Das miese Geschäft mit der Not der Flug-Passagiere
Gestrandet und abgezockt

Internetportale werben mit einer Erfolgsquote von 90 Prozent um die Gunst von gestrandeten Flugpassagieren. Dabei überlassen sie die Arbeit dem Staat und sacken den Gewinn ein.
Publiziert: 15.07.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:02 Uhr
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Streit um Entschädigung: Gestrandete Passagiere.
Foto: Reuters
Von Ulrich Rotzinger

Flugverspätungen, Annullierungen und verpasste Anschlussflüge werfen die Ferienpläne Tausender Passagiere über den Haufen. Gerade in der Sommer-Hochsaison versuchen Internetportale, Kapital aus der Not der Fluggäste zu schlagen. Dienste wie Get­airhelp, Refund.me, Fairplane, Flightright oder EUclaim versprechen den Gestrandeten,  Entschädigungen bei den Fluggesellschaften einzutreiben. Sie locken mit einer Erfolgsquote von über 90 Prozent.

Das Geschäft floriert: EU­claim wirbt mit 43 Millionen Franken an Entschädigungen, die sie für die Passagiere bereits herausgeholt habe. «Wir haben schon über 140'000 Passagieren geholfen», heisst es beim Mitbewerber Getairhelp.

Das Geschäft mit gestrandeten Fluggästen geht aber nur auf, wenn diese Firmen so viele Fälle wie möglich an Land ziehen können. Und mit wenig Aufwand möglichst viel Geld von den Fluggesellschaften zurückbekommen.

Dabei lassen sie den Staat die Arbeit machen. Kompliziertere Streitigkeiten und Prozesse – etwa wegen verschwundener Koffer oder der Rückerstattung von Übernachtungskosten – reichen sie oft an das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) weiter. «Diese Firmen erwarten, dass das Bazl die Fälle löst und ihnen dann der gesamte Betrag der Entschädigung von der Airline einbezahlt wird», bestätigt Bazl-Sprecher Urs Holderegger BLICK. «Davon beanspruchen sie dann bis zu 35 Prozent als Bearbeitungsgebühr für sich, der Rest erhält der Passagier.»

Getairhelp, die im Erfolgsfall 25 Prozent Gebühren einbehält, begründet dies mit der «Abdeckung sämtlicher Kosten». Die Kunden müssten niemals Geld aus eigener Tasche bezahlen, heisst es weiter.

Was viele nicht wissen: Beim Bazl kommen die Fluggäste kostenlos zu ihrem Recht (siehe Box). Zwar kann die Behörde Fluggesellschaften nicht einklagen, doch sie kann Bussen bis zu 20'000 Franken aussprechen.

In fast 600 Fällen hat sie dies schon getan. Gleichzeitig sind 711 Strafanzeigen hängig.

Der Druck wirkt offenbar: Die Mehrzahl der 200 Airlines, welche die Schweiz anfliegen, zeigten sich kulant – insbesondere Billigflieger, so das Bazl.

98 Prozent der Fälle würden zugunsten der Passagiere abgeschlossen. Holderegger: «Der Fluggast bekommt von der Airline den vollen Entschädigungsbetrag überwiesen.»

Über zu wenig Arbeit kann sich das Bazl nicht beklagen: Seit Anfang 2015 gingen 2062 Anzeigen ein. Bis Ende Jahr rechnet das Bundesamt mit 4000 Anzeigen. Letztes Jahr waren es 3532. Die nächste Anzeigenwelle wird nach den Sommerferien erwartet.

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