Haben Sie sich auch schon gefragt, wie Facebook Geld verdient? Ganz einfach. Wir stellen dem sozialen Netzwerk einen Berg an persönlichen Daten zur Verfügung. Bilder unserer Kinder, Vorlieben fürs Essen, wo wir gerade in den Ferien waren, welche Musik wir hören, mit wem wir liiert sind. Dafür nutzen wir die Dienste des US-Giganten. Wir chatten, stöbern auf dem Marktplatz, organisieren uns im Imker-Verein und verabreden uns für die 1.-August-Feier.
Facebooks Software verarbeitet unsere Daten für Werbekunden. Je genauer das Netzwerk seine Mitglieder kennt, desto besser kann es Unternehmen wie Galaxus, Coop oder Hotelplan Anzeigen verkaufen, die zielgenau auf den Bildschirmen der potenziellen Kunden landen. Damit macht Facebook unsere Daten zu Geld.
Konsumenten kontrollieren die Daten
Für André Golliez, der sich seit über 40 Jahren mit Datennutzung beschäftigt, ein schlechter Deal: «Wir tauschen teure Daten gegen eine günstige Softwarelösung.» Golliez ist Präsident der Swiss Data Alliance, einer Organisation, die sich für faire Datennutzung in der Schweiz einsetzt. Ein allein von Facebook, Google und Co. dominierter Markt, so der ETH-Informatiker, sei nicht nur gefährlich, sondern auch unwirtschaftlich – zumindest für die Nutzer, also für uns.
Das soll sich ändern. Dutzende Firmen im In- und Ausland werkeln daran, dass sich Unternehmen und Nutzer künftig auf Augenhöhe begegnen. Eine davon ist das Berner Start-up «Bitsaboutme». Der Gründer: Christian Kunz, ehemaliger Chef von Ricardo. Der Web-Veteran baut an einer Plattform, die den Nutzern helfen soll, ihre persönlichen Daten zu bündeln, um sie gezielt an Firmen zu verkaufen. «Unser Modell ist das Gegenteil von Facebook. Wir geben den Konsumenten die Kontrolle über ihre Daten zurück», verspricht der gebürtige Deutsche.
Zugangsrecht zum persönlichen Datenprofil
Und das funktioniert so: Wer sich bei Bitsaboutme registriert hat, verlinkt seine Accounts von Google, Facebook, Twitter oder seine Migros-Cumulus-Karte. Dann erstellt die Seite ein Profil des Nutzers und visualisiert die Daten. Der Nutzer sieht alles, was Facebook und Co. über ihn wissen. E-Mail-Verbindungen, Einkaufsgewohnheiten, Freundeslisten oder via Google, zu welchen Zeiten man sich an welchen Orten aufgehalten hat. Die persönlichen Daten werden verschlüsselt gespeichert, ständig aktualisiert und bleiben stets unter voller Kontrolle des Nutzers selbst.
Nun dreht Kunz den Spiess um: Nicht die milliardenschwere Datenindustrie soll Geld verdienen – sondern die Nutzer. Sie können ihre Daten über Kunz’ Plattform individuell vermarkten. Im Juni soll es so weit sein. Dann erhalten registrierte Nutzer auf dem Datenmarktplatz der Plattform Deals von grossen Detailhändlern, Fluggesellschaften und Modehändlern, die auf ihr Profil passen.
«Unser Ziel ist es, den Nutzern einen Online-Daten-Marktplatz anzubieten, auf dem sie selbst Daten teilen oder verkaufen können – eine Art eBay, wo statt Ware Zugangsrechte zum persönlichen Datenprofil gehandelt werden», sagt Kunz. Dass solche Firmen just in der grössten Krise von Facebook aus dem Schatten der US-Multis treten, erstaunt wenig. Einerseits setzt sich bei den Nutzern langsam die Erkenntnis durch, dass persönliche Daten ein sehr wertvolles Gut sind. Andererseits werden im Zuge der neuen Datenschutzverordnung der Europäischen Union Modelle wie Bitsaboutme immer attraktiver.
Daten – wichtigster Rohstoff des 21. Jahrhunderts
Kunz glaubt daran, dass «eine wachsende Anzahl von Unternehmen bereit sind, für den Zugang zu qualitativ hochwertigen und aktuellen Daten zu bezahlen». In Form von Gutscheinen, Rabatten oder gar Bargeld. In Europa schätzt er den Markt für persönliche Daten auf mehr als 260 Milliarden Euro jährlich – allein in der Schweiz auf vier Milliarden. Man sei in Gesprächen mit verschiedenen Unternehmen in der Schweiz und Deutschland. «Das Interesse ist gross.» Mehr verraten will er nicht.
Klar ist: Persönliche Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Das birgt Chancen und Risiken zugleich. Um die Nutzer besser zu schützen, denkt André Golliez laut über ein neues Label nach: «Fair Data Inside.» Das Qualitätssigel soll den Schweizer Unternehmen verliehen werden, die sorgsam mit den Daten ihrer Kunden umgehen.
Dann könnten beispielsweise auch sensible Themen angegangen werden. Golliez denkt dabei an Gesundheit und Finanzen: «Verwenden Unternehmen solche Daten inskünftig, um bessere Therapien oder die perfekten Hypotheken anzubieten, können wir nur gewinnen. Missbrauchen sie die Daten, wirft uns das um Lichtjahre zurück.»
Hinweis : Lesen Sie morgen: Warum unser Datenschutzrecht am falschen Punkt ansetzt