 Franken wie seit Jahren schon in Gondo VS. Die Mini-Gemeinde oberhalb eines Wasserkraftwerks hat sich im Tausch für die Konzession günstigen Strom gesichert.
Am teuersten dagegen sind zum zweiten Mal in Folge die Bernischen Kraftwerke (BKW). Wer in ihrem Herrschaftsgebiet lebt, das sich über 260 Gemeinden zwischen Innertkirchen im Berner Oberland und Boncourt im nordöstlichen Jura-Zipfel ausbreitet, blecht im Jahr 1240 Franken. Auch Bündner und Urner haben teilweise enorm hohe Rechnungen.
200 Meter machen 400 Franken aus
Skurril: Die Distanzen zwischen Hoch- und Tiefpreisgegenden können winzig sein. Die Nachbargemeinden Orpund und Safnern im Verwaltungskreis Biel BE sind keine 200 Meter voneinander entfernt. Der Unterschied für die Durchschnitts-Stromrechnung: über 400 Franken. Ein Durchschnitts-Haushalt in Safnern BE zahlt 833 Franken, einer in Orpund BE den BKW-Höchstpreis von 1240 Franken. Und das nur, weil Orpund zum BKW-Gebiet zählt und Safnern nicht.
Wie ist dieser Irrsinn möglich? Die Antwort ist kompliziert: Geografie, Politik und 622 Stromversorger, die oft nur für eine einzelne Gemeinde zuständig sind. Der Schweizer Strommarkt ist ein undurchsichtiger Dschungel. Er ist nur teilliberalisiert – der Begriff Markt stimmt also nur zur Hälfte.
Wichtig für das Verständnis ist die Unterscheidung zwischen jenen Stromproduzenten mit und jenen ohne eigenes Versorgungsgebiet: Die zwei grössten Stromkonzerne im Land, Alpiq und Axpo, gehören zu letzteren. Sie liefern keinen Strom an Haushalte. Sondern sie schliessen mit Versorger-Firmen, die den Strom dann an die Haushalte liefern, Verträge zu Marktbedingungen ab. Was beim aktuellen Strompreis, der etwa halb so hoch ist wie die Produktionskosten, bedeutet: spottbillig.
Die BKW, die Nummer vier der Schweiz, dagegen dürfen neben Netztarif und Gebühren ihren vollen Produktionspreis verrechnen. Sie haben ein Abnahmegebiet, wo sie den Strom von der Quelle bis zum Endverbraucher liefern dürfen.
Solidaritätszuschlag
Der Konzern begründet den Mega-Preis mit seinem riesigen, landlastigen Netz. «Wir haben pro Leitungskilometer deutlich weniger Kunden als städtische Gebiete», schreibt Sprecherin Sabrina Schellenberg. Zudem sei das Netz topografisch anspruchsvoll. «Vieles ist in den alpinen oder voralpinen Gebieten. Da herrschen auch andere Witterungsverhältnisse. Die Zugänglichkeit für Reparatur- und Unterhaltsarbeiten ist erschwert.»
In einem grossen Netz wie jenem der BKW verursachten Nutzer im Flachland keine grossen Kosten. Dafür zahlten sie solidarisch für BKW-Kunden im Berggebiet mit. BKW-Sprecherin Schellenberg schreibt, am liebsten hätte man landesweit einen solidarischen Ansatz, nicht nur im eigenen Netz. So würden die eigenen Kunden entlastet.
So jedoch sind nur Gemeinden wie Orpund solidarisch – ihre Einwohner haben darum pro Jahr einige Hunderternötli weniger im Sack.
Das Problem der Orpunder: Sie haben ihr Stromnetz vor Jahrzehnten an die BKW verkauft. «Das hätten wir niemals tun dürfen», sagt Jürg Räber, der parteilose Präsident der 2600-Einwohner-Gemeinde zu BLICK. «Jetzt zahlen wir die Zeche dafür.»
Tupfgenau der gleiche Strom
Ganz anders tönt es 200 Meter weiter in Safnern: Die Gemeinde ist nicht im BKW-Herrschaftsgebiet gefangen. Sondern man hat eigene Gemeindebetriebe, denen das Netz gehört und die den Strom auf dem freien Markt posten können. «Wir sind froh, unseren Einwohnern eine so günstige Lösung bieten zu können», sagt Gemeindeverwalterin Sandra Geider (50).
Unglaublich: Weil man einen Abnahmevertrag mit den BKW abgeschlossen hat, verbrauchen die Safnerer sogar den tupfgenau gleichen Strom wie die Orpunder.
BLICK fragt Orpund-Präsident Räber, der neidisch nach Safnern schielt: Wollen Sie das lokale Netz jetzt nicht zurückkaufen, um so billigen Strom wie die Nachbarn zu haben? «Das ist unmöglich, wir könnten uns den Kaufpreis nicht leisten. Die BKW wissen schliesslich, was sie am Netz haben.»
Und was sagen die BKW dazu? «Wenn sich die Parteien über einen allfälligen Kauf und die Modalitäten einigen können, kann die Gemeinde das Netz von den BKW kaufen.»
2009 wurde der Schweizer Strommarkt teilliberalisiert. Grosskunden mit mehr als 100'000 Kilowattstunden Jahresverbrauch können sich ihren Strom billig auf dem freien Markt besorgen. Viele Gemeinden, die ihr Stromnetz selbst besitzen, können dies tun. Auch die Gemeindebetriebe Safnern BE.
Wer sein Stromnetz dagegen nicht besitzt, ist vom Eigner abhängig und muss dessen vollen Produktionspreis bezahlen. Wie zum Beispiel die Bewohner von Orpund BE.
Das sorgt bei jenen Stromkonzernen, die keine solchen Endkunden bedienen dürfen, für Frust. Die Axpo beschwert sich: «Axpo hat stets betont, dass dieser Zustand unhaltbar ist.» Alle sollten gleich lange Spiesse haben.
«Wir halten keinen Kunden im Monopol gefangen», schreibt auch Konkurrent Alpiq auf Anfrage. «Die Strategie von Alpiq ist auf den vollständig liberalisierten Markt ausgerichtet. Dort agieren wir im harten Wettbewerb.» Sprich: Man verramscht den produzierten Strom mit Verlust.
Alpiq weiter: «Von einer vollständigen Strommarkt-Öffnung profitieren die Kunden.» Zwischen den Zeilen heisst das: Unter dem aktuellen System wird der Kunde geschröpft, während Konzerne wie die BKW abkassieren. Die letzten Jahreszahlen bestätigen das: Die BKW haben in den letzten drei Jahren jeweils mehrere Hundert Millionen Franken Gewinn gemacht.
Die BKW halten dagegen, die Kunden profitierten sogar von der aktuellen Regelung: «Die Energietarife der BKW basieren auf den Gestehungskosten, welche derzeit über dem Marktpreis liegen.» Dieser sei allerdings in letzter Zeit wieder gestiegen. «Dies bedeutet für die Kunden auch, dass sie gegen weitere Preissteigerungen abgesichert sind.»
2009 wurde der Schweizer Strommarkt teilliberalisiert. Grosskunden mit mehr als 100'000 Kilowattstunden Jahresverbrauch können sich ihren Strom billig auf dem freien Markt besorgen. Viele Gemeinden, die ihr Stromnetz selbst besitzen, können dies tun. Auch die Gemeindebetriebe Safnern BE.
Wer sein Stromnetz dagegen nicht besitzt, ist vom Eigner abhängig und muss dessen vollen Produktionspreis bezahlen. Wie zum Beispiel die Bewohner von Orpund BE.
Das sorgt bei jenen Stromkonzernen, die keine solchen Endkunden bedienen dürfen, für Frust. Die Axpo beschwert sich: «Axpo hat stets betont, dass dieser Zustand unhaltbar ist.» Alle sollten gleich lange Spiesse haben.
«Wir halten keinen Kunden im Monopol gefangen», schreibt auch Konkurrent Alpiq auf Anfrage. «Die Strategie von Alpiq ist auf den vollständig liberalisierten Markt ausgerichtet. Dort agieren wir im harten Wettbewerb.» Sprich: Man verramscht den produzierten Strom mit Verlust.
Alpiq weiter: «Von einer vollständigen Strommarkt-Öffnung profitieren die Kunden.» Zwischen den Zeilen heisst das: Unter dem aktuellen System wird der Kunde geschröpft, während Konzerne wie die BKW abkassieren. Die letzten Jahreszahlen bestätigen das: Die BKW haben in den letzten drei Jahren jeweils mehrere Hundert Millionen Franken Gewinn gemacht.
Die BKW halten dagegen, die Kunden profitierten sogar von der aktuellen Regelung: «Die Energietarife der BKW basieren auf den Gestehungskosten, welche derzeit über dem Marktpreis liegen.» Dieser sei allerdings in letzter Zeit wieder gestiegen. «Dies bedeutet für die Kunden auch, dass sie gegen weitere Preissteigerungen abgesichert sind.»