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Darum machen Versicherer wie Helsana Jagd auf Abzocker in Weiss
Ärzte-Bschiss kostet Prämienzahler 80 Millionen Franken im Jahr

Bschiss-Rechnungen und Tricksereien von Ärzten kosten die Versicherer und damit auch uns Prämienzahler jährlich zu Unrecht Millionen. Die Helsana, eine der zwei grössten Schweizer Krankenkassen, hat BLICK auf die Datenjagd zur Betrugsbekämpfung mitgenommen.
Publiziert: 23.06.2019 um 22:46 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:08 Uhr
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Nicht alle Ärzte haben eine weisse Weste, wenn sie die Kosten für ärztliche Dienstleistungen abrechnen. Die Krankenkassen setzen viel daran, den Betrug aufzudecken.
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Christian Kolbe

Ivan Tomka (36) hat eine Leidenschaft: Der Leiter Datenforensik des Krankenversicherers Helsana sucht für sein Leben gern die Stecknadel im Heuhaufen. Der Heuhaufen, das sind die 170 Millionen Rechnungspositionen, die die Krankenkasse Helsana jedes Jahr verarbeiten – und kontrollieren – muss.

Die Stecknadel, das sind Auffälligkeiten in den einzelnen Rechnungen, die Hinweise auf betrügerisches Verhalten von Abzocker-Ärzten liefern können. Schwarze Schafe ihrer Zunft, die für ihre medizinischen Leistungen mehr kassieren, als ihnen zusteht.

Der Gesundheitsexperte Felix Schneuwly (58) vom Vergleichsdienst Comparis schätzt den Gesamtschaden durch Abzocker-Ärzte auf 80 Millionen Franken – und dies allein zulasten der Grundversicherung. Am Ende müssen dafür die Prämienzahler aufkommen.

Dem will Tomka von der Helsana einen Riegel vorschieben. «Wenn wir von Betrug und Missbrauch im Gesundheitswesen reden, dann sind es meistens Leistungserbringer, die dahinterstecken. Vor allem Ärzte, aber auch Spitäler, Apotheken oder Labors», erklärt Tomka. Er sucht nicht den Einzelfall, sondern versucht, den systematischen Betrug aufzudecken. «Das sind die Fälle, die richtig ins Geld gehen.» 

Die Fachärzte im Visier

Zum Beispiel bei der weitverbreiteten Operation gegen den grauen Star. Bei deren Abrechnung kassieren einige Augenärzte mächtig ab. Viele Operationen pro Jahr, ein Eingriff, der weitgehend nach dem gleichen Muster abläuft, und ein medizinisches Linsenimplantat, das ein paar Hundert Franken kosten kann: ein Muster, das dem Datendetektiv hilft, Betrug aufzudecken. «Diese Eigenschaften treffen nicht nur bei augenärztlichen Eingriffen zu», sagt Tomka. Auch weitere Facharztgruppen seien im Visier. Mehr will er aber nicht verraten.

Die Schweizerische Fachgesellschaft für Augenärzte weiss um die schwarzen Schafe ihrer Zunft. «Die allermeisten in der Schweiz tätigen Augenärzte rechnen korrekt ab», versichert Verwaltungssekretär Harald Grossmann (55) auf Anfrage von BLICK. «Wir nehmen das Thema sehr ernst. Im August werden wir an unserer Fachtagung hierzu extra einen Workshop zum Thema korrekte Abrechnung abhalten.»

Bei der Jagd nach den Abzocker-Ärzten spannt Tomka mit dem Fachverband der Augenärzte zusammen. Dieser versorgt die Versicherungsdetektive mit Details zu einzelnen Operationen. Die Zusammenarbeit führe zu fairen und bezahlbaren Preisen für den Prämienzahler. «Und verhindert nutzlose Zusatzzahlungen für den Patienten.»

Tomka berichtet von einem Beispielfall sogenannter Rabattwäsche, dem er auf die Spur gekommen ist. Dieser betrifft eine Augenklinik im Grossraum Zürich. Der Schaden allein für die Prämienzahler der Helsana: rund 1,5 Millionen Franken. Über alle Grundversicherungen hinweg dürften Prämienzahler durch diese Augenklinik um 7,5 Millionen Franken abgezockt worden sein. 

Tomka und seinem Team gelang es, auf regelmässige Unregelmässigkeiten zu stossen. Die «Stecknadel» liegt hier bei einem bestimmten Linsentyp. Dieser wurde von der Augenklinik teurer als üblich verrechnet. Das kann im Einzelfall passieren, doch Helsana erkannte das System dahinter. 

Der Kampf gegen die Abzocker-Ärzte lohnt sich

Da diese Linsen in grossem Stil eingekauft werden, liegt oft ein Preisrabatt drin. Nur, diese Kostenreduktion steht den Patienten oder den Kassen zu. Die Augenklinik liess über einen «vorgeschobenen Lieferanten» für die Linsen einen «Wunschpreis» verrechnen, wie Tomka es nennt. Die Differenz landete bei der Augenklinik, nicht bei den Patienten. Ein Blick ins Handelsregister ergibt: Der Lieferant gehört auch zur Augenklinik-Gruppe.

Den Schaden hat die Klinik noch nicht beglichen, doch der Druck von Helsana zeigt Wirkung. «Inzwischen verrechnet die Klinik eine Pauschale für diese Augenoperation, und zwar zu korrekten Preisen», sagt Thomka. 

Dank Helsana aufgeflogen ist auch eine Gruppenpraxis in Genf, in der über Jahre Ärzte abgerechnet haben, die gar nicht für die Grundversicherung zugelassen waren. Der Kanton Genf kennt einen Zulassungsstopp für Ärzte in der Grundversicherung. Der Schaden: 2,3 Millionen Franken. 

Auch ein beliebtes Muster: Bschiss mit der Wegpauschale. Ärzte behandeln einen ganzen Tag lang Patienten an ein und derselben Adresse, zum Beispiel in einem Pflegeheim. Doch der Krankenkasse verrechnen die Schlaumeier die Hin- und Rückfahrt für jeden Patienten einzeln. Die Datenanalyse verknüpft in Sekundenschnelle Arzt, Adresse und Arbeitstag. 

Die Statistikkosmetik ist ein weiteres Muster. So ist die Helsana einem Hausarzt und Rheumatologen auf die Schliche gekommen, der versucht hat, bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht aufzufallen. Der findige Arzt hat die Durchschnittskosten seiner teuersten Patienten gesenkt, indem er Familienmitgliedern unnötige Bagatelluntersuchungen andrehte. Vorteil: Der Überversorgung seiner lukrativsten Patienten stand damit nichts mehr im Wege. Bezahlt von den Prämienzahlern!

Rund zehn Millionen Franken abgezockter Gelder will Tomka in diesem Jahr zurückholen. Klingt zunächst nicht nach viel. Doch er ist überzeugt, dass aufgrund seiner Arbeit Dutzende weitere Millionen eingespart werden – durch Abschreckung: «Es ist wie bei einem Blitzkasten. Erst die Montage veranlasst die meisten Autofahrer, die korrekte Geschwindigkeit einzuhalten. Die anderen werden geblitzt.» 

Auch andere Kassen sind den Tricksereien auf der Spur: Die CSS, der grösste Krankenversicherer im Land, hat im letzten Jahr sechs Millionen Franken von betrügerischen Ärzten zurückverlangt, heisst es auf Anfrage. In diesem Jahr sollen es sogar mehr als zehn Millionen Franken sein.

Zusatzleistungen ohne Mehrwert können ins Geld gehen

Pro Jahr lassen sich rund 100'000 Personen ihre Augen wegen des Grauen Stars operieren. Dabei wird die getrübte natürliche Linse durch eine künstliche ersetzt. Doch gerade beim Preis für diese künstliche Linse versuchen Augenärzte immer wieder zu betrügen.

Nicht nur für die Krankenkassen, sondern auch für die Patienten heisst es: genau hinzuschauen! Denn einzelne schwarze Schafe unter den Augenärzten versuchen, den Pauschalpreis für diese Operation zu «unterwandern», wie Ivan Tomka (36) von der Helsana warnt.

Das heisst, es würden für angebliche Zusatzleistungen wie «Komfortanästhesie, normale asphärische Linsen, UV-Filter-Linsen oder Ähnliches» Zuzahlungen von mehreren Hundert Franken pro Auge verlangt. Das kann die Operation schnell um 1000 Franken teurer machen. Geld, das der Patient aus dem eigenen Sack berappen muss. 

Diese Zusatzzahlungen seien erstens aus tarifrechtlicher Sicht fragwürdig, erklärt Tomka. «Denn die Zuzahlung müsste einen echten Mehrwert darstellen. Und zweitens ist das höchst unfair gegenüber dem Patienten, denn der Arzt nutzt seinen Wissensvorsprung schamlos fürs eigene Portemonnaie aus.» 

Doch Patienten können vorbeugen: Tomka empfiehlt, eine kostenlosen Offerte bei einem zweiten Augenarzt einzuholen. Zudem führt das Magazin «Beobachter» eine Liste mit Augenärzten, welche die Operation ohne Aufpreis und zu fairen Preisen durchführen. 

Pro Jahr lassen sich rund 100'000 Personen ihre Augen wegen des Grauen Stars operieren. Dabei wird die getrübte natürliche Linse durch eine künstliche ersetzt. Doch gerade beim Preis für diese künstliche Linse versuchen Augenärzte immer wieder zu betrügen.

Nicht nur für die Krankenkassen, sondern auch für die Patienten heisst es: genau hinzuschauen! Denn einzelne schwarze Schafe unter den Augenärzten versuchen, den Pauschalpreis für diese Operation zu «unterwandern», wie Ivan Tomka (36) von der Helsana warnt.

Das heisst, es würden für angebliche Zusatzleistungen wie «Komfortanästhesie, normale asphärische Linsen, UV-Filter-Linsen oder Ähnliches» Zuzahlungen von mehreren Hundert Franken pro Auge verlangt. Das kann die Operation schnell um 1000 Franken teurer machen. Geld, das der Patient aus dem eigenen Sack berappen muss. 

Diese Zusatzzahlungen seien erstens aus tarifrechtlicher Sicht fragwürdig, erklärt Tomka. «Denn die Zuzahlung müsste einen echten Mehrwert darstellen. Und zweitens ist das höchst unfair gegenüber dem Patienten, denn der Arzt nutzt seinen Wissensvorsprung schamlos fürs eigene Portemonnaie aus.» 

Doch Patienten können vorbeugen: Tomka empfiehlt, eine kostenlosen Offerte bei einem zweiten Augenarzt einzuholen. Zudem führt das Magazin «Beobachter» eine Liste mit Augenärzten, welche die Operation ohne Aufpreis und zu fairen Preisen durchführen. 

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