Beim ersten Lesen möchte man applaudieren: Global gesehen hat die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern im letzten Jahr abgenommen. Die Schweiz kletterte von Rang 21 auf Rang 20. Das zeigt der Gender Gap Report des World Economic Forum, der seit 2006 Jahr für Jahr misst, wie es um die Gleichstellung steht.
Doch wer genau hinschaut, sieht: Jeglicher Applaus ist unangebracht, wir müssen über die Bücher. In entscheidenden Punkten hat die Schweiz keine Fort-, sondern Rückschritte gemacht! Was Arbeits- und Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen angeht, schnitt unser Land schlechter ab als im Vorjahr – und das trotz aller Initiativen zur Gleichstellung, politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich.
Besonders alarmierend: Der Gender Gap wird in der neuen Arbeitswelt zum Gender Graben. Nur 19 Prozent aller Experten für künstliche Intelligenz sind in der Schweiz Frauen. In der digitalen Welt setzt sich die Ungleichheit fort, aber in einer neuen Dimension.
Das zeigt: Was bisher passiert ist, reicht nicht aus. Wir brauchen neue Ansätze in Sachen Gleichstellung, mit einem Fokus auf die digitale Welt und auf Vereinbarkeit. Hier eine gute Nachricht: Wir müssen das Rad nicht neu erfinden – sondern können von denen lernen, die es gut machen. Finnland, Schweden, Norwegen. Ganz nach dem Motto: Kopiere mit Stolz.
Dort wird man sehen: Es braucht mehr Eisbrecher-Frauen in der Schweiz. Frauen, die mit gutem Beispiel vorangehen, die zeigen, wie es geht und die andere Frauen ermutigen. Das WEF hat errechnet: Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, schliesst sich die Lücke in 202 Jahren. So viel Zeit haben wir definitiv nicht.