Die Affäre Vincenz löst im Verwaltungsrat der Raiffeisenbank ein Erdbeben aus. Neun von elf Verwaltungsräten werden bis 2020 abtreten oder auf eine Wiederwahl verzichten. Einzig Interims-Präsident Pascal Gantenbein und Olivier Roussy bleiben dem Gremium erhalten. Was der Exodus für Raiffeisen bedeutet, erklärt Reputationsexperte Bernhard Bauhofer (55), Gründer und Chef der PR-Agentur Sparring Partners.
«Personelle Konsequenzen im Aufsichtsgremium, das offensichtlich diese Bezeichnung nicht verdient hatte, sind ein erster richtiger Schritt», urteilt Bauhofer. Dies, um den offensichtlich notwendigen Kulturwandel in der Gruppe langfristig herbeizuführen und Vertrauen wiederherzustellen.
«Gantenbein macht Tabula rasa»
Doch damit nicht genug: «Dieser Kulturwandel darf aber nicht beim Verwaltungsrat halt machen, sondern muss top-down auf die gesamte Organisation umgesetzt werden.»
Den Kahlschlag hält der Experte für richtig. «Gantenbein macht Tabula rasa. Indirekt nimmt er fast den ganzen Verwaltungsrat in Sippenhaft», so Bauhofer. Man müsse daher befürchten, dass es bei den bisher bekannten Fällen von zumindest unlauterer Geschäftsführung nicht bleibe.
Jetzt braucht es kritische Geister
Das Unternehmen steht vor einer kniffligen Aufgabe. Zwei neue Leute stehen mit Rolf Walker und Thomas Rauber zwar schon zur Wahl bereit. Doch sieben zusätzliche VR-Mitglieder müssen noch gefunden werden.
Wen braucht die Raiffeisen in der momentanen Krisensituation? «Erste Priorität muss natürlich sein, dass die Verwaltungsräte etwas vom Bankgeschäft verstehen», fordert Reputationsexperte Bauhofer. Dann aber müssten die Neuen auch eine Ahnung von Governance und Reputation haben.
Schliesslich rät er dazu, keine Leute auszuwählen, die mit den alten Netzwerken verbandelt sind. Und auch keine «Multi-Verwaltungsräte, die auf mehreren Hochzeiten tanzen», will Bauhofer sehen. «Jetzt sind kritische Geister gefragt.»
«Das sieht wie eine Flucht aus»
«Der Exodus sieht wie eine Flucht aus. Trotzdem ist das Davonlaufen für die Raiffeisengruppe richtig», sagt Bankenexperte Hans Geiger zu BLICK. «Der Verwaltungsrat als Organ, aber auch jedes einzelne Mitglied, hat versagt. Ich nehme nicht an, dass das heutige Gremium in Zukunft in der Lage wäre, den Neubau der Gruppe zu führen», sagt er.
Dass alle Abgänge bereits jetzt kommuniziert werden, findet Geiger richtig. «Das sieht nach Krisenkommunikation aus. Raiffeisen ist in der Krise, die Bekanntgabe des ganzen Plans ist richtig», sagt er. «Raiffeisen ist nicht in einer finanziellen oder strategischen Krise, sondern in einer Führungskrise.»