Das meint BLICK zur Strommarkt-Reform
Reform gefährdet die Energiewende

Die Energiestrategie 2050 gilt als einer der grössten Erfolge von Doris Leuthards Amtszeit. Eine Strommarkt-Liberalisierung in der aktuellen Version würde diesen Erfolg zerschlagen, meint BLICK-Wirtschaftsredaktor Konrad Staehelin.
Publiziert: 07.11.2018 um 12:32 Uhr
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Aktualisiert: 07.11.2018 um 17:08 Uhr
Konrad Staehelin

Die Energiestrategie 2050 gilt als einer der grössten Erfolge von Doris Leuthards Amtszeit, die in wenigen Wochen zu Ende geht. Die Eckpunkte der Vorlage, die das Volk 2017 angenommen hat: Atomausstieg, Umweltschutz und Versorgungssicherheit.

Die volle Liberalisierung des Strommarkts dreht dieses Rad – Stand jetzt – zurück. Und wirft die Frage auf: Was bleibt von der Energiewende?

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Diskussionspunkt Klimaschädlichkeit: Die Liberalisierungs-Vorlage hat noch offene Punkte.
Foto: KEYSTONE/AP dapd

Der milliardenschwere Strommarkt hat bei ungenügender Regulierung nämlich das Potenzial, grossen Schaden anzurichten. Zum Beispiel im Portemonnaie des Konsumenten. Nämlich dann, wenn der Strompreis wie erwartet steigen wird. Richtig daher, dass Leuthard in der Vorlage weiterhin eine Grundversorgung mit Preis-Deckelung einplant.

Richtig beunruhigend ist aber, dass die Reform die Energie-Souveränität des Landes gefährdet und Anreize für Konsumenten setzt, billigen Dreckstrom einzukaufen. Leuthards Nachfolger muss nach der Vernehmlassung Korrekturen einbauen, damit Umweltschutz und Versorgungssicherheit garantiert sind. So, wie es das Volk letztes Jahr verlangt hat.

Blutet die Umwelt, wenn die Verbraucher jubeln?

In einem liberalisierten Markt wählen viele Kunden das für sie günstigste Angebot – und das ist oft nicht umweltverträglich. Konkret: Aktuell ist ausländischer Dreckstrom aus Kohle und Gas am Markt deutlich günstiger als Schweizer Wasserkraft- oder Solarenergie. 

«Ein Teil der Konsumenten würde bestimmt auf Dreckstrom umsteigen», befürchtet Felix Nipkow (40) von der Schweizerischen Energiestiftung (SES). In der Bundesrats-Vorlage ist nicht vorgesehen, dies zum Beispiel mit einer Importabgabe für Dreckstrom zu unterbinden. «Wenn man den Markt öffnet, muss man Konsumentensouveränität akzeptieren, auch dann, wenn nicht alle grün sein wollen», sagt Henrique Schneider (41), stellvertretender Direktor beim Schweizerischen Gewerbeverband. Es werde aber auch das Gegenteil geben: «Klimabewusste Produkte werden neue Chancen haben und ein viel grösseres Zielpublikum erreichen.»

Allerdings steigt der Grossmarktpreis gerade wieder stark an. Bis die Liberalisierung durch alle politischen Mühlen ist, wird es wohl 2023 sein. Dann dürfte der Preis über den Gestehungskosten liegen. Damit die Konsumenten dann nicht bluten, hat der Bundesrat ein Hintertürli offen gelassen: Er schlägt vor, dass die Konsumenten weiterhin in der Grundversorgung bleiben dürfen. Dort wären die Tarife reguliert. Zudem soll der Strom zwingend aus der Schweiz stammen, mindestens die Hälfte soll aus erneuerbaren Energien kommen. 

In einem liberalisierten Markt wählen viele Kunden das für sie günstigste Angebot – und das ist oft nicht umweltverträglich. Konkret: Aktuell ist ausländischer Dreckstrom aus Kohle und Gas am Markt deutlich günstiger als Schweizer Wasserkraft- oder Solarenergie. 

«Ein Teil der Konsumenten würde bestimmt auf Dreckstrom umsteigen», befürchtet Felix Nipkow (40) von der Schweizerischen Energiestiftung (SES). In der Bundesrats-Vorlage ist nicht vorgesehen, dies zum Beispiel mit einer Importabgabe für Dreckstrom zu unterbinden. «Wenn man den Markt öffnet, muss man Konsumentensouveränität akzeptieren, auch dann, wenn nicht alle grün sein wollen», sagt Henrique Schneider (41), stellvertretender Direktor beim Schweizerischen Gewerbeverband. Es werde aber auch das Gegenteil geben: «Klimabewusste Produkte werden neue Chancen haben und ein viel grösseres Zielpublikum erreichen.»

Allerdings steigt der Grossmarktpreis gerade wieder stark an. Bis die Liberalisierung durch alle politischen Mühlen ist, wird es wohl 2023 sein. Dann dürfte der Preis über den Gestehungskosten liegen. Damit die Konsumenten dann nicht bluten, hat der Bundesrat ein Hintertürli offen gelassen: Er schlägt vor, dass die Konsumenten weiterhin in der Grundversorgung bleiben dürfen. Dort wären die Tarife reguliert. Zudem soll der Strom zwingend aus der Schweiz stammen, mindestens die Hälfte soll aus erneuerbaren Energien kommen. 

Produziert die Schweiz noch genug Strom für sich selbst?

Heute können die meisten Stromunternehmen einen Teil ihrer Energie zu Gestehungskosten plus einem kleinen Aufpreis an die Konsumenten verkaufen. Das setzt Anreize für Investitionen in neue Wasserkraftwerke oder Sanierungen. Sollte das wegfallen, würde wohl keiner mehr investieren – ausser der Strompreis schösse durch die Decke. «Mit dem Wegfallen der AKW in den nächsten Jahren ist die Schweiz aber auf Investitionen in Kraftwerke angewiesen, damit die hohe Versorgungssicherheit erhalten bleibt», sagt Nipkow von der SES.

Leuthard meint, dass die Schweiz auf Jahre hinaus genug Produktions-Kapazitäten für sich selbst besitzt. Es stünden auch nach der AKW-Stilllegung 16,5 Gigawatt Leistung zur Verfügung – der Bedarf liege dagegen nur bei 11 Gigawatt. «Es geht aber nicht nur um Leistung zu einem Zeitpunkt. Der Strom muss das ganze Jahr über verfügbar sein», kritisiert VSE-Direktor Frank. Darum will Leuthard eine kleine Rücklage bilden: Betreiber von Speicherseen, Kehrichtverbrennungs-Anlagen oder Batterien sollen Geld dafür erhalten, Strom für den Notfall bereitzuhalten.

«Das halten wir für kritisch», schreibt jedoch zum Beispiel eine Sprecherin der BKW. Ein Sprecher des Bündner Konzerns Repower schreibt, dass gewisse Projekte gezielt gefördert werden müssten. «Oder aber der Markt muss so gestaltet sein, dass die Preise eine solche Grossinvestition zulassen.»

Heute können die meisten Stromunternehmen einen Teil ihrer Energie zu Gestehungskosten plus einem kleinen Aufpreis an die Konsumenten verkaufen. Das setzt Anreize für Investitionen in neue Wasserkraftwerke oder Sanierungen. Sollte das wegfallen, würde wohl keiner mehr investieren – ausser der Strompreis schösse durch die Decke. «Mit dem Wegfallen der AKW in den nächsten Jahren ist die Schweiz aber auf Investitionen in Kraftwerke angewiesen, damit die hohe Versorgungssicherheit erhalten bleibt», sagt Nipkow von der SES.

Leuthard meint, dass die Schweiz auf Jahre hinaus genug Produktions-Kapazitäten für sich selbst besitzt. Es stünden auch nach der AKW-Stilllegung 16,5 Gigawatt Leistung zur Verfügung – der Bedarf liege dagegen nur bei 11 Gigawatt. «Es geht aber nicht nur um Leistung zu einem Zeitpunkt. Der Strom muss das ganze Jahr über verfügbar sein», kritisiert VSE-Direktor Frank. Darum will Leuthard eine kleine Rücklage bilden: Betreiber von Speicherseen, Kehrichtverbrennungs-Anlagen oder Batterien sollen Geld dafür erhalten, Strom für den Notfall bereitzuhalten.

«Das halten wir für kritisch», schreibt jedoch zum Beispiel eine Sprecherin der BKW. Ein Sprecher des Bündner Konzerns Repower schreibt, dass gewisse Projekte gezielt gefördert werden müssten. «Oder aber der Markt muss so gestaltet sein, dass die Preise eine solche Grossinvestition zulassen.»

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