Das grosse Interview mit Schweri-Enkel Philippe Gaydoul
«Mein Grossvater hielt seine schützende Hand über mich»

Am 31. März würde der legendäre Denner-Besitzer Karl Schweri 100 Jahre alt. Sein Enkel Philippe Gaydoul erzählt im persönlichen Interview von seinem Grossvater, der ihn mit 26 Jahren zum Denner-Chef machte.
Publiziert: 26.03.2017 um 15:16 Uhr
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Aktualisiert: 05.03.2019 um 14:26 Uhr
Philippe Gaydoul im Interview
6:24
Ex-Denner-Chef:Philippe Gaydoul im Interview
Interview: Christian Dorer

Vor wenigen Monaten hat Philippe Gaydoul (45) mit seiner Schuhmarke Navyboot in Zürich neue Büros bezogen – zufälligerweise ganz in der Nähe des Denner-Hauptsitzes. Dort hat er den Discounter jahrelang zusammen mit seinem Grossvater geführt.

Herr Gaydoul, Ihr Grossvater Karl Schweri würde am 31. März 100 Jahre alt. Wie feiern Sie diesen Tag?
Philippe Gaydoul: Die ganze Familie, alle Kinder und Enkel, treffen sich vollzählig zum Essen, also etwa 30 Personen. Das ist ein ganz spezieller Tag für uns.

Karl Schweri polarisierte die Schweiz. Wie erlebten Sie ihn?
Als Kind sah ich meinen Grossvater zwei oder drei Mal pro Jahr. Er faszinierte mich bereits sehr früh. Später arbeitete ich mit ihm zusammen und merkte rasch, dass er polarisierte: Er hatte eine klare Meinung und vertrat diese konsequent. Natürlich eckte er damit auch an.

Ein Patriarch, der keinen Widerstand duldete?
Mit guten Argumenten konnte man ihn überzeugen – einfach war es aber tatsächlich nicht. Er brauchte länger, bis er Vertrauen aufbaute. Gleichzeitig blieben ihm viele Mitarbeiter aber über Jahrzehnte treu.

Woher kam Karl Schweris Antrieb, gegen die etablierten Strukturen anzukämpfen?
Mein Grossvater entstammt einfachen Verhältnissen, war Sohn eines Bauern. Seine Wurzeln hat er nie vergessen. Ihn interessierten immer die Menschen und ihre Probleme. Er erhielt viel Post von Menschen, die ihn auf Missstände aufmerksam machten. Gegen diese versuchte er anzukämpfen. Gleichzeitig war er offen und innovativ.

Zum Beispiel?
Red Bull gibt es in der Schweiz wegen Karl Schweri. Das Getränk war hierzulande verboten – also kämpfte er, bis das entsprechende Gesetz geändert wurde. Er brachte das erste Shoppingcenter in die Schweiz, initiierte den ersten Immobilienfonds und setzte sich für kulturelle Anliegen ein.

Ging es ihm wirklich um die einfachen Leute – oder nicht doch ums Geschäft?

Mein Grossvater lancierte Volksinitiativen, etwa gegen zu hohe Arzneimittelpreise. Davon profitierte er in keiner Weise. Dasselbe bei den Spitalkosten, die er anprangerte. Natürlich war er auch ein guter Geschäftsmann. Dank ihm fielen Kartelle und Preisbindungen. Da standen klar wirtschaftliche Interessen dahinter. Nochmals: Karl Schweri war ein Unternehmer!

Ihr Grossvater brachte den Discount in die Schweiz. Wie veränderte er den Detailhandel?
Er brach mit den Bier- und Tabakkartellen. Das sind nachhaltige Veränderungen, für die er über 20 Jahre lang kämpfte. Zuvor wurden die Preise künstlich hochgehalten. Niemand veränderte den Detailhandel in der Schweiz so stark wie Karl Schweri. 

Wie entstand die Idee eines Discounters?
Schweris grosses Vorbild war Aldi, die Einfachheit faszinierte ihn: Das Geschäft läuft nicht über das einzelne Produkt, sondern über die Menge. Je einfacher das Sortiment, desto geringer der Aufwand – das hält den Preis tief. So simpel ist das!

Karl Schweri machte Sie mit 26 zum Denner-Chef. Weil Sie so gut waren oder weil er Sie unter Kontrolle hatte?

Das weiss ich nicht.

Mit 26 ist kein Mensch bereit, einen Konzern zu führen.
Ich war es auch nicht. Die Aufgabe kam überraschend: Ich war in einem internen Ausbildungsprogramm, für das wir eigentlich noch sieben Jahre vorgesehen hatten. An einem Sonntag lud er meine Mutter und mich ein und eröffnete uns seinen Entscheid ziemlich unspektakulär. Ich sollte das Unternehmen künftig als Chef führen. Nach zwei Minuten war der Spuk vorbei. Ich kannte das Unternehmen bereits recht gut. Er war noch im Saft und unterstützte mich. Das passte. 

Aber letztlich bestimmte er?
Ich konnte zu Beginn nicht schalten und walten, wie ich es natürlich gern gemacht hätte. Denner war damals in einer schwierigen Situation. Ich hätte einiges anders gemacht. Aber ich respektierte Karl Schweri. Ich sagte immer: Solange mein Grossvater lebt, entscheidet er. Schliesslich war es sein Unternehmen. Je länger wir zusammenarbeiteten, desto mehr wagte ich.

Zum Beispiel?
Mein Grossvater verhandelte mit allen Lieferanten persönlich, gestaltete jedes Inserat selber. So brillant er war, gewisse Dinge funktionierten nicht mehr. So sah er ein, dass es Veränderungen brauchte. Er begann, auf mich zu hören, fragte mich um Rat.

Wie oft wollten Sie den Bettel hinschmeissen?
Mehrmals! Ich dachte mir oft: Soll er es doch alleine machen! Es gab viele schwierige Momente. Im Alter wird man ja oft nicht offener, kritikfähiger und einfacher – das galt auch für meinen Grossvater. Heute sage ich: Zum Glück bin ich geblieben! Er hat mir eine einmalige Chance gegeben.

Flogen auch mal die Fetzen?
Nie, denn er war eine grosse Autoritätsperson für mich. Ich hingegen war jung und unerfahren. So versuchte ich, sachlich zu argumentieren. Gegen aussen hielt mein Grossvater übrigens immer seine schützende Hand über mich. Ihm war bewusst, dass ich aufgrund meines Alters angreif- und verletzbar war. Und intern war er der Einzige, der mich kritisieren durfte.

Hatten Sie auch eine persönliche Beziehung?
Ich arbeitete sieben Jahre lang sieben Tage pro Woche, ohne Ferien. Wenn man jeden Sonntag zusammen im Büro verbringt, führt man auch persönliche Gespräche. Er erzählte mir von seinen Sorgen, und ich wurde wohl mit der Zeit zu seinem engsten Vertrauten. Obwohl er einen Fahrer hatte, fuhr ich ihn, wenn er ins Spital musste – damit es auch wirklich diskret blieb. 

Hat er Sie manchmal gelobt?
Wenn er nichts sagte, wusste ich, dass es gut ist. Direkt lobte er mich nur gegenüber anderen Personen. Aber ich spürte sein wachsendes Vertrauen in vielen kleinen Dingen: Niemand durfte mit den Medien sprechen, jede Anfrage lief über ihn. Später gab ich dann Auskunft. Mit der Zeit interessierte ihn das Geschäft immer weniger. Ich wollte mit ihm über Umsätze reden, aber er winkte ab. Das war der schönste Vertrauensbeweis.

In welchen Situationen erkennen Sie Ihren Grossvater in sich selber?
Unabhängigkeit stand zuoberst, eine Haltung, die mir sehr entspricht. So konnte er sagen und machen, was er wollte. Dann war er hartnäckig, sehr direkt, ohne Firlefanz, immer perfekt vorbereitet. Das prägte mich.

2007 hat Ihre Familie Denner verkauft. Sie sagen immer, der Entscheid sei richtig gewesen. Hätte Karl Schweri auch verkauft?
(Überlegt) Vermutlich nicht. Aber auch er war Unternehmer und konnte rechnen. Wenn mein Grossvater für etwas keine Perspektive mehr sah, machte er sich Gedanken. Ich jedenfalls bin überzeugt: Für Denner war der Verkauf das einzig Richtige.

Entweder oder

Luxus oder Discount?

Luxus, weil der grösste Luxus für mich Zeit ist.

Coop oder Migros?

Denner.

Politik oder Wirtschaft?

Wirtschaft. Als Unternehmer ist dies meine Welt. 

Aufstand oder Harmonie?

Harmonie – weil sie mir wichtig ist.

Kino oder Eishockeymatch?

Kino – ist besser für die Nerven.

Luxus oder Discount?

Luxus, weil der grösste Luxus für mich Zeit ist.

Coop oder Migros?

Denner.

Politik oder Wirtschaft?

Wirtschaft. Als Unternehmer ist dies meine Welt. 

Aufstand oder Harmonie?

Harmonie – weil sie mir wichtig ist.

Kino oder Eishockeymatch?

Kino – ist besser für die Nerven.

Persönlich

Philippe Gaydoul (45) ist ein Enkel des legendären Denner-Besitzers Karl Schweri (1917–2001), der das Discount-Konzept für die Schweiz erfand und sich auch politisch engagierte, nicht zuletzt mit sechs Initiativen und vier Referenden. Die Kampagnen führte er über Zeitungsinserate. Denner feiert dieses Jahr sein 50-jähriges Bestehen. Gaydoul begann seine Karriere mit einer Verkäuferlehre bei Denner. Als er 26 Jahre alt war, machte ihn der Grossvater überraschend zum Chef über damals rund 1500 Angestellte. 2007 verkauften die Erben Denner an die Migros. Heute führt Gaydoul Premiumlabels wie Navyboot und Jet Set. Er ist liiert und hat einen 14-jährigen Sohn.

Philippe Gaydoul (45) ist ein Enkel des legendären Denner-Besitzers Karl Schweri (1917–2001), der das Discount-Konzept für die Schweiz erfand und sich auch politisch engagierte, nicht zuletzt mit sechs Initiativen und vier Referenden. Die Kampagnen führte er über Zeitungsinserate. Denner feiert dieses Jahr sein 50-jähriges Bestehen. Gaydoul begann seine Karriere mit einer Verkäuferlehre bei Denner. Als er 26 Jahre alt war, machte ihn der Grossvater überraschend zum Chef über damals rund 1500 Angestellte. 2007 verkauften die Erben Denner an die Migros. Heute führt Gaydoul Premiumlabels wie Navyboot und Jet Set. Er ist liiert und hat einen 14-jährigen Sohn.

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